Sprechstunde Stress im Urlaub

Der Urlaub steht vor der Tür. Die Vorfreude war groß, aber am Traumstrand kommen Probleme auf, und unter Paaren gibt es Streit.

Unsere Leserin Isabella (38) aus Krefeld schreibt: "Ich stehe im Alltag oft unter Druck und habe viele Aufgaben auf einmal zu bewältigen. Und jetzt verstehe ich gar nicht, dass ich mich im Urlaub mit so vielen Freizeitaktivitäten vollpacke, dass ich nun schon wieder unter Druck stehe: mit Stadtbesichtigungen, Sportterminen, sogar abendlichen Vorträgen. Hinzu kommt, dass mein Partner im Urlaub anders tickt und vor allem Ruhe und Erholung sucht. Wie kann ich besser ,runterkommen', und wie können wir unsere Bedürfnisse harmonisieren?"

Claudia Sies Manche Menschen können sich nur wohlfühlen, wenn der Druck von außen stark genug ist, sonst entstehen innere Leere und ein leichtes Empfinden von Wertlosigkeit. Um sich wirklich zu erholen, gilt es hier eher, durch dieses Tal der Unlust und der inneren Leere hindurchzugehen, um sich mit weniger Druck neu kennenzulernen und auf die eigenen Impulse zu warten.

Die Unlust dabei ist allerdings nicht zu unterschätzen. Für das Paar Isabelle und Martin kann der Urlaub - wie für alle Paare - aber tatsächlich zur Nagelprobe für ihre Beziehung werden. Nicht zufällig kommen viele sogar mit einer zerbrochenen Partnerbeziehung aus dem Urlaub zurück. Die Statistik weist eine auffällig hohe Zahl an Scheidungswünschen nach Urlauben auf.

Trotz aller Freude über die "schönste Zeit des Jahres" sind nämlich doch viele Menschen jetzt eigentlich unausgefüllt, denn es fehlen ihnen der Job, die Kollegen, die Freizeitrituale und die Freunde. Und manche Paare merken erst ohne Arbeit und Freunde, dass sie sich allein nicht mehr viel zu sagen haben oder sich nicht mehr gut verstehen - mit oder ohne Worte. Sie hatten vergessen, ihre Beziehung zu pflegen.

Und wieder andere Paare haben die beiden Pole Entspannung und Aktivität nicht in sich selbst ausbalanciert, wie es auch bei Isabelle und Martin droht.

Zum Dauerstreit kann es dann kommen, wenn er auf seinem Ruhe- und sie auf ihrem Aktivitätswunsch beharren. So können sie sogar am Ende des Urlaubs das Gefühl bekommen, ihre Einstellungen seien viel zu verschieden.

Ein Ausweg könnte sein, dass die "Abenteurerin" Isabelle selbst auf ihr eigenes Ausruhen achtet und der Ausruher Martin die eigenen aktiven Impulse in sich wieder mobilisiert. Mit dieser neuen Balance würden sie nicht mehr in Streit geraten und aufhören, in entgegengesetzte Richtungen zu "ziehen".

Die Kunst ist also, entsprechend den eigenen Kräften und Interessen zu handeln. Dann füllt man nicht einmal zuviel und dann wieder zuwenig Aktivitäten in diesem schönsten Freiraum des Jahres.

(RP)
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