Schrumpelig, aber schmackhaft So können Sie unperfekte Lebensmittel lecker verarbeiten

Düsseldorf · 18 Millionen Tonnen Lebensmittel werden in Deutschland jährlich in den Müll geworfen, fast die Hälfte davon wäre noch zu verwenden - wenn man wüsste, wie. Wir geben Tipps.

Alte Lebensmittel verwerten und nicht wegwerfen
Foto: Shutterstock.com/ Joanna Dorota

Schlangenförmige Miniaturgurken schälen sich schwerer als geradlinige Musterexemplare. Und auch das Pellen von kleinen, knubbeligen Kartoffeln dauert länger als bei größeren Knollen mit glatter Oberfläche. Das sei aber auch schon der einzige Unterschied zwischen Lebensmitteln, die man im Supermarkt bekommt, und dem Essen, das in einem Berliner Restaurant angeboten werden soll, verspricht Leoni Beckmann. Die Studentin und fünf Gleichgesinnte wollen Gerichte auf den Teller bringen, deren Zutaten eigentlich im Müll gelandet wären - obwohl sie noch genießbar sind.

Mit ihrem Restaurant will die sechsköpfige Gründergruppe zum Umdenken anregen. "Wir wollen Lebensmittel wieder wertschätzen", sagt Beckmann und fügt hinzu: "Die Bauern schmeißen ein Drittel ihrer Ernte weg, weil Kartoffeln zu klein und Zucchini zu groß sind oder sie die falsche Farbe haben." Dabei könnten Waren, auch wenn sie optisch nicht den Normen der Europäischen Union entsprächen, trotzdem gut schmecken, meint die 28-Jährige. "Eine krumme Gurke ist genauso lecker. Unsere Gäste werden keinen Unterschied merken."

Bislang ist das Restaurant mit dem Namen "Restlos glücklich" noch eine Vision. 27.000 Euro hat die Gründergruppe per Crowdfunding eingenommen. Derzeit sucht sie einen Sponsor, der noch mal etwa 23.000 Euro drauf legt, um das selbstgesteckte Ziel von 50.000 Euro Startkapital zu erfüllen. Danach soll sich das Restaurant möglichst schnell selber tragen. Die Gründer sind zuversichtlich: Sie wollen die Lebensmittel kostenlos von regionalen Bauern und Großhändlern bekommen. Kooperationen gebe es bereits, sagt Beckmann. Zwei Köche und ein Manager sollen fest angestellt werden, die restlichen Beteiligten das Projekt ehrenamtlich unterstützen. Bis es so weit ist, übernimmt das Team Catering-Aufträge.

18 Millionen Tonnen landen jährlich im Müll

Jedes Jahr werden in Deutschland 18 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Das geht aus einer Studie der Umweltorganisation WWF hervor. Das entspricht einem Drittel des weltweiten Nahrungsmittelverbrauchs von 54,5 Millionen Tonnen. An erster Stelle der Verschwendungsliste stehen demnach mit zwei Millionen Tonnen Getreideerzeugnisse wie Brot und Backwaren. Danach kommen Obst und Gemüse (1,5 Millionen Tonnen) und Kartoffeln und Milch (weniger als eine Million Tonnen). Unvermeidbar sind laut der Studie davon etwa acht Millionen Tonnen, darunter fallen etwa nicht verwendbare Schalen und Knochen. Das aber bedeutet, dass die anderen zehn Millionen unbegründet in die Tonne wandern, teilt der WWF mit - davon 7,2 Millionen Tonnen in Privathaushalten.

Ugly Fruits: Krummes Obst und Gemüse
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Dabei sind einige Lebensmittel, die optisch nicht mehr ansprechend sind, durchaus noch so verwertbar, dass etwas Leckeres aus ihnen entstehen kann. Eine reife, braune und vielleicht sogar schon matschige Banane eignet sich beispielsweise wegen ihres hohen Zuckergehalts sehr gut für selbst gemachtes Eis, mit Ananas für eine würzige indische Chutney-Soße oder mit Milch als Zutat für einen Smoothie. Wer den lieber herzhaft mag, kann ihn mit welkem Salat, Brokkoli oder Spinat machen - einfach die braunen Stellen vorher abschneiden, rät die Berlinerin Beckmann. Das treffe auf das meiste Obst und Gemüse zu. Aus überreifen, weichen Tomaten kann man ebenfalls eine Soße machen, entweder für Nudeln oder auf der Pizza. Hartes Brot über Nacht in Milch und etwas Wasser eingeweicht wird mit Ei vermengt zu einem Teig für herzhafte Muffins. Ist das Brot allerdings bereits geschimmelt, sollte man die Finger davon lassen, sagt Beckmann.

Bundesweit gibt es viele Initiativen, die sich um die Rettung von Lebensmitteln bemühen. Eine davon ist der Verein "Foodsharing", der seinen Ursprung in der Bundeshauptstadt hat. Den Düsseldorfer Ableger hat Sabrina Hosono vor knapp anderthalb Jahren gegründet. Seitdem ist die 23-jährige Studentin mit etwa 50 anderen Freiwilligen im Stadtgebiet unterwegs und sammelt Essen, das nicht mehr gebraucht wird, aber noch nicht verdorben ist. Zehn Supermärkte melden sich regelmäßig bei den selbsternannten Essenrettern und überlassen ihnen Waren, die das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten haben oder nicht mehr ansprechend aussehen. Wer privat etwas über hat, kann es auf der Internetseite (www.foodsharing.de) anbieten. Interessierte holen es dann ab. Dafür gibt es nur eine Regel: "Die Lebensmittel müssen in einem Zustand sein, in dem ich sie selber noch essen würde", sagt Hosono.

Der Großteil der aussortierten Lebensmittel, die bei den Essenrettern ankommen, sind Obst und Gemüse. Für Klaus Meyer, Leiter des Düsseldorfer Amts für Verbraucherschutz, ist das keine Überraschung. Diese würden schon nach wenigen Tagen optisch nicht mehr die Erwartungen der Verbraucher erfüllen, sagt er. Und dort liege das Problem: "Mit der Qualität der Waren hat das nichts zu tun,", sagt der Experte.

(RP)
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