"Raw Food" als Trend Die neue Rohkost

Düsseldorf · Backen, Braten und Kochen waren gestern. Die vegetarischen und veganen Köche in Berlin tendieren zum "Raw Food" - dazu gehören auch cremige Torten und Pizza.

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Foto: Ildi Papp /Shutterstock.com

Dass Vegetarier und Veganer sich nicht nur von Körnern ernähren, ist mittlerweile bekannt. Wie groß die Bandbreite vegetarischen Essens ist, zeigt ein neuer, kurioser Trend: "Raw Food", also Rohkost in jeder denkbaren und undenkbaren Form, erobert seit einiger Zeit die Gastronomie Berlins.

In der "Hauptstadt der Veganer" isst man jetzt nicht nur Pizza roh, sondern spart sich auch gleich das Kuchenbacken. Ein Einblick in die Kunst, aus Verzicht einen Genuss zu machen.

Seit 15 Jahren ernährt sich die Berlinerin Juliana Tar schon vegan, zwischenzeitlich mehrere Jahre sogar ausschließlich von Rohkost. "High Raw" nennt sich die Lebensweise, mehr rohe als gekochte, gebratene oder gebackene Lebensmittel zu essen, und der Begriff zeigt, dass es eine Rohkost-Szene gibt, die sich eigenen Regeln unterwirft.

Tar will mit ihren "Raw Cakes", die sie auf Bestellung an Restaurants und Cafés liefert, die "vegane Message", also den veganen Rohkost-Lebensstil propagieren, und zudem ihrer Dekorations-Leidenschaft nachgehen. Daher bereitete die 44-Jährige ihre kunstvollen Torten auch zunächst nur für sich selbst und enge Freunde zu.

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Foto: dpa, Peter Kneffel

Doch warum überhaupt aufs Backen verzichten? "Es ist allgemein bekannt, dass Nahrungsmittel Enzyme und ihren Nährwert verlieren, wenn sie über 42 Grad erhitzt werden", erklärt Tar. Dabei ersetzt eine grobpürierte Mischung aus getrockneten Datteln, Feigen, Aprikosen, Pflanzensamen und Walnüssen den Teig. "Es gibt da endlos viele Varianten", sagt Tar, die auf ihrer Website auch eine Anleitung zur Kreation eigener "Raw Cake"-Rezepte gibt.

Die Krönung ihrer Torten sind die Cremes, die sie in allen erdenklichen Geschmacksrichtungen zubereitet. Alle kommen ohne Milchprodukte und Zucker aus, als Basis dienen eingeweichte Cashew-Kerne, Mandeln oder Macadamia-Nüsse. Überraschend: Mit Cashew-Creme gedeckte Torten sind schneeweiß und von einer Sahnetorte äußerlich nicht zu unterscheiden.

Für die Süße sorgt Agavendicksaft oder Kokosblütennektar. "Das ist etwas für Gourmets und überhaupt nicht dröge", sagt Tar. Das Vorurteil, dass vegane Ernährung kompletten Verzicht bedeute, will sie sich nicht gefallen lassen.

Sabine Schene vom NLS-Ernährungsinstitut in Düsseldorf betont, wie wichtig es besonders für Vegetarier und Veganer ist, einen ausgewogenen Speiseplan aufzustellen. Rohkost "tut uns allen gut", könne aber schnell einseitig werden, wenn man sich in der Ernährung ausschließlich auf sie beschränken wolle. Theoretisch sei es möglich, sich nur von veganer Rohkost zu ernähren, eine Radikalisierung des Speiseplans hält Schene aber generell nicht für sinnvoll, da es sehr umständlich sei, das Eiweiß von Milchprodukten und Fleisch adäquat zu ersetzen.

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Foto: Shutterstock/diogoppr

Hülsenfrüchte seien ein guter Ersatz, allerdings problematisch, wenn man sie nicht kochen will, sagt die Ernährungswissenschaftlerin. "Es ist die Frage, wie lange man das durchhalten will und mit wie viel Leidenschaft man herangeht", sagt Schene. Der Zwang, sich nur noch frisch, gesund und saisonal zu ernähren (Orthorexie), sei zwar nicht als Krankheit anerkannt, werde jedoch zunehmend zu einem Problem.

Ein Abnehmer von Tars Torten ist das vor kurzem eröffnete "Rawtastic" in Berlin. Tugba Tanorem, eine Türkin, die zuvor mit ihrem Freund Simon Francis eine Tango-Schule in Schweden leitete, bietet dort "Raw Food", das den Speiseplan von Hauptstadt-Vegetariern und -Veganern bereichern soll. "Sich auf rohe Zutaten zu beschränken, hat den Vorteil, dass man sich für eine ganz neue Welt voller Gerichte und Rezepte öffnet, die man ansonsten nie probiert hätte", schwärmt Tanorem.

Im Angebot sind deshalb nicht nur von Natur aus vegane Speisen wie Gemüsesuppen, Salate und Smoothies, sondern auch Wraps mit knusprigen Grünkohl-Chips und Roter-Pfeffer-Soße, ein Pilz-Burger mit speziellem Ketchup und Mayo und sogar eine vegane Pizza. "Ein Gast sagte, er fände sie sogar besser als die seiner Mutter - und die ist aus Neapel", behauptet Tanorem.

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Foto: Shutterstock.com/Africa Studio

Dass es im kulinarisch multikulturellen Berlin bald schon nichts Besonderes mehr sein könnte, rohes Essen zu servieren, befürchtet sie nicht. "Ich glaube, dass sehr viele Leute ,Raw Food' nach wie vor mit kaltem Salat und rohem Gemüse assoziieren", sagt Tanorem. So könne sie mit ihren Rezepten noch immer dazu beitragen, der "Hauptstadt der Veganer in Europa" etwas Neues zu zeigen.

(bur)
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