650 Kilometer Slow Travel

Von Berlin nach Kopenhagen führt ein Radfernweg. Wem die Fahrt zu mühsam ist, der mietet sich ein E-Bike.

650 Kilometer durch Deutschland und Dänemark zu radeln, und das nur auf dafür vorgesehenen Wegen - ein Traum! Man braucht sich auch keine Sorgen zu machen, vom Weg abzukommen, denn der Fernradweg Berlin-Kopenhagen ist durchgehend beschildert. Also meistens.

Radler, die sich nicht durch den Hauptstadtverkehr quälen möchten, können genauso gut in Spandau am nordwestlichen Rand der Stadt losfahren. Offizieller Startpunkt ist der Schlossplatz in Mitte. Wer durchs Brandenburger Tor radeln möchte, sollte hier die Tour beginnen. In Spandau führt der Weg zunächst an idyllischen Kleingartenkolonien am Havelufer entlang, und plötzlich ist die lärmige Großstadt ganz weit weg. Zum Teil hat man den Radweg ehrgeizig auf Holzstegen über den Ufermorast verlegt.

Die "Bürgerablage" im Spandauer Forst ist die erste Badestelle auf unserer Strecke; ein schönes Fleckchen Erde für die erste Pause mit Wasser, Banane und Schokolade. Rund 90 Kilometer sind pro Tag vorgesehen. Hauptsache, abends kann der Akku des E-Bikes aufgeladen werden.

Dass der Radfernweg schon einige Jahre auf dem Buckel hat, merkt man an den Symbolen, die ihn markieren: das Logo mit dem geschwungenen Kreis und den drei Strichen darin ist an vielen Kreuzungen stark ausgeblichen, manchmal von Büschen überwuchert. Schnell stellt sich heraus, dass der Radweg Berlin-Kopenhagen gar kein richtiger Radweg ist, sondern ein Sammelsurium aus geteertem Radweg, Abschnitten mit Kopfsteinpflaster, Verbundstein, Landstraße, Feld- und auch Waldweg mit Baumwurzeln, über die man das Rad mit den beiden gut gefüllten Satteltaschen besser schiebt.

Nach Fürstenberg schlängelt sich der Radweg vorbei an (im Mai) gelb blühenden, duftenden Rapsfeldern durch die Mecklenburgische Seenplatte. Alle paar Kilometer tun sich wunderbare Blicke auf blaue Waldseen auf. Dazu gibt's permanent Rückenwind und viel Sonne. Im staatlich anerkannten Erholungsort Himmelpfort, eingequetscht zwischen vier Seen im Norden Brandenburgs, führt der Weg vorbei am Weihnachtspostamt, in dem zum jetzigen Zeitpunkt allerdings gähnende Leere herrscht. Am Bio-Campingplatz am Ellbogensee machen wir eine Pause: serviert wird ein vorzüglicher Kaffee aus nachhaltigem Anbau.

Es folgen eine Reihe idyllischer Dörfer, Mühlen und Schlösser sowie eine Rast an der Havelquelle, für die man allerdings einen 500 Meter langen Umweg fahren muss. Sie pladdert behäbig in eine steinerne Schale, bildet aber immerhin die Wasserscheide zwischen Nord- und Ostsee. Auf den Feldern sind immer wieder große Vögel, Kraniche, Flugenten und Fischadler zu sehen, die im Müritz Nationalpark zu Hause sind.

Nach Güstrow wird es eben, das Meer ist jetzt nicht mehr weit. Auffällig ist die große, mittelalterliche Nikolaikirche im Rostocker Stadtzentrum, in deren Dach rund 20 Wohnungen mit Balkonen eingebaut sind - ein innovatives Architekturprojekt noch aus DDR-Zeiten.

Von hier aus geht der Weg etwas umständlich durch Plattenbauviertel zum Überseehafen, wo die Fähre ins dänische Gedser ablegt. Auf dem riesigen, brandneuen Schiff wirken die Räder im Frachtraum etwas verloren. Knapp zwei Stunden Überfahrt werden mit acht Euro für ein Rad und eine Person berechnet, ein Schnäppchen. Denn in Dänemark erwartet die Radler ein ganz anderes Preisniveau. Für einen Hamburger mit Pommes muss man mit 20 Euro rechnen, ein Glas Leitungswasser dazu wird mit zwei Euro berechnet. Wir übernachten in Nykøbing im Hotel Falster, im Industriegebiet. Zeit, um das kleine Städtchen zu besichtigen, bleibt leider keine. Eine Massage für die müden Knochen wäre gut, doch leider bietet das Hotel diesen Service nicht an. Die nächste Fähre, die das Meer zwischen Stubbekøbing und Bogø verbindet, fährt extra nur für unsere Radgruppe, und das zum Preis von sechs Euro pro Person und Rad. Es ist ein historisches Fährschiff aus Holz, die "Ida".

Landschaftlich hat die letzte Etappe bis Kopenhagen wenig zu bieten. Rechts und links säumen endlose Felder mit modernen Bauernhöfen den Weg. Im Vorgarten eines schnuckeligen dänischen Landhauses grast ein echtes Pferd. Erinnerungen an Pippi Langstrumpfs "Kleinen Onkel" werden wach.

In Kopenhagen ist das Budget-Hotel Cabinn City gebucht (137 Euro inklusive Frühstück), die Räder können im Innenhof abgestellt werden. Die Radwege in der sagenumwobenen Radfahrerstadt ernüchtern jedoch: Sie sind zwar gut ausgelastet, haben an vielen Stellen aber eine Überholung nötig, und die Autofahrer in Kopenhagen pochen genau wie in jeder anderen Großstadt auf ihre Vorfahrt. Der Popo, nach sechs Tagen im Sattel, tut weh und möchte in den nächsten Tagen nur noch gehend fortbewegt werden.

Die Redaktion wurde vom Dänischen Fremdenverkehrsamt eingeladen.

(RP)
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