Nach Anzeige für Babyverkauf aus Duisburg Wann darf das Jugendamt ein Baby in Obhut nehmen?

Düsseldorf · In Duisburg hat das Jugendamt ein Baby aus seiner Familie geholt, weil eine Verkaufsanzeige für das Kind aufgetaucht war. Wenn die Sicherheit in der Familie nicht mehr gewährleistet ist, muss das Amt eingreifen. Aber wann ist das der Fall? Eine Experte erklärt, wie diese schwierige Entscheidung getroffen wird.

Zweimal war es im Jahr 2015 in Düsseldorf nötig, ein Baby aus seiner Familie herauszunehmen. In beiden Fällen waren die Eltern nicht mehr in der Lage, sich um das Kind zu kümmern. "In einem Fall war die Mutter erkrankt und konnte sich und ihr Baby deshalb nicht mehr richtig versorgen. Wir mussten es für zwei Tage in eine Pflegefamilie geben", sagt Johannes Horn, Leiter des Jugendamtes Düsseldorf. Nach dieser Zeit, wurde das Kind in die Obhut anderer Familienmitglieder gegeben.

Fälle wie dieser sind laut Horn keine Seltenheit: "In den meisten Fällen, in denen wir aktiv werden müssen, geht es darum, dass Eltern nicht mehr in der Lage sind, ihren Alltag zu bestreiten, nicht unbedingt um Kindesmissbrauch oder Gewalt." Die Unfähigkeit kann sich finanziell äußern oder auch in gesundheitlichen oder psychischen Problemen.

"Was dann passiert ist, dass die Mutter nicht mehr in der Lage ist, für den Schutz des Säuglings zu sorgen oder den Bedürfnissen des Kindes nachzukommen, und dann muss das Jugendamt aktiv werden", sagt Horn. Anwälte sprechen hier von dem Paragraphen 1666 des Bürgerlichen Gesetzbuches, der Jugendämtern das Recht einräumt, Kinder vor einer Gefahr, die von ihrer Familie ausgeht, zu schützen. Säuglinge und Kleinkinder bis zu sechs Jahren werden meist in eine Pflegefamilie gegeben. Wie lange, das hängt von der Entscheidung des Familiengerichtes ab. Ältere Kinder kommen meist ins Kinderheim.

"Das Familiengericht muss in einem solchen Fall immer eingeschaltet werden", sagt Angelika Schmitz-Berg, Anwältin für Familienrecht in Düsseldorf, "denn die Herausnahme eines Kindes aus seiner Familie ist eine der schärfsten Maßnahmen, die wir im Familienrecht haben." Sobald sich abzeichnet, dass es nötig wird, einen Säugling in eine Pflegefamilie zu geben, muss deshalb auch geklärt werden, wie es weitergeht. "Dafür werden oftmals Gutachter eingesetzt, die entscheiden, ob das Kind nach einer gewissen Zeit zurück zu den Eltern kann, längere Zeit bei der Pflegefamilie bleibt oder sogar eine Adoption diskutiert werden muss", sagt Schmitz-Berg.

Für die Anwältin ist klar, im Fall des Babys von Duisburg haben die Behörden richtig gehandelt: "So lange man nicht weiß, wer Urheber der Verkaufsanzeige für das Baby ist, muss mit allen Mitteln das Kindeswohl gesichert werden", sagt Schmitz-Berg. Weitere Fälle, in denen das Jugendamt aktiv werden darf, sind laut der Expertin:

  • Kindesmissbrauch,
  • Vernachlässigung des Kindes,
  • unverschuldetes Versagen der Eltern (etwa durch Krankheit).

Die Behörden stehen vor einer schwierigen Entscheidung: Ist die Situation in der Familie so fatal, dass das Baby seinen Eltern weggenommen werden muss? Jeder Fall müsse individuell beurteilt werden, sagt Jugendamtsleiter Horn.

Besteht ein begründeter Verdacht, untersucht das Jugendamt die Familiensituation und wird möglicherweise aktiv. "Im vergangenen Jahr hatten wir 56 Gefahrensituationen, von denen sich viele nach genauer Betrachtung gar nicht als problematisch herausgestellt haben", sagt Horn. Oftmals geht es laut dem Leiter des Jugendamtes nur darum, Eltern bei der Versorgung ihres Säuglinges zu unterstützen - am besten unter Einbezug der Eltern und während das Kind in der Familie verbleibt.

Geht das nicht, und muss ein Säugling in eine Pflegefamilie gegeben werden, gilt laut Horn: "Es muss verhindert werden, dass das Kind eine richtige Bindung zur Pflegefamilie aufbaut, aber gleichzeitig muss es schnell in eine geschützte Situation gebracht werden."

Dafür springen speziell geschulte Pflegefamilien ein, die von gemeinnützigen Vereinen aus der Region gestellt werden. "Kommt das Kind nach dieser Zeit wieder zurück zu den Eltern, beispielsweise, weil sich die gesundheitliche Situation verbessert hat, bleiben wir so lange dabei, bis die Eltern allein wieder in der Lage sind, sich zu kümmern", sagt Horn.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes stand, dass die Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls in Paragraph 16 des BGB geregelt seien. Richtig ist Paragraph 1666. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

(ham)
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