Angriffe auf Ärzte in Kliniken "Man kann nicht den Kopf in den Sand stecken"

Düsseldorf · Nach einem Angriff auf einen Arzt in der Notfallpraxis Düsseldorf wird dort über die Einführung eines Sicherheitsdienstes nachgedacht. Das Klinikum Nürnberg gilt als Vorreiter beim Schutz seines medizinischen Personals. Wir haben nachgefragt, was dort genau gemacht wird.

 Die Notfallpraxis im Evangelischen Krankenhaus. (Symbolfoto)

Die Notfallpraxis im Evangelischen Krankenhaus. (Symbolfoto)

Foto: Andreas Bretz

Im Klinikum Nürnberg wurde schon 2013 ein Sicherheitsdienst eingeführt. Mit welchem Erfolg?

Peter Schuh Wir führen eine Statistik, in der wir tätliche und verbale Übergriffe sowie Vandalismus festhalten. 2013 hatten wir etwa 370 solche Vorfälle, 2017 noch 300. Das sind etwa 20 Prozent weniger. Die Anzahl könnte also durchaus noch weiter sinken. Aber die Verletzungen der Mitarbeiter sind wesentlich weniger geworden.

 Peter Schuh ist Vorstand für Personal und Patientenversorgung im Klinikum Nürnberg.

Peter Schuh ist Vorstand für Personal und Patientenversorgung im Klinikum Nürnberg.

Foto: Klinikum Nürnberg

Wie kommt das?

Schuh Weil wir nicht nur Sicherheitspersonal eingeführt haben. Wir haben auch eine komplette Bestandsaufnahme über die Umstände gemacht, die eine gefährliche Situation für unsere Mitarbeiter begünstigen, und haben diese behoben. Dazu gehört, dass Möbel anders gestellt wurden, um Fluchtwege zu verbessern. Es wurden auch mehr Fluchtwege geschaffen. Zudem gab es Deeskalationstrainings.

Was lernt man dort?

Schuh Mitarbeiter und Menschen in der Krankenpflegeausbildung lernen, dass man sich darauf einstellen muss, mit Gewalt konfrontiert zu werden. Dazu gehört eine deeskalierende Gesprächsführung, aber auch der richtige Schutz des eigenen Körpers und Gesichts. Zudem lernen die Teilnehmer, wie man einen Raum möglichst schnell verlassen kann, um einen Notruf abzusetzen.

Gehört Kampfsport auch dazu?

Schuh Nein. Das lehnen wir ab. Denn der Gegner kann immer stärker, geschickter oder bewaffnet sein. Wenn man dann in eine Kampfsituation mit ihm geht, kann das nur böse enden.

Viele Kliniken weigern sich, über das Thema Angriffe auf medizinisches Personal offen zu reden. Das Nürnberger Klinikum war das erste, das damit offensiv umgegangen ist. Warum?

Schuh Weil wir gemerkt haben, dass es immer mehr tätliche Angriffe gibt. 2013 waren es hauptsächlich Patienten, die abhängig von Crystal Meth waren oder unter Alkoholeinfluss standen. Mit der Zeit gab es aber auch immer mehr Übergriffe von Menschen, die nicht süchtig oder psychisch krank waren. Außerdem haben wir gesehen, dass es auch in anderen Kliniken vermehrt zu Angriffen kam. Wir haben für unseren offenen Umgang damit viel Kritik von anderen Krankenhäusern geerntet. Aber man kann bei einer solchen Entwicklung nicht den Kopf in den Sand stecken.

Eine Ärztin wurde in der Notaufnahme zusammengeschlagen, richtig?

Schuh Ja, das hat den Stein dann richtig ins Rollen gebracht. Das war ein Patient, der unbedingt in Kur wollte. Die Ärztin wollte und konnte ihm aber keine verschreiben. Daraufhin hat er plötzlich auf sie eingeschlagen. Dieses Verhalten stand in keinem Zusammenhang mit seiner Erkrankung. Solche Ereignisse haben auch dazu geführt, dass das Personal überlegt hat, den Arbeitgeber zu wechseln. Das wollten wir natürlich nicht.

Sie haben auch ein spezielles Meldesystem für Beschwerden eingeführt. Wie funktioniert das?

Schuh Wir haben eine eigene Abteilung "Sicherheit" eingeführt. Die kümmert sich um jede Form von Sicherheit, also beispielsweise auch den Brandschutz. An die können Mitarbeiter anonym eine Beschwerde geben. Die wird dann überprüft und die Mitarbeiter bekommen eine Rückmeldung. Nach einem Angriff sorgt die Abteilung auch dafür, dass das Personal eine psychosoziale Betreuung bekommt. Wenn es zu einem tätlichen Übergriff kam, wird der Mitarbeiter in der Notaufnahme außerdem immer vom Oberarzt versorgt. Wir wollen damit zeigen, dass wir das Thema ernst nehmen.

Die Notfallpraxis in Düsseldorf überlegt nach einem Angriff auf einen Mitarbeiter, ebenfalls Sicherheitspersonal anzuschaffen. Sie würden das also empfehlen?

Schuh Man muss wissen, dass wir das Geld für dieses Programm nicht refinanziert bekommen. Und der Kostenfaktor liegt im Jahr bei 600.000 Euro. Das ist eine Menge Geld, das viele kleine Krankenhäuser nicht aufbringen können. In Nürnberg fahren deswegen viele Sanitäter extra unser Krankenhaus an, weil sie wissen, dass hier im Zweifelsfall Sicherheitspersonal ist, das deeskalieren kann. Wir haben aber natürlich auch nur eine bestimmte Kapazität. So ein Programm hat also auch seine Schwierigkeiten, aber wir halten es nach wie vor für richtig.

(ham)
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