Verbraucher Police gegen Berufsunfähigkeit wird deutlich teurer

Düsseldorf · Die Krise in der Lebensversicherung ist Schuld. Anbieter dürfen bei Engpässen Überschüsse aus anderen Bereichen nutzen, um die Reserven aufzustocken. Kunden haben kaum eine Chance, sich gegen die Verteuerung zu wehren.

Police gegen Berufsunfähigkeit wird deutlich teurer
Foto: Radowski

Die Krise in der Lebensversicherung könnte zu deutlichen Preissteigerungen beim Berufsunfähigkeitsschutz führen. Betroffen sind davon auch Altkunden. "Im schlimmsten Fall müssen alle Kunden mit Schutz gegen Berufsunfähigkeit im Schnitt mit einer Prämienerhöhung von 250 Euro pro Jahr rechnen", warnte Reiner Will von der Ratingagentur Assekurata aus Köln. Das wäre eine Beitragserhöhung von 43 Prozent. Im Schnitt würden heute Angestellte mit einer Absicherung von 12.000 Euro pro Jahr rund 581 Euro Prämie zahlen. In Einzelfällen kann die Prämie aber noch deutlich stärker steigen. Sogar eine Verdopplung ist möglich.

17 Millionen Berufsunfähigkeitspolicen

Nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) gibt es rund 17 Millionen Berufsunfähigkeitspolicen. Die Absicherung gilt als unerlässlich. Sie sichert den Lebensstandard, wenn der Kunde wegen Krankheit oder Unfall nicht mehr arbeiten kann.

Hintergrund der möglichen Preisanpassungen ist ein Reformgesetz, das die Lebensversicherung insgesamt stabilisieren soll. Damit ist es den Versicherungsunternehmen seit Januar des vergangenen Jahres erlaubt, bei Engpässen auch Überschüsse aus anderen Bereichen zu verrechnen. "Diese bisher in der Öffentlichkeit wenig beachtete Regelung könne dazu führen, dass die bisher auskömmlich kalkulierte Berufsunfähigkeitsversicherung von der Krise der Lebensversicherung infiziert wird", warnte Will. Um Altkunden in der Lebensversicherung hohe Garantien zu gewährleisten, könnten die Mittel für Berufsunfähigkeitsversicherte zweckentfremdet werden. "Man sollte daher darüber nachdenken, ob das neue Recht tatsächlich gerecht ist", sagte der Assekurata-Experte. Die ersten Anbieter haben bereits ihre Versicherungsprämien erhöht.

Keine Erlaubnis der Aufsichtsbehörde

Das ist möglich, weil die Verträge in fast allen Fällen eine sogenannte Höchstprämie vorsehen. Zahlen müssen die Kunden aber viel weniger. Sie profitieren von hohen Risikogewinnen, weil deutlich weniger Menschen berufsunfähig werden, als die Versicherer kalkuliert haben. Fallen künftig diese wichtigen Risikogewinne an die Lebensversicherungskunden, sind deutliche Prämiensteigerungen die Folge. Außerdem befürchtet Assekurata, dass die Versicherer bei den Rentenzahlungen restriktiver werden. "Die Kunden hätten dann jahrelang für einen teuren Schutz bezahlt, der am Ende nichts bringt", warnte Will. Nach Einschätzung von Assekurata steigt das Risiko, dass Versicherer auf die fremden Überschüsse zugreifen müssen, durch die Niedrigzinsphase ständig an. "Die Versicherer brauchen für die Querverrechnung zudem keine Erlaubnis der Aufsichtsbehörde", so Will.

Gesundheitsprüfung ist Voraussetzung

Kunden mit einer Berufsunfähigkeitspolice können sich gegen steigende Beiträge kaum wehren. Eine Absenkung der abgesicherten Rente ist kaum sinnvoll, weil dann beim Jobverlust beispielsweise wegen Krankheit oder Unfall der Lebensstandard kaum aufrechterhalten werden kann. Auch ein Wechsel zu einem stabileren oder günstigeren Anbieter ist meist nicht mehr möglich, weil eine intensive Gesundheitsprüfung Voraussetzung für den Abschluss einer Police ist. Ältere Kunden müssten bei einem Wechsel mit einem hohen Risikozuschlag oder gar einer Ablehnung rechnen.

Allein Neukunden können sich auf die mögliche Misere bei der Berufsunfähigkeitsversicherung vorbereiten. Sie sollten, so der Rat der Experten, einen möglichst finanzstarken Lebensversicherer auswählen und sich künftig an der Höchstprämie orientieren. Versicherungsvergleiche allein auf Basis der abgesenkten Prämie, dem sogenannten aktuellen Zahlbeitrag, hätten keinen Wert mehr.

(RP)
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