Warum uns das schwüle Wetter so schlapp macht

Viele Menschen fühlen sich derzeit schlapp. Das hat mit dem warmen Wetter und der hohen Luftfeuchtigkeit zu tun. Das Hauptproblem: Bei höheren Temperaturen verliert der Körper durch das Schwitzen zu viel Flüssigkeit. Und in der Luft zirkuliert weniger Sauerstoff als sonst.

Manche Menschen schauen in diesen Tagen erfreut in den Himmel und dann in ihren Garten, sie heißen den Regen willkommen, weil sie dann ihren Rasen und ihre Blumen nicht mehr sprengen und gießen müssen. Auch der beliebte Spruch der Optimisten ("Ich glaube, da hinten wird es heller") entfällt derzeit häufig, denn an Tagen wie diesen wird es nicht heller. Und es wird auch bald wieder regnen. Wenn dann versehentlich die Sonne erscheint, ist es gleich so heiß, dass jene erfreuten Menschen plötzlich wie angeschossen dastehen. Sie können nicht mehr weiter, sie fühlen sich schlapp, dieses launische Wetter setzt ihnen zu.

Es handelt sich um ein Phänomen, dessen Auswirkung auf unsere Gesundheit noch nicht gründlich erforscht ist: die Schwüle. Für sie gibt es keine Definition, keine Maßeinheit. Man spürt sie, und jeder weiß, wie sie sich anfühlt. Und jeder weiß auch, dass er erstens heftig schwitzt und zweitens etwas trinken sollte. Und drittens dennoch ein ziemliches Unwohlsein bemerkt. Vor allem älteren Menschen geht es an solchen Tagen deutlich schlechter als sonst. Warum ist das so?

Schlicht die Wahrheit: Je stärker die Temperatur steigt, umso weniger Luftfeuchtigkeit reicht aus, damit jemand Schwüle empfindet. Trifft beides zusammen, also hohe Temperaturen und hohe Luftfeuchte, dann ist das für viele Menschen sehr belastend. Menschen mit niedrigem Blutdruck gelingt es kaum noch, geistige oder körperliche Leistung zu mobilisieren. Andersherum leiden Menschen mit zu hohem Blutdruck nicht minder unter dem hohen Wasserverlust.

Wie unser Körper die Temperatur reguliert

Was passiert denn da genau in unserem Körper? Er ist vorzüglich dafür konstruiert, schwankende Temperaturen schnell und effektiv zu regulieren und die Körperkerntemperatur konstant bei etwa 37 Grad Celsius zu halten. Die eigene Wärmeabgabe kann der Kreislauf über den Blutfluss und die Gefäßweite steuern. Und bei Hitze? Prof. Ernst Vester, Chef-Kardiologe am Evangelischen Krankenhaus in Düsseldorf, erklärt, was dann passiert: "Bei starker Erhöhung der Außentemperaturen stellen sich die sogenannten peripheren Gefäße weit, und der Blutfluss erhöht sich. In der Folge beginnen wir zu schwitzen, damit Abkühlungskälte entsteht." So weit, so bekannt.

Gelingt die Wärmeabgabe allerdings nicht schnell und nicht in ausreichendem Maße, kommt es zur gefährlichen Erhöhung der Körperkerntemperatur; dies hat kritische Folgen für die Gehirnfunktion, etwa durch einen Hitzschlag. Ähnliches tritt auch bei Erhöhung der Körpertemperatur durch starke körperliche Belastungen, etwa einen Marathonlauf, auf.

Verliert der Körper viel Flüssigkeit, weil er schwitzt, kommt es zu einem physiologischen Ungleichgewicht. Vester: "Wird das beim Ausschwitzen verlorene Körperwasser nicht ersetzt - bei hohen Außentemperaturen kommen durchaus mehrere Liter zusammen -, entsteht ein innerer Flüssigkeitsmangel, bei dem das Blut eindickt und das zirkulierende Blutvolumen gesenkt ist." Dies wiederum senkt den Blutdruck und drosselt den Blutfluss zu den Nieren; die Urinmenge geht zurück. Gleichzeitig kann es zu kritischen Elektrolyt-Verlusten kommen, vor allem von Natrium-Jonen. Dieser Flüssigkeitsverlust ist es auch, der die Probleme verursacht.

