Experte zu Nachlassfragen "Man muss ein Erbe nicht ausschlagen, um sein Vermögen zu schützen"

Düsseldorf · In Köln wurde eine 84-Jährige nach über einem Jahr tot in ihrer Wohnung gefunden. Die Verwandten wollen die Bestattung nicht bezahlen. Aber geht das überhaupt? Zu welchen Kosten sind Verwandte im Todesfall verpflichtet und was erben sie? Ein Fachanwalt für Erbrecht in Düsseldorf gibt Antworten.

Verstirbt ein Familienmitglied, entstehen für die Angehörigen viele Fragen rund um die anfallende Kosten und die Erbschaft.

Verstirbt ein Familienmitglied, entstehen für die Angehörigen viele Fragen rund um die anfallende Kosten und die Erbschaft.

Foto: Daniel Jedzura / Shutterstock

Herr Horn, wenn ein Verwandter stirbt, was erbt man eigentlich automatisch per Gesetz?

Horn: Erst mal kann man sagen, dass man alles von dem Verstorbenen erbt. Wenn es kein Testament gibt, dann gilt die gesetzlicher Erbfolge. War der Verstorbene verheiratet und hatte Kinder, erben der Ehegatte und die Kinder. Gibt es nur Kinder, erben nur diese. Ist ein Testament vorhanden, ergibt sich daraus der Erbe.

Sie sagen, man erbt erstmal alles. Bedeutet das, dass man auch die Schulden der Verwandten übernehmen muss?

Horn: Ja, das ist richtig. Geerbt werden alle Schulden des Verwandten, außerdem werden Pflichten übertragen wie etwa die Bestattung zu organisieren und zu bezahlen oder das Haus des Verstorbenen auszuräumen. Wenn man das nicht will, hat man etwa sechs Wochen Zeit, um eine Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht abzugeben. Darin muss stehen, dass man das Erbe ausschlägt. Taucht danach aber doch noch ein dickes Konto in dem Nachlass auf, wird es schwierig das rückgängig zu machen. Das muss man wissen.

 Dr. Claus-Henrik Horn ist Fachanwalt für Erbrecht in Düsseldorf. Er ist Lehrbeauftragter der Universität Münster und stellvetretendes Mitglied des Fachanwaltsprüfungsausschusses Erbrecht der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf.

Dr. Claus-Henrik Horn ist Fachanwalt für Erbrecht in Düsseldorf. Er ist Lehrbeauftragter der Universität Münster und stellvetretendes Mitglied des Fachanwaltsprüfungsausschusses Erbrecht der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf.

Foto: Claus-Hendrik Horn

Können Sie das näher erklären?

Horn Lassen Sie mich ein Beispiel geben: Ein Sohn hat die Erbschaft von seiner Mutter ausgeschlagen, weil er vermutete, dass diese wohl eher überschuldet sei und angesichts dessen, wollte er sich die Nachlassabwicklung ersparen. Später stellte sich allerdings heraus, dass die Mutter auf einem Konto eine sehr hohe Summe zurückgelegt hatte. Der Sohn hat dann die Ausschlagung der Erbschaft wegen Irrtums angefochten, allerdings ohne Erfolg. Laut dem Oberlandesgericht Düsseldorf war die Anfechtung unwirksam, weil er bei der Ausschlagung gemeint hatte, dass der Nachlass wohl eher überschuldet war. Er hat sich also nicht wirklich geirrt. Das Geld war am Ende weg, weil die Ausschlagung nicht mehr rückgängig zu machen war.

Aber es gibt ja viele Fälle, in denen der Verstorbene wirklich verschuldet ist. Wie macht man es dann richtig?

Horn: Das wissen eben sehr viele nicht: Man muss ein Erbe nicht ausschlagen, um sein eigenes Vermögen zu schützen. Da gibt es andere weitaus sinnvollere Möglichkeiten. Und man kann in der kurzen Zeit von sechs Wochen nicht sicher ausschließen, dass im Nachlass nicht doch noch eine größere Summe Geld auftauchen wird. Im Zweifel empfehle ich immer, die Erbschaft anzunehmen.

Wie kann man sein Vermögen schützen?

Horn: Bleiben wir mal bei dem Beispiel der Beerdigungskosten und konstruieren einen Fall, in dem das Erbe nicht ausgeschlagen wurde, aber der Nachbar die Beerdigung organisiert hat. Erstmal steht er damit in der Pflicht, die Kosten zu bezahlen, weil er den Vertrag mit dem Institut geschlossen hat. Der Nachbar kann sich das Geld aber von den Erben wiederholen. Können die den Betrag aus der Erbschaft nicht bezahlen, können sie die Dürftigkeitseinrede erheben oder die Nachlassinsolvenz anmelden. Sie haften nämlich nur mit dem eigenen Vermögen. Ist dann aber auch das Erbe zu gering, bleibt der Nachbar am Ende auf den Kosten sitzen.

Aber im Fall der verstorbenen Seniorin in Köln, weigern sich die Verwandten die Beerdigung zu bezahlen. Dürfen sie das?

Horn: Wenn ich das richtig sehe, wurde in diesem Fall noch kein Bestatter beauftragt. In diesem Fall stehen die Totenfürsorgeberechtigten in der Pflicht. Das ist zunächst der Ehegatte. Wenn es den nicht gibt, die Kinder. Wenn es sie auch nicht gibt, die nächsten Verwandten. Sie müssen sich um die Bestattung kümmern, weil sie sich sonst eine Ordnungswidrigkeit zu schulden kommen lassen, die sogar bußgeldpflichtig sein kann. Die Frage ist allerdings, ob sie auch in der Lage sind, die Kosten zu tragen. Ist dem nicht so, kann es sein, dass das Sozialamt einspringen muss.

Und wenn es keine Verwandten gibt, die sich kümmern?

Horn: Wenn es keine Totenfürsorgeberechtigten gibt oder sie nicht zu greifen sind, muss die Stadtverwaltung, also letztlich das Ordnungsamt, aktiv werden. Die Stadt steht in der Pflicht, weil sie eine Gefahrenabwehr einleiten muss. Denn Verstorbene dürfen nicht allzu lange im Kühlfach liegen. Es kann dann allerdings sein, dass die Stadt den Verstorbenen nicht vor Ort bestattet, sondern sich nach dem billigsten Friedhofangebot richtet.

(ham)
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