Service Alltagsauszeit auf die störrische Tour

Mit zwei Eseln wird eine Wanderexpedition durch die Landschaftsidylle der Uckermark zu einer echten Herausforderung.

 Die Esel geben auf der Tour das Tempo vor. Ziehen und Zerren hilft bei den manchmal recht sturen Tieren nicht. Als Führer muss man sich auf die gemütliche Gangart einlassen.

Die Esel geben auf der Tour das Tempo vor. Ziehen und Zerren hilft bei den manchmal recht sturen Tieren nicht. Als Führer muss man sich auf die gemütliche Gangart einlassen.

Foto: Sascha Rettig

Regel Nummer zwei bereitet noch etwas Ratlosigkeit. "Sprechen Sie viel mit Ihrem Esel, denn ein Esel ist ein guter Zuhörer und freut sich, wenn sich jemand mit ihm abgibt", steht es auf dem Merkblatt mit insgesamt sieben Regeln. Aber was redet man schon mit zwei Eseln, während man mit ihnen durch das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin wandert? Letztlich läuft es erst einmal nur auf die Standards hinaus: "Prima, Sofie!" oder "Das machst du gut, Emma!" Denn zu diesem Zeitpunkt hat man noch den Eindruck, als wären wir schon immer ein eingespieltes Team - so reibungslos verläuft der Start der dreitägigen Wanderung.

Die begann kurz zuvor auf Katrin von Zwolles Hof in Flieth-Stegelitz, auf dem sie eine ausführliche Einweisung gegeben hat: Wie man die Esel füttert, führt und ordentlich striegelt. Wie man sie bepackt und ihr Verhalten liest. "Esel sind sehr schlau und vielschichtig", sagt die Exil-Berlinerin, die eine Esel-Herde von zwölf Tieren auf ihrem Hof beherbergt. "Die haben alle ihren eigenen Charakter."

Der zeigt sich auch bei Sofie und Emma. Schon bald stellt sich auf der Wanderung heraus, dass die 20-jährige Sofie die abgeklärtere Eselsdame ist. Emma hingegen, erst etwa sieben Jahre alt, lässt sich häufiger ablenken. Wie störrisch beide sein können, zeigt sich vor dem Ortsausgang in Gerswalde - da geht plötzlich überhaupt nichts mehr. Ziehen und Zerren würde eh nichts bringen, und deshalb kann man es auch gleich lassen. Also grasen die Esel und lassen sich auch nicht beeindrucken von den finsteren Wolken, die immer näher kommen und sich ausschütten. "Komisch, wie traurig Esel im Regen aussehen können", denkt man sich beim Plündern des Lunchpakets.

Doch der Schauer währt nur kurz und mit den ersten Sonnenstrahlen hellt sich auch die Stimmung wieder auf. Und nach höflicher, aber bestimmter Aufforderung kommen Emma und Sofie wieder in die Gänge: Ein ruhiger Trott mit dem Rhythmus der klackernden Hufe und eine Extrem-Entschleunigung auf Eseltempo gehören aber dazu. Das lässt Zeit und öffnet den Blick für Dinge, die einem sonst kaum auffallen: Die Nacktschnecke auf dem Asphalt, und auch der Tausendfüßer, der sich auf die andere Seite des Weges steuert.

Nach UN-Kriterien gilt die Uckermark als unbesiedelt - so wenig Menschen leben hier pro Quadratkilometer. Man ist meist allein, nur mit den Eseln und seinen Gedanken. Es erinnert an eine Wüsten-Karawane. Nur, dass man statt mit Kamelen mit Eseln unterwegs ist. Und statt des weiten Dünenmeeres reichen die goldenen Getreidefelder bis zum Horizont. Der Wind kämmt seine Muster in diese Landschaft.

Nach rund sieben Kilometern ist das erste Ziel erreicht: der Straußenhof von Hartmut und Andrea Rätz im Örtchen Berkenlatten, wo es schon lange mehr Strauße als Einwohner gibt. Etwa 100 Tiere laufen über die großen, eingezäunten Grünflächen, recken neugierig die Hälse. "Eine persönliche Bindung kann man nicht aufbauen. Gesichter merken sie sich eigentlich nicht", sagt Andrea Rätz. "Das Beste ist das Fleisch", fügt sie lachend hinzu. Auch heute Abend landet es als Steak und Bratwurst auf dem Teller. Übernachtet wird in der einfachen Holzhütte mit Freiluftdusche, dem Eselstall in Sichtweite und vielen Straußenbabys als Nachbarn.

Nach dem Frühstück zieht die Ucker-Karawane weiter. Nur weit kommt sie nicht. Schon nach ein paar hundert Metern streiken die Esel erneut. Ein Anruf mit entsprechenden Tipps von Katrin von Zwolle hilft - allerdings nur kurz. Dann kommt nach einem weiteren Notfalltelefonat eine Assistentin angefahren und bringt Emma und Sofie so auf Spur, dass sie in Bewegung bleiben. Das kleine Wäldchen wird dabei etwas schneller durchquert, um den Bremsen-Attacken auf Emma und Sofie ein Ende zu bereiten. Und am Badesee zieht der Treck ohne kühlendes Bad vorbei, weil es gerade wieder so gut läuft.

Das bleibt auch so bis zur Ankunft beim zweiten Nachtquartier in Herberts Gesindehaus 7 in Temmen. Herbert Kadatz, der aus dem Spreewald stammt und in den 1980ern Jahren in West-Berlin lebte, hat vor zwölf Jahren einer alten Dame den Hof abgekauft. Emma und Sofie verbringen die letzte Nacht auf der Koppel. Zum Abschied hatten wir uns gerade richtig aneinander gewöhnt. Und obwohl auf der Tour Spaß und Machtkämpfe kollidierten und es für jede Entspannung einen Stress-Augenblick gab, haben sie doch eines geschafft: dass man auf ungewöhnliche Weise ganz und gar dem Stress des Alltags entkommen konnte.

Die Redaktion wurde von Tourismus Uckermark zu der Reise eingeladen.

(RP)
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