Was der Mensch bei Hitze und Schwüle tun kann

Die Lösung, wenn's zu heiß ist: viel trinken, zumal wenn man sowieso entwässernde Medikamente nimmt, Hitze meiden, eventuell mit dem Arzt die Tabletten besprechen, aber keinesfalls selbst absetzen. Zur Vorbeugung empfiehlt Vester das Training der eigenen Kompetenz zur Wärmeregulation: "Abhärtende Maßnahmen, welche die Reaktionsfähigkeit des Organismus stärken, sind enorm hilfreich - dazu zählen regelmäßige Spaziergänge bei Wind und Wetter, Fitnesssport, Saunagänge und warm/kaltes Duschen."

Warmes Duschen fördert die Ableitung der Wärme aus dem Körper übrigens ideal. Arme und Beine können kalt abgeduscht werden; das pflegt die Venen. Wer am ganzen Körper kalt duscht, begünstigt einen Hitzestau im Körper, weil sich die Gefäße rasch zusammenziehen.

Weniger Sauerstoff

in der Luft

Aber es ist auch die Luft, die sich in diesen Tagen ungünstig für den Menschen verändert, denn bei Wärme bekommen wir mit jedem Atemzug weniger Sauerstoff in die Lunge. Wie kann das sein? In warmer Luft ist der Abstand zwischen den Molekülen größer als in kühler, die Moleküldichte insgesamt ist geringer - und folgerichtig enthält ein Liter Atemluft auch weniger Sauerstoffmoleküle. Das merkt man. Bei hoher Luftfeuchtigkeit, die in warmer Luft höher sein kann als in kalter, verdrängen zudem die zahlreichen Wassermoleküle den Sauerstoff. Schwülwarme Atemluft enthält vergleichsweise wenig Sauerstoff je Liter. Das beeinträchtigt die Atmung massiv - man atmet schlechter, und es kommt auch weniger in der Lunge an.

Deutlich mehr Fälle von Vorhofflimmern

Und was merken die Ärzte von diesem schwül-warmen Wetter? Klaus-Dieter Winter, kardiologischer Chefarzt am Hermann-Josef-Krankenhaus in Erkelenz, berichtet: "Durch die feucht-warme Witterung entstehen extrem viele Rhythmusstörungen, insbesondere Vorhofflimmern. Allein von den letzten 100 stationär aufgenommenen Patienten bei uns kamen 21 mit Vorhofflimmern, sonst sind das stets etwa 15 Prozent. Wir wissen, dass Elektrolyt-Störungen durch Schwitzen und Flüssigkeitsmangel Vorhofflimmern auslösen können."

Winters jüngster Patient mit Vorhofflimmern in der vergangenen Woche sei übrigens ein sonst gesunder 24-jähriger Student gewesen, da habe aber Alkohol eine Rolle gespielt. Zudem gebe es deutlich mehr Fälle von Synkopen, also Kreislaufkollapsen, als sonst. Ursache: Flüssigkeitsverlust. Weil das Wasser im Körper nicht wenig wiegt, kann der tägliche Gang auf die Waage auch zeigen, wie es um unseren Flüssigkeitshaushalt bestellt ist. Deshalb hört man von Ärzten in der Klinik so oft, was genau ihre kollabierten Patienten bekommen sollen: Volumen fürs Blut - durch Flüssigkeit.

Trotzdem ist das Winterwetter

für uns gefährlicher

Angesichts dieser trüben gesundheitlichen Aussichten gibt Kardiologe Vester dennoch leichte Entwarnung: "Eher als Hitze erhöht Kälte die Gefahr für akute Herzkreislauferkrankungen - bis hin zum Tod durch Herzinfarkt oder lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen. Denn im Winter ist der Sympathikus-Nerv stärker erregt, und das erhöht sowohl die Herzfrequenz als auch den Blutdruck." Generell gilt also die alte schlichte Wahrheit: Im Winter sterben mehr Leute als im Sommer.

(w.g.)
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