Interview mit neuem Chef der NRW-Verbraucherzentrale Schuldzinski: "Verbraucher zahlen für Mobilfunk oft zu viel"

Düsseldorf · Der neue Chef der NRW-Verbraucherzentrale, Wolfgang Schuldzinski, fordert mehr Datensicherheit im Netz und rät den Kunden, ihre Handyverträge zu prüfen.

 Wolfgang Schuldzinski leitet ab 1. Juli die Verbraucherzentrale NRW.

Wolfgang Schuldzinski leitet ab 1. Juli die Verbraucherzentrale NRW.

Foto: VZ NRW

Herr Schuldzinksi, ab 1. Juli werden Sie die NRW-Verbraucherzentrale leiten. Brauchen wir im Zeitalter des Internets überhaupt noch persönliche Beratung für Verbraucher?

Schuldzinski Je offener und vielfältiger die Märkte sind, umso mehr brauchen viele Menschen Unterstützung. Früher gab es nur die Telekom, jetzt dutzende Anbieter mit hunderten Tarifen. Früher gab es praktisch nur die gesetzliche Rente, jetzt muss auch privat vorgesorgt werden. Da ist es für Verbraucher und besonders für weniger gut verdienende Menschen und auch ältere Bürger wichtig, dass Sie sich in unseren fast 60 Beratungsstellen in NRW persönliche Orientierung und Hilfe holen können. Dabei nutzen wir das Web gleichzeitig sehr aktiv.

Was heißt das?

Schuldzinski Wir bieten bei vielen Themen auch online Unterstützung an. Allein in einer Woche haben 40.000 Bürger unseren Musterbrief heruntergeladen, mit dem sie sich gegen unberechtigte Abschlussgebühren bei Krediten wehren können. Tausende Verbraucher informieren uns in unserem "Lockvogel-Forum", wenn Unternehmen Produkte anpreisen, die es im Geschäft nicht in ausreichender Zahl gibt.

Was ist Ihr wichtigstes Zukunftsprojekt im neuen Amt?

Schuldzinski Wir müssen unser Pfund Verbraucherberatung mit Einzelfall-Lösung weiter ausbauen und wollen deshalb künftig als Marktwächter aktiv intervenieren.

Was heißt das konkret?

Schuldzinski Die Themen Datenschutz und Schutz vor Abzocke im Internet spielen für Konsumenten eine immer größere Rolle. Im Bereich Internet und E-Commerce wollen wir als Verbraucherzentrale NRW uns daran beteiligen, bundesweit ein Kompetenzzentrum im Rahmen des Verbundes von Verbraucherzentralen aufzubauen. Dann könnten wir viel breitflächiger und effektiver gegen fragwürdige Geschäftspraktiken von Firmen etwa im Web vorgehen und im Notfall noch systematischer juristische Schritte einleiten.

Gibt es Beispiele?

Schuldzinski Die US-Internetkonzerne schlachten die Daten deutscher Bürger hemmungslos aus. Also müssen wir den Datenschutz auf breiter Front verteidigen. Wir haben soeben den Hotelvermittler HRS mit einer Abmahnung davon abgebracht, die Daten von Besuchern seiner Internetseite an Facebook zu übertragen. Nun müssen wir prüfen, wie wir weitere Firmen von der unberechtigten Weitergabe der Kundendaten abhalten.

Der Europäische Gerichtshof entschied, dass IT-Firmen sich europäischem Recht beugen müssen, wenn sie hier Geld verdienen. Richtig?

Schuldzinski Dieses Urteil gegen Google hilft uns sehr. Jetzt können wir US-Konzerne viel klarer auf unsere Regeln festlegen. Da kann ich mir für die Zukunft noch viele Verfahren vorstellen.

Reichen für den Verbraucherschutz im Internet Juristen?

Schuldzinski Nein, wir möchten auch einige Techniker einstellen, um die Tricks der Internetkonzerne besser durchschauen zu können. Wir nutzen das Internet bereits für Informationssammlung: 100.000 Bürger haben uns über Phishing-Mails zum Abfischen sensibler Daten informiert — wir sorgen dafür, dass die Absender gesperrt werden.

Viele Jahre waren hohe Handyrechnungen eines der Hauptprobleme beim Verbraucherschutz. Und jetzt?

Schuldzinski Die Tarife selber sinken zum Glück. Aber viele Verbraucher haben noch alte Verträge und zahlen zu viel. Sie sollten ihre Verträge prüfen. Und noch immer schließen gerade junge Leute oft teure Mobilfunkverträge ab, nur um ein scheinbar günstiges Smartphone zu erhalten. In Wahrheit bezahlen sie das Wunschobjekt aber über eine hohe Monatsrechnung ab.

Vodafone bietet in einem Tarif "jedes Jahr ein neues Handy".

Schuldzinski Mit Nachhaltigkeit hat ein solches Angebot nichts zu tun, selbst wenn die einjährigen Geräte zurückgenommen werden und dann an andere Kunden abgegeben werden. Kritische Verbraucher sollten sich fragen, ob sie jedem Trend hinterherlaufen wollen.

Bedrohen die Kosten der Energiewende den Lebensstandard?

Schuldzinski Steigende Strom- und Gaspreise sind insgesamt ein großes Thema. In acht Kommunen bieten wir Verbrauchern Beratung an, wenn sie Schwierigkeiten haben, die Rechnung zu bezahlen. Ansonsten sollte man das Thema Strompreise etwas differenzierter diskutieren.

Was heißt das?

Schuldzinski Die Energiewende sollte ein Preisschild haben. Die Verbraucher sollten also wissen, wie teuer der Ausstieg aus der Atomkraft wirklich ist, und der Staat muss die Kosten begrenzen. Aber mich wundert schon, dass die Stromanbieter zwar die EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms uneingeschränkt an die Verbraucher weitergeben, doch von den sinkenden Preisen im Stromgroßhandel profitieren die Haushalte nicht. Dabei sinken die Großhandelspreise ja auch wegen der gestiegenen Menge an Ökostrom.

Das Gespräch führte Reinhard Kowalewsky.

(kowa)
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