Bundesarzt der Malteser im Interview "Verschlucken kann einen spontanen Herzstillstand auslösen"

Düsseldorf · In Bitburg ist ein zweijähriges Kind auf dem Weihnachtsmarkt an einem Stück Bratwurst erstickt. Der Bundesarzt des Deutschen Malteser Hilfdienstes Rainer Löb erklärt im Gespräch, wie es zu einer solchen Situation kommen kann, und warum Kinder unter fünf Jahren besonders anfällig dafür sind.

 Weil die Atemwege bei Kindern unter fünf Jahren noch klein sind, besteht eine größere Gefahr, dass sie sich verschlucken.

Weil die Atemwege bei Kindern unter fünf Jahren noch klein sind, besteht eine größere Gefahr, dass sie sich verschlucken.

Foto: Shutterstock.com/ wowsty

Herr Dr. Löb, ein zweijähriges Kind ist an einem Stück Bratwurst erstickt. Sind Kinder dafür anfälliger als Erwachsene?

Löb: Ja, auf jeden Fall. Vor allem Kinder unter fünf Jahren verschlucken sich häufiger. Das liegt daran, dass sie viel kleinere und engere Atemwege haben, die entsprechend leichter verstopfen. Die Luftröhre wird dann schnell beispielsweise durch eine Murmel oder eine Erdnuss mechanisch verlegt.

Was bedeutet mechanisch verlegt?

Löb: Das bedeutet, dass etwas nach hinten rutscht und die Atemwege verstopft. Stellen Sie sich zunächst mal einen Erwachsenen vor: Wenn er sich verschluckt und keine Luft bekommt, fängt er an zu husten und zu würgen bis die Atemwege wieder frei sind. Bei Kindern ist das anders, weil sie noch sehr enge Atemwege haben. Schon ein kleines Teil kann leicht nach hinten rutschen und dazu führen, dass die Luftröhre komplett verschlossen ist. Die Kinder können dann unter Umständen nicht mal mehr richtig husten oder würgen. Oder der Atemweg wird dadurch blockiert, dass der Inhalt der Speiseröhre so groß ist, dass er auf die Luftröhre drückt und somit die Luftzufuhr abschnürt. Verschlucken kann aber auch einen spontanen Herzstillstand auslösen.

 Rainer Löb ist der Bundesarzt des Malteser Hilfsdienstes, Facharzt für Anästhesie und leitender Direktor der Barbaraklinik und des St-Josef-Krankenhauses in Hamm.

Rainer Löb ist der Bundesarzt des Malteser Hilfsdienstes, Facharzt für Anästhesie und leitender Direktor der Barbaraklinik und des St-Josef-Krankenhauses in Hamm.

Foto: Malteser Kommunikation

Wie ist das möglich?

Löb: Man nennt das einen Bolustod. Im Rachenbereich verläuft der Vagusnerv. Das ist ein Teil des sogenannten unwillkürlichen Nervensystems. Es lässt sich also bewusst nicht steuern, sondern reagiert eigenständig. Verschluckt sich ein Kind nun an etwas, und das Verschluckte übt Druck auf diesen Vagus im Rachen aus, kann es zu einem Kreislaufstillstand kommen, der als Reflex ausgelöst wird. Also zu einem plötzlichen Herzstillstand.

Lässt sich das von außen erkennen?

Löb: Ja unbedingt, denn der Betroffene sackt rasch in sich zusammen und ist bewusstlos.

Das heißt in diesem Fall kommt jede Hilfe zu spät?

Löb: Nein, aber es ist eine schnellstmögliche Wiederbelebung (Herzdruckmassage) notwendig, die dann helfen kann, aber nicht muss. Auch hier gilt wie bei jedem Herzstillstand: jede Minute ohne Wiederbelebung reduziert die Überlebenschance um zehn Prozent.

Angesichts all dessen: Finden Sie ein Alter von zwei Jahren zu jung, um einem Kind eine Bratwurst zu geben?

Löb: Das ist so pauschal nicht zu beantworten. Es hängt immer vom konkreten Kind und der konkreten Situation ab.

Angenommen, ein Kind verschluckt sich an etwas und die Eltern merken, dass das Stück nicht so einfach rausgeht, was ist zu tun?

Löb: Dann sollte man das Kind flach mit dem Rücken auf den Boden legen, den Kopf nach hinten überstrecken und prüfen, ob man den Gegenstand sieht und herausholen kann. Geht das nicht, sollte man sofort 112 anrufen, mit den normalen Erste-Hilfe-Maßnahmen bis hin zur Wiederbelebung beginnen und warten, bis der Notarzt eintrifft.

(ham)
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