"Aus kontrolliertem Anbau" Das steckt wirklich hinter der Werbung auf Lebensmitteln

Düsseldorf · "Aus unserer Heimat" oder "aus kontrolliertem Anbau" - auf Lebensmitteln finden sich viele Behauptungen, die der Verbraucher nicht ohne Weiteres überprüfen kann. Wir haben einen Experten nach den gängigsten Irreführungen befragt.

Gesundheitsversprechen: Bei diesen Produkten wird getrickst
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Foto: Verbraucherzentrale Hamburg

Umfragen zeigen es immer wieder: Verbraucher möchten wissen, welche Inhaltsstoffe in Lebensmitteln enthalten sind. Und bestimmte Stoffe sollen darin gar nicht vorkommen. Besonders unbeliebt sind etwa gentechnisch manipulierte Lebensmittel.

Das zu erkennen, ist für den Verbraucher jedoch alles andere als einfach. "Das Problem ist, dass Lebensmittelhersteller im Grunde alles auf Produkte schreiben können, was sie wollen", sagt Andreas Winkler, Pressesprecher bei der Verbraucherorganisation Foodwatch. "Das bedeutet es gibt keine Definition davon, was gewährleistet sein muss, wenn ein bestimmter Werbespruch auf einem Produkt steht."

Diese Lebensmittel sind genmanipuliert
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Foto: shutterstock/ Guzel Studio

Was gut klingt, muss nicht Gutes bedeuten

Lediglich der Begriff "Bio" ist gesetzlich geschützt und kann nicht wahllos verwendet werden. "Damit ein Hersteller sein Produkt 'Bio' nennen darf, muss es wirklich aus ökologischem Anbau kommen", sagt Winkler.

Bei herkömmlichen Lebensmitteln steht der Verbraucher jedoch meistens vor einem Rätsel. Ein einfaches Beispiel ist der beliebte Erdbeerjoghurt: "Es gibt keine Möglichkeit für den Konsumenten festzustellen, ob der billige vom Discounter oder das teure Markenprodukt besser ist." Damit meint der Foodwatch-Sprecher, dass es keine Hinweise darauf gibt, wie viele Erdbeeren genau in dem Joghurt stecken, wo die Frucht herkommt, ob sie gespritzt worden ist oder ob die Früchte gentechnologisch behandelt wurden.

Ähnlich verhält es sich mit Sprüchen wie "Aus kontrolliertem Anbau". Was genau soll das eigentlich sein? Diese Frage kann auch der Foodwatch-Experte nicht beantworten. Was er aber sagen kann ist: "Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Unternehmen tricksen. Denn einen kontrollierten Anbau gibt es nicht. Der Satz soll aber vermitteln, dass es sich womöglich um bio-ähnliche oder besonders gute Produkte handeln soll."

Diese Lebensmittel haben den höchsten Salzgehalt
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Foto: dpa, Peter Steffen

Ebenfalls irreführend ist der Satz "Abgepackt in Spanien". Wer sich nicht auskennt, könnte meinen, das Gemüse sei in Spanien angebaut worden - gerade bei Tomaten ist das jedoch in der Regel nicht der Fall. Die werden meist aus den Niederlanden nach Spanien transportiert, dort abgepackt und dann an den deutschen Supermarkt geliefert - das ist für die Produzenten billiger, als das Gemüse direkt in den Niederlanden weiterverarbeiten zu lassen. Einzig der Satz "aus spanischer Herkunft" bedeutet, dass Tomaten, Zucchini oder anderes Gemüse wirklich in dem genannten Land angebaut wurden.

Auch die Zutatenliste hilft wenig

Auch die Zutatenliste ist nur eine minimale Hilfe für eine informierte Kaufentscheidung. Zwar steht der Hauptbestandteil eines Produktes ganz vorne und der mit dem kleinsten Anteil als Letztes - doch detailliertere Informationen sind daraus oft nicht zu entnehmen. "Deswegen fordern wir eine bessere Kennzeichnung von Lebensmitteln mit einer Lebensmittelampel für Nähwertangaben, aber auch für Salz, Fett und Zucker", sagt Winkler. "Außerdem ist ein Verbot von sogenannten "Health-Claims" auf Produkten, die nichts mit der Gesundheit zu tun haben notwendig."

Gesundheitsangaben führen zusätzlich in die Irre

"Health Claims", das ist der Fachbegriff für Behauptungen über die gesundheitliche Wirkung von Lebensmitteln (Beispiel: "Mit besonders viel Eisen und Calcium"). Meistens geht es dabei um Vitamine und Mineralien, mit denen etwa Säfte, Gummibärchen oder auch Wurst angereichert worden sind. "Das vermittelt den Eindruck ein Produkt sei besonders gesund", sagt Winkler, "aber auch das ist meistens eine Irreführung des Verbrauchers."

Der Verbraucherschützer weiß, wovon er spricht. Denn um zu prüfen, wie verlässliche solche Claims wirklich sind, hat Foodwatch über 200 Produkte mit den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verglichen. Mit ernüchterndem Ergebnis: Über 90 Prozent der getesteten Produkte waren zu süß, zu fettig oder zu salzig, darunter auch Produkte für Kinder.

Zur Verdeutlichung: Die Hersteller versetzen die entsprechenden Produkte tatsächlich mit künstlich produzierten Vitaminen oder Mineralien. Daran, dass ein Produkt eine Zucker- oder Fettbombe und damit insgesamt eher ungesund ist, ändert das jedoch nichts.

Hinzu kommt, dass vielen Lebensmitteln künstlich Zucker beigemengt wird - auch solchen, bei denen es der Konsument nicht unbedingt erwartet. Das Produkt "Müller fructiv Roter Multivitamin" beispielsweise soll laut Hersteller den "Tagesbedarf an neun Vitaminen decken". Laut Foodwatch-Analyse wird dem Milchgetränk jedoch sowohl Zucker als auch Süßstoff zugesetzt. Nach den Richtlinien der WHO fällt es entsprechend durch.

Das Gleiche gilt laut dem Test für "nimm2 Lachgummi Joghurt", die ebenfalls mit Vitaminen versetzt sind - den WHO-Empfehlungen aber wegen des hohen Zuckeranteils nicht standhalten. Ein Beispiel für einen zu hohen Salzgehalt ist "My best veggie vegetarisches Hacklfeisch", in dem zwar eine Quelle von Vitamin B12 und Eisen vorkommt, das aber nach den Salzrichtlinien der WHO trotzdem durchfällt.

Bislang ist ein Verbot solcher "Health-Claims" oder "Gesundheitsbehauptungen" auf Lebensmitteln nicht abzusehen. Verbraucher können sich aber schon jetzt besser informieren. Apps wie CodeCheck oder FoodCheck scannen den Barcode auf Lebensmitteln und zeigen binnen Sekunden, wie die Zutaten in einem Lebensmittel zu bewerten sind.

(ham)
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