Tipps für die Beziehungskrise Warum Sie Ihren Partner mal richtig anschreien sollten

Braunschweig · Irgendwann erwischt es jedes Paar: Dunkle Beziehungswolken ziehen auf, ein donnernder Streit stellt sich wie eine Wand zwischen beide und kann das Aus für eine Beziehung sein. Sich ängstlich zurückzuziehen ist jetzt Gift. Lesen Sie hier, wie Sie richtig streitend aus der Krise finden und warum dabei auch mal die Tassen fliegen dürfen.

 Häufiger Streit kann einer stabilen Beziehung kaum nicht viel anhaben.

Häufiger Streit kann einer stabilen Beziehung kaum nicht viel anhaben.

Foto: Shutterstock/Doruk Sikman

Wenn die Beziehung beginnt, dann sitzt die rosa Brille auf der Nase. Dann noch kommt die Physiotherapeutin, bei der er zuletzt in Behandlung war, so erfrischend anders daher, ist ein Freigeist, lebt intensiv und ist für spontane Dinge zu haben. Das, was er so anziehend an der neu entbrannten Liebe findet, wird sich wenige Jahre später womöglich ins Gegenteil verkehren. Es nervt, dass sie ständig neue Ideen hat und man mit ihr einfach nicht planen kann, weil sie mit ihrer spontanen Art alles durchkreuzt.

"Am Anfang einer Beziehung suchen wir oft nach Gegensätzen, die uns ergänzen und uns das Gefühl geben 'ganz' zu sein", sagt Dr. Ilka Vasterling, Psychologin und Paartherapeutin in der Psychotherapieambulanz der Technischen Universität Braunschweig. Wer selbst ein Couchpotatoe ist, der nimmt jemanden, der Schwung ins Leben bringt und ihn öfter mal aus dem Mauseloch lockt, zunächst vielleicht als sehr anziehend wahr. Findet er aber nach einiger Zeit zur eigenen Persönlichkeit zurück, empfindet er plötzlich das Verhalten des anderen als rücksichtslos oder egoistisch. "Die rosa Brille schafft es zu Beginn einer Beziehung einen liebevollen Blick auf Eigenschaften zu werfen, die später stören", so fasst es die Braunschweiger Paartherapeutin zusammen.

Wie Banalitäten zum Selbstläufer werden

Meist ist es dann der Alltag, über den gestritten wird. Banalitäten wie die täglich offene Zahnpastatube nerven mit einem Mal. Kommt es dann zum Streit, machen viele Paare ein und denselben Fehler: Sie holen zum Rundumschlag aus. Paartherapeuten haben einen Namen für diesen Selbstläufer der Streiteskalation: "Zwangsprozess".

"Lebensgefährten geraten über eine Kleinigkeit in die Auseinandersetzung und wissen nachher gar nicht mehr, wo alles einmal angefangen hat", sagt Dr. Ilka Vasterling. Häufig wird es emotional und persönlich. Irgendwann ist kein Gespräch mehr möglich beide haben sich weit von der sachlichen Auseinandersetzung entfernt.

Das kann Gift für die Beziehung sein. Aber es gibt Paare, die rechtzeitig die Kurve bekommen, einlenken und so durch Krisen hindurchfinden, ohne dass es bitter wird. Die Psychologen sprechen von "stabilen Partnerschaften". "Diese Paare schauen sich auch im Streit mehr an und werten sich nicht gegenseitig als Person ab", sagt die Psychologin. Studien, die Prof. Erich H. Witte, in seiner Zeit an der Universität Hamburg anstellte, belegen das. Wenn nach drei bis vier Jahren die Phase der Verliebtheit endet, dann zeigt sich, ob die Liebenden es schaffen an einer Beziehung zu arbeiten, oder ob sie scheitern wird.

Ehen scheitern nicht im verflixten siebten Jahr

In jeder dritten Ehe funktioniert das offensichtlich nicht und sie wird geschieden. In städtischen Gebieten liegt die Scheidungsrate laut Vasterling sogar bei 50 Prozent. Statistisch gesehen wird es in vielen Ehen nicht nach dem vielzitierten siebten Jahr schwierig. "Eine ernste Bewährungsprobe steht bei vielen Beziehungen im dritten oder vierten Jahr an", sagt der Berufsverband Deutscher Psychologen.

