Urlaub in Deutschland Im Herbst mit dem Hausboot durch Ostdeutschland

Fürstenberg/Havel · Vieles ist überreguliert in Deutschland. Doch die Erlaubnis, ein recht großes Motorboot zu führen, erhält man in drei Stunden. Das belebt den Wassertourismus und weckt skandinavische Gefühle.

Entspannt mit Hausboot an die Ostsee
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Die Faustregel ist einfach: rechts, rot, runter. "Wenn ihr zu Tal fahrt, müsst ihr die rote Tonne rechts liegen lassen, sonst setzt ihr auf", erklärt Walter Kussmaul. Wir sind unterwegs auf der Steinhavel, einem Kanal, der vom brandenburgischen Röblinsee abgeht. Er ist Teil des Reviers, auf dem Kussmaul, Betreiber einer Charterbasis, mit seinen Kunden das Bootfahren übt. Wobei Boot womöglich falsche Assoziationen weckt.

Die "Supreme" ist ein stattliches Hausboot von 11,50 Metern Länge, mit Schlafplätzen für vier Personen, Kochnische, Kühlschrank, Kaffeemaschine. Nur spülen muss man selbst. Ohne Motorbootschein werden wir es alleinverantwortlich bis ins knapp 30 Kilometer entfernte Rheinsberg und zurück zur Basis in Fürstenberg fahren. Möglich macht das die im Jahr 2000 eingeführte Charterbescheinigung. Drei Stunden muss man sich in Technik und Verkehrsregeln auf dem Wasser einweisen lassen.

Zehn der schönsten deutschen Nationalparks
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Foto: Michael Thaler /Shutterstock.com

Eine Herausforderung sind die Schleusen. Die erste wartet gleich in der Steinhavel. Es braucht Zeit, bis man als angehender Skipper mit den Leinen umgehen kann. An Pollern festzumachen ist Pflicht, weil sich das Boot ansonsten quer stellen könnte. Nur Knoten sind tabu, weil die Länge des Taus flexibel bleiben muss - je nachdem ob das Boot angehoben oder abgesenkt wird. Aber die Feuerprobe gelingt.

Die "Supreme" gleitet gemächlich weiter. Auf dem Menowsee stellt sich ein Gefühl der Abgeschiedenheit ein. Die Herbstsonne geht langsam unter, der Himmel ist schraffiert von lockeren Wolken. Wir sind allein auf dem Wasser. Es ist die Einsamkeit der Nachsaison. "Da brauchste nicht nach Skandinavien" sagt Sven, der mit an Bord ist.

Auf dem Ziernsee überqueren wir die unsichtbare Grenze zu Mecklenburg. Es wird nicht das letzte Mal sein, denn die verzweigten Gewässer halten sich nicht an menschliche Willkür. Wir brauchen einen Platz für die Nacht. Die Schleusen stellen um 18.00 Uhr den Betrieb ein. Am Jachthafen Priepert am Ellbogensee ist die Auswahl an Parklücken groß. Ein junger Mann eilt herbei, greift sich unsere Leine und zerrt das Schiffchen in die richtige Position. "Fürs erste Mal war das nicht schlecht", teilt er uns höflich mit. "Na, habt ihr angelegt? Was sonst, oder?", blafft Hafenmeister Horst, als wir am Tresen des Hafenkiosks stehen. Wir zahlen 18 Euro Liegegebühr - 1,50 Euro je Schiffsmeter. Zur Begrüßung schiebt uns Horst zwei Kümmerlinge über die Theke.

Urlaub im Hausboot
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Foto: dpa, TVB Mecklenburg-Vorpommern

Am nächsten Tag steuern wir unserem Ziel Rheinsberg weiter entgegen und treffen an der Schleuse Strasen, die den Ellbogensee im Osten und den Pälitzsee im Westen verbindet, auf Carsten Obst. Er ist seit DDR-Zeiten Schleusenwärter. "Ich wollte einen Beruf lernen, wo man an der frischen Luft ist. Das war mein Traum", sagt er, als sich unser Kahn in der Kammer langsam hebt. Er klagt darüber, dass viele Schleusen auf Selbstbedienung umgestellt würden. Seine Zunft könnte aussterben. Die Fahrt geht weiter auf der Müritz-Havel-Wasserstraße vorbei an Kleinzerlang mit seinem schönen Naturstrand, anschließend führt uns der Hüttenkanal - wieder auf brandenburgischer Seite - zum Großen Prebelowsee. Die Bäume spiegeln sich vor uns im Wasser.

Mit Rheinsberg am Grienericksee erreichen wir den Wendepunkt unserer Hausboottour. Die brandenburgische Stadt, bekannt vor allem durch Tucholskys "Rheinsberg: Ein Bilderbuch für Verliebte", ist Ziel vieler Wassertouristen. Anziehungspunkt ist auch das Schloss Rheinsberg. Die "Supreme" dreht eine Ehrenrund vor dem Gebäude, in der Abendsonne leuchten die Fenster pink.

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Foto: tripadvisor

Auch im Herbst herrscht im Jachthafen viel Betrieb. "Da könnt ihr aber nicht liegenbleiben", brüllt Hafenmeister Dirk Westphal uns entgegen, bevor wir an der richtigen Stelle anlegen. Rund die Hälfte der Wassertouristen, die nach Rheinsberg kommen, hätten statt eines Bootsführerscheins nur die Charterbescheinigung. "Für den Tourismus ist das ein Segen", sagt Westphal. Dass mit den Gästen Geld ankommt, sieht man dem herausgeputzten Residenzstädtchen an.

Eine Hausboottour wäre ohne einen Besuch bei einem lokalen Fischer nicht vollständig. Auf dem Rückweg zur Charterbasis nach Fürstenberg machen wir einen Abstecher, der uns zum Schwarzen See und ins Uferrestaurant von Wilhelm Gehrt im Örtchen Flecken Zechlin führt. Bald haben wir Hecht und Barsch auf den Tellern, die bekannte Maräne ist aus für heute. Wir kommen mit Fischer Gehrt ins Gespräch, der uns spontan mit auf seinen Kahn nimmt, Reusen überprüfen. Meter um Meter holt der Fischer ein, doch heute sind ihm nur zwei Aale, ein paar kleine Barsche und Flusskrebse in die Falle gegangen. Überleben könne er nur dank der Gastronomie, sagt Gehrt.

Die letzte Nacht auf dem Rückweg verbringen wir auf dem Tietzowsee. Dumpf rasselnd gleitet die Ankerkette in die Tiefe, dann herrscht Stille. Nur Fische sind zu hören, die auf der Jagd nach Insekten aus dem Wasser springen. Je dunkler die Nacht wird, desto stärker zeichnen sich die Sterne ab. So klar der Himmel im Herbst sein kann, so kalt kann es auch werden. Auf dem Deck glitzert Raureif. Wir werfen die Bordheizung an. Dass nur Hartgesottene baden gehen können, ist wohl der einzige Nachteil einer herbstlichen Hausboottour auf den Binnengewässern Ostdeutschlands.

(dpa)
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