Deutschlands "Krimiland" Besuch an der Oste

Osten · Moor und Marsch,Gräben und Gehöfte durchziehen die abgelegene Landschaft an der Oste. Klar, dass dieses Fleckchen Erde oft als Kulisse für Kriminalromane genutzt wird. Doch wie ist es dort wirklich? Ein Besuch im "Zentrum des fiktiven Verbrechens".

Das "Krimiland"- Ein Besuch an der Oste
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Der Ostefluss schlängelt sich zwischen Bremervörde, Stade und Cuxhaven durch plattes Land. Im Herbst hängen hier Nebelfetzen über den grünen Wiesen und dunkelbraunen Moorlandschaften. Einsame Bauerngehöfte sind in der Ferne auszumachen - perfekte Bedingungen also, um spannende Kriminalromane und düstere TV-Drehbücher zu schreiben. Mehr als 50 Krimis und 200 Drehbücher sind bislang im Kehdinger Land zwischen Elbe und Oste entstanden.

Jochen Bölsche von der Arbeitsgemeinschaft Osteland nennt die Region das "Zentrum des fiktiven Verbrechens". Allein 200 Folgen der ZDF-Fernsehserie "Der Alte" hat der 2005 verstorbene Drehbuchautor und Regisseur Volker Vogeler in seinem Haus am Rönndeich in Drochtersen-Hüll verfasst. In der Nachbarschaft lebte Elke Loewe, die ihre Romanheldin Valerie Bloom zwischen Marsch und Moor mit geheimnisvollen Todesfällen konfrontiert. Szenen mit "Tatort"-Star Maria Furtwängler entstanden im benachbarten Großenwörden.

"Erlkönigs Land" hat Loewe einmal den Landstrich genannt, der sich links und rechts der 153 Kilometer langen Oste vom Elbdeich bis zu den Hügeln der Geest ausbreitet. Ein Gebiet, ungefähr so groß wie Berlin und Hamburg zusammen.

Die Art der Menschen - wie sie leben und wie sie sprechen - spiegelt Wilfried Eggers in seinen Krimis wider. "Diese Landschaft, sie ist inspirierend, die Marschen hinter dem Elbdeich, das dunkle Moor und weit hinten am Horizont die Geest - fast schon Ausland für uns", sagt Eggers. Er stammt aus Drochtersen und arbeitet dort hauptberuflich als Rechtsanwalt und Notar. Auch Landwirt Thomas B. Morgenstern, Politikwissenschaftler Reinhold Friedl sowie Jürgen Petschull, Wolfgang Röhl, Axel Roschen und Dietrich Alsdorf siedeln in dem Landstrich ihre teils historischen Krimistorys an.

Einmal im Jahr lädt die Arbeitsgemeinschaft Osteland einige Autoren zu abendlichen Krimilesungen ein, an unterschiedlichen Orten, zum Beispiel im Klinkerwerk Rusch, gleich hinter dem Drochtersener Elbdeich. Bei Rusch brennen sie seit 1881 Ziegelsteine, in einem der letzten Ringöfen in Deutschland. Es existierten einmal mehr als 100 Ziegeleien im Kehdinger Land. "Halb Hamburg wurde mit Ziegelsteinen von hier erbaut, die über die Elbe verschifft wurden. Wir sind als einziges Klinkerwerk übrig geblieben", sagt Matthias Rusch, der den Familienbetrieb in der vierten Generation führt.

Das Klinkerwerk wurde gleich in zwei Kriminalerzählungen zum Schauplatz, in Wilfried Eggers "Ziegelbrand" und in Elke Loewes historischem Krimi "Simon, der Ziegler", einer Familiensaga über das entbehrungsreiche Leben der Ziegeleiarbeiter im Jahre 1870.

Wer die Einsamkeit mag und den hohen Himmel über weitem Land liebt, der radelt mit dem E-Bike gegen den frischen Wind und erkundet die Landschaft links und rechts der Oste. Auf weit mehr als 1000 Kilometer bringt es das Netz ausgezeichneter Radwege.

Auf der Tour durch das Krimiland lohnen Zwischenstopps in Gräpel und in Osten. "Fährmann hol' över!" Mit Glockenklang rufen Radler von Mai bis Mitte Oktober die Fährleute an die Arbeit. Die Prahmfähre ist schon mehr als 100 Jahre alt. Das Fährboot wird auch heute noch mit der Hand an der Kette über den Fluß gezogen. Etwa 50 Meter breit ist die Oste hier, keineswegs ein stilles Gewässer.

Zwischen Bremervörde und der Elbe folgt der Fluss auf 75 Kilometern dem ewigen Gezeitenstrom von Ebbe und Flut; an der Prahmfähre in Gräpel beträgt der Tidenhub gut eineinhalb Meter. Für Paddler und Kanusportler ist das Gewässer ein stressfreies Revier, es gibt fast keine Berufsschifffahrt. Mit der Flut lassen sie sich durch die vielen Biegungen und Windungen der Oste zwischen grünen Deichen und dichtem Schilf landeinwärts treiben.

Einmal im Leben über die Oste schweben: Dieser Wunsch wird in Osten wahr, durch die historische Schwebefähre. 1909 entstand der 80 Meter breite Stahlkoloss. Die weithin sichtbare Eisenkonstruktion wurde errichtet in der Stahlfachwerk-Bauweise, die durch Gustave Eiffel mit seinem Pariser Eiffelturm weltbekannt wurde. An dicken Stahlträgern hängt die Fährgondel, mit der einst Pferdefuhrwerke und bald auch die ersten Automobile über die Oste gelangten. Das Technikdenkmal ist die älteste deutsche Schwebefähre und eine von acht Fähren dieser Art weltweit. Autos nehmen die Fährleute allerdings nicht mit. Nur bei Oldtimern machen sie manchmal eine Ausnahme.

(dpa)
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