Eine große Rolle spielt dann, ob Paare es schaffen, das einmal entstandene Gefühl für den anderen aufrecht zu erhalten, oder nicht. Es sind die kleinen Dinge des Lebens, die eine stabile Partnerschaft ausmachen: "Liebevolle Blicke, Gesten und Körperkontakt, und das auch im Streit", sagt die Braunschweiger Paartherapeutin. Denn laut einer Umfrage der Universität Hamburg sind 85 Prozent der Paare regelmäßige Liebesbeweise wichtig. Dazu gehören für viele auch kleine Aufmerksamkeiten und Geschenke an Tagen, die nicht wie Geburtstage oder Weihnachten als kalendarische Pflichtereignisse im Kalender stehen.

Wie Streit der Beziehung nicht schadet

Aufräumen sollte man allerdings auch mit dem Vorurteil, dass Streit schlecht ist und ebenso damit, dass häufige verbale Auseinandersetzungen schaden. "Viel wichtiger ist die Qualität des Streits", sagt Vasterling. Gut verläuft Streit, wenn es trotz aller Emotionalität gelingt, den anderen nicht abzuwerten. Hilfreich kann es da sein, in harmonischen Situationen das Gespräch miteinander zu suchen und herauszuarbeiten, was für den anderen in Situationen der Auseinandersetzung wichtig ist. "Wenn jemand Zeitung liest oder stur auf den Fernseher schaut, während die Partnerin neben ihm abläuft, der verhält sich ungeschickt", so die Paartherapeutin. Besser wäre es, den anderen anzuschauen, ihm zu signalisieren, dass man zuhört und sich Zeit nimmt.

Streiten gelingt außerdem besser, wenn man versuche, sich in den anderen hineinzufühlen. Zwischenfragen wie: "Habe ich das richtig verstanden?" signalisieren das Interesse am Gegenüber und stellen die Konfliktsituation auf ein gesundes Fundament.

Wichtig außerdem: keine Vorwürfe formulieren. Formulierungen wie: "Du kommst immer, wenn wir ins Theater wollen zu spät", führen dazu, dass der Partner die Botschaft darin gar nicht mehr wahrnimmt, sondern statt dessen seine Verteidigung vorbereitet. Besser, so raten Paartherapeuten zudem sind grundsätzlich "Ich-Botschaften" wie "Ich würde gerne pünktlich im Theater sein und nicht so gehetzt dort ankommen." Wer Kritik üben möchte, der kann das tun, sollte aber darauf achten, dass man sie an ein positives Signal koppelt und dem Kritisierten damit zu signalisieren, dass man ihn dennoch annimmt und liebt.

Wann die Fetzen fliegen dürfen

Je nach Paarkonstellation dürfen im Krach auch einmal die Fetzen fliegen. "Manche Paare führen eine sehr leidenschaftliche Liebesbeziehung und streiten sehr impulsiv und häufig", erzählt Dr. Ilka Vasterling. Befreiend kann das sein, wenn beide eine gleiche Streitkultur haben und das okay finden. Dann kann ein Streitgewitter mit Versöhnungssex enden, ohne dass die Partnerschaft je ernsthaft gefährdet gewesen wäre.

Paare, die selbst den Dreh füreinander nicht mehr finden, können sich an Paartherapeuten oder -ambulanzen wenden und dort Hilfe finden. "Wir können keine Liebe herbeizaubern, aber in zwei Dritteln der Fälle, gelingt eine Beziehung nach einer Therapie wieder", so die praxiserprobte Psychologin. Das Geheimnis: Psychologen geben in Situationen, in denen am anderen nur noch Negatives gesehen wird, Unterstützung, auch wieder positive Eigenschaften und Signale wahrzunehmen.

Der Puffer für jede Beziehung

Menschen, die ganz sicher sein wollen, können zumindest in Braunschweiger Psychotherapieambulanz ein Präventionsseminar belegen, in dem schon vor dem großen Krach Tipps geben, etwas für die Partnerschaft zu tun. Einer davon: Nehmen Sie sich regelmäßig füreinander Zeit, reden Sie, gehen Sie zusammen ins Kino, nehmen Sie Anteil an dem emotionalen Erleben des anderen. Wer das nicht aus den Augen verliert, der kommt auch über stressigere Beziehungszeiten und Gesprächen zwischen Tür und Angel leichter hinweg, ohne dass es gewittert.

(wat)
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