Urlaub in Deutschland Wandern im Defereggental

St. Jakob in Defereggen · Wandern und Ruhe, das ist Sommerurlaubern in den Alpen schon lange nicht mehr genug. Viele Regionen setzen deshalb auf Funsport und Abwechslung. Anders im Defereggental in Osttirol. Dorthin reist, wer nicht mehr will als Natur pur. Und das reicht auch völlig.

Eindrücke aus dem Defereggental
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Eindrücke aus dem Defereggental

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Foto: dpa, pla

Das Glück im Leben - manchmal ist es Senf. Nach Preiselbeere schmeckt es dann, nach Marille, Dill-Honig oder Schwarzem Holunder. Ein halbes Jahr braucht Bernd Troger für eine neue Rezeptur. "Mit Senf kann man viel machen", findet der gelernte Koch und reicht die Dose mit der Sorte "Rustikal". "Da sind die Nebenhöhlen so frei wie noch nie", sagt er.

Doch die Osttiroler Bergluft hier im Defereggental kann es fast mit dem Senf aufnehmen, bloß ohne das Brennen. Vielleicht macht sie auch besonders produktiv. Bernd Troger, 48, kurze Haare und wache Augen, stellt den Deferegger Senf seit acht Jahren her, eine regionale Spezialität.

Er war viele Jahre im Ausland, hat dort in der Küche gearbeitet, in Australien, in Amerika. Troger hat die Welt gesehen und kam doch zurück in dieses kleine Tal, wo es eigentlich nichts gibt. Wie ist das zu erklären? Jedenfalls nicht nur mit dem Senf.

Den Trend zu möglichst regionalen Produkten gibt es überall in den Alpen, da ist Troger keine Ausnahme. Doch damit enden die Gemeinsamkeiten oft. Andere Regionen wie das Ötztal mit der Area 47 werben mit Funsport und Freizeitangeboten abseits des Wanderns. Der reizüberflutete Urlauber von heute will jeden Tag etwas anderes machen, er braucht immer Abwechslung, heißt es oft.

Im Defereggental, einem der unberührtesten Alpentäler Österreichs, ist diese Auffassung noch nicht angekommen. Und das hat einiges für sich. In gewisser Weise konserviert das Defereggental den Flair einer vergangenen Zeit, als Sommerfrischler in die Alpen reisten, nur wegen der guten Luft und der Natur.

"Das Tal ist noch nicht überlaufen", sagt Troger, der in einem kleinen Gasthof in Maria Hilf ein frühes Feierabendbier genießt. Dort ist er geboren, dort lebt er nun wieder. "Hier kannst du Bergtouren machen, die noch ursprünglich sind", sagt er. Dann folgt noch ein kleiner Seitenhieb: "Wir sind nicht dieses Halligalli-Ischgl."

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Foto: dpa, tsn

Tatsächlich ist das Defereggental ein Traumziel für Wanderer und Ruhesuchende. Es liegt geschützt im Nationalpark Hohe Tauern, doch eben etwas versteckt zwischen Virgental im Norden und Pustertal im Süden. Seitentäler und Hänge sind durch gut markierte Wege verbunden, von zahmen Forststraßen bis zu ausgesetzten Steigen. Die zahlreichen Berghütten laden Tagesausflügler und Übernachtungsgäste ein, zig ansehnliche Bergspitzen wecken Gipfelsehnsucht. Die Bedingungen sind also vorbildlich. Man wundert sich, dass nicht viel mehr los ist.

Lange war das Defereggental sehr abgeschieden. Dann wurde 1967 der Felbertauerntunnel gebaut. 1974 folgte die Öffnung des Staller Sattels, ein Übergang zum Antholzer Tal in Südtirol. Beides hat das, was man früher Fremdenverkehr nannte, bedeutend vorangebracht. Doch ruhig ist es immer noch, auch wenn auf dem Staller Sattel an warmen Sommertagen viele Ausflügler zusammenkommen, um die Hochgebirgswelt zu genießen. Ein Ausblick ohne Anstrengung.

Dabei sind es gerade Wanderer, die im Defereggental mit seinem putzigen Hauptort St. Jakob (keine 1000 Einwohner, Kirche, Geranien vor den Balkonen) schier unbegrenzte Möglichkeiten vorfinden. Es ist schwer, eine einzelne Tour herauszupicken.

Als wildromantisch lässt sich der Aufstieg zur Barmer Hütte am mächtigen Hochgall beschreiben: Kühe grasen zwischen bemoosten Steinen, der Bach rauscht ungezähmt vorbei, Wildblumen säumen den Weg. Eine vortreffliche Alpenidylle. Die Jagdhausalmen sind ein beliebtes Ausflugsziel, das nur moderate Kondition erfordert: 19 Steinhäuser, eine Kapelle - eine der ältesten Almen Österreichs.

Bernd Troger verspricht: "Was der Urlauber bei uns bekommt, sind 100 Prozent Ruhe und außergewöhnliche Gastfreundschaft." Wohlgemerkt, mit Ruhe ist nicht Trägheit gemeint. Es geht mehr um diese innere Entspannung, wenn man den Tag in Wanderschuhen verbracht hat und bei Wiener Schnitzel, Kaiserschmarrn und Radler ausklingen lässt. Manche sehen darin wohl Eintönigkeit - oder eben angenehme Einfachheit. "Wir haben viele Stammgäste, die genau das schätzen", sagt Troger.

Vielleicht war das auch der Grund, warum der weltreisende Koch irgendwann in seine Heimat zurückgekehrt ist. "Das ist der schönste Fleck auf Erden, um eine Familie zu gründen", sagt er. Die Sonne wirft ihr warmes Nachmittagslicht auf die Lärchen, Troger genießt hier in Maria Hilf seine Ruhe - und seinen Senf. Über die große Reiselust der Talbewohner gebe es ein Sprichwort: "Wie Kolumbus nach Amerika gefahren ist, waren die Deferegger schon wieder zurück." Der Punkt ist: Sie sind wiedergekommen, in ihr beschauliches Tal.

(dpa)
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