Back-Trends Das Glück darf auch klein sein

Üppige Torten waren gestern: Heute sind Cupcakes, Cake Pops und Macarons angesagt. Mit Omas Klassikern haben die "Kuchenpralinen" nur wenig gemein.

 Ursprünglich wurden Cupcakes in Tassen gebacken, woher sich ihr Name ableitet, der übersetzt "Tassenkuchen" lautet.

Ursprünglich wurden Cupcakes in Tassen gebacken, woher sich ihr Name ableitet, der übersetzt "Tassenkuchen" lautet.

Foto: Hannah von Dahlen

Die Küche liebt die Extreme. Jahrelang musste alles größer sein, dicker und breiter. Burger etwa oder Schnitzel. XXL hieß das Zauberwort. Alles musste über den Tellerrand hinausragen. Doch inzwischen liebäugelt zumindest der Kuchen-Genießer mit dem anderen Extrem, dem kleinen Glück. Es wird nicht auf großen Tellern serviert, sondern passt in eine Tasse. Cupcakes, Mini-Gugl, Cake Pops und Macarons verdrängen die üppige Sahnetorte und sogar Omas Klassiker.

Seit Jahren im Kommen ist der Cupcake, der stellvertretend für alle neuen "Kuchenpralinen"-Kreationen steht. Auf Hochzeiten ist die Cupcake-Torte keine Seltenheit mehr. Ursprünglich wurde der Kuchen (engl. cake) in der Tasse (engl. cup) gebacken, und auch die Zutaten wurden damit abgemessen: eine Tasse Mehl, eine Tasse Zucker, eine Tasse Butter. Den Klassiker gibt es seit mehr als 200 Jahren. Schon 1796 inspirierte Amelia Simmons in ihrem Kochbuch "American Cookery" Naschkatzen mit ihrem Cupcake-Rezept. In den 1990ern etablierten Bäckereien in New York den durchgestylten, aufwendig dekorierten Cupcake - Serien wie "Sex and the City" trieben den Hype weiter voran. Und so langsam schwappte der Trend auch über den großen Teich, zunächst nach Großbritannien, dann auch nach Deutschland.

"Es ist einfach eine süße Sünde, die man sich leisten kann - ohne schlechtes Gewissen", schwärmt Annette Rosa Marques. Die 37-Jährige entdeckte die Tassenküchlein auf einer Reise nach England für sich und holte sie nach Düsseldorf. "Ich habe nachts davon geträumt, wie ich die Törtchen dekoriere, sie individualisiere", erzählt sie. Vom Cupcake-Fieber gepackt, eröffnete sie das Café "Sugarbird" und beliefert heute Hochzeitsgesellschaften, Geburtstagsfeiern und Firmenfeste. Dabei musste sie ihre Kreationen zunächst dem deutschen Gaumen anpassen. "Im englischsprachigen Raum wird der Cupcake mit Buttercreme bestrichen. Die Deutschen mögen lieber Mascarpone, Frischkäsecreme und Früchte - das ist leichter", sagt sie. Die Zutaten sind ansonsten ähnlich wie bei einem Kuchen, jedoch muss das Ergebnis fluffiger werden, der Geschmack überraschen. Ganze Früchte, ein flüssiger Schokoladenkern oder ungewöhnliche Mischungen wie Banane-Kiwi-Nuss sorgen für den Wow-Effekt. Anders als beim Käse- oder Apfelkuchen spielt das Aussehen eine entscheidende Rolle: Pastellige Cremes, Verzierungen und Schriftzüge gehören dazu wie die Kirschen in die Donauwelle.

Frei nach dem Motto "Ein Happs und weg" haben es auch Cake Pops und Macarons auf die Nachspeisenkarte der Deutschen geschafft. Als die Erfinderin des Kuchens am Stiel gilt die Britin Angie Dudley, die den Trend 2009 in London setzte. Plötzlich wollte niemand nur noch bloß Kuchen. Nein, der Kuchen musste zerbröselt, mit Marmelade, Frischkäse oder Schokocreme zu einem Teig verknetet, zu Kügelchen gerollt und an einen Lutscherstiel gesteckt werden. Zuckerguss oder flüssige Schokolade darüber, fertig ist der Cake Pop - es sei denn, er soll zum Kunstwerk werden. Dann fehlen noch bunte Streusel oder Blüten aus Fondant. Mindestens. "Früher haben Brautpaare Mandeln als Gastgeschenke verteilt. Heute liegen Cake Pops auf den Tellern, denn die kann man individuell mit Namen verzieren und der Farbe der Hochzeitsdeko anpassen", sagt Annette Rosa Marques.

Aus Frankreich kommen die Macarons. Seinen Namen hat das Baisergebäck aus Mandelmehl allerdings aus Italien, und überhaupt kommt der Doppelkeks mit Cremeschicht ursprünglich wohl eher aus Persien. Anders als Cupcakes und Cake Pops sind die Macarons - je nach Creme - relativ kalorienarm. Beliebt sind sie wegen der verschiedenen Farben auch bei Hochzeiten.

Doch von all diesen glorifizierten "Kuchenpralinen" aus aller Welt will Chalwa Heigl nichts wissen. Zu oft hat sie sich über bröselige Muffins und pampige Donuts geärgert. Hat denn nicht auch Deutschland einen Klassiker mit Trendpotenzial zu bieten, fragte sich die Münchnerin. "Überall wird das deutsche Backhandwerk gelobt - und wir essen Cupcakes. Dabei haben wir doch einen tollen Klassiker", sagt die Erfinderin des Mini-Gugl. Die 47-Jährige liebt Tapas, das kleine Süße - und Omas Guglhupf, der Kindheitserinnerungen weckt. "Die Leute wollen heute etwas Kleines, aus dem sie sich ihre Torte selbst bauen können", sagt Heigl. Gerade auf Hochzeiten esse man schon so viel, da könne man lieber noch eine kleine Portion Glück in Form eines Mini-Gugl genießen.

Die besondere Rezeptur bleibt geheim. Den Gugl neu zu erfinden sei nicht nur wegen der Größe eine Herausforderung, sagt Heigl. Auch der Geschmack sei eine Gratwanderung: "Die Männer mögen den Klassiker Schokolade. Frauen trauen sich mit Kokos-Limone, Zitrone-Eierlikör und Himbeer-Rose mehr." Egal welche Geschmacksrichtung: Hauptsache, die "Kuchenpraline" schmeckt lecker.

(RP)
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