Tests für Embryonen Bluttest kann Down-Syndrom feststellen

Düsseldorf · Ein neuer Bluttest für Schwangere kann das Down-Syndrom beim ungeborenen Kind feststellen. Er ist aus Sicht der Kritiker ein Dammbruch für eine künftige Gen-Entschlüsselung bei Embryonen.

Down-Syndrom: Fünf Fragen
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Fünf Fragen zu Down-Syndrom

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Foto: dapd, Mario Vedder

Berlin Möglicherweise wird das Jahr 2012 als Beginn der umfassenden Tests von Embryonen in die Geschichte eingehen. Seit der vergangenen Woche ist der Praenatest der Firma Lifecodexx auf dem Markt, der durch eine einfache Blutanalyse feststellen kann, ob das ungeborene Kind das Down-Syndrom aufweist.

Das Risiko, ein Kind mit Down-Syndrom zur Welt zu bringen, steigt mit dem Lebensalter der Mutter. Mit 35 Jahren liegt es bei etwa 0,3 Prozent. Mit 40 Jahren beträgt es schon ein Prozent und steigt von da an mit jedem Lebensjahr um einen weiteren Prozentpunkt. Wegen des erhöhten Risikos, ein Kind mit Down-Syndrom zur Welt zu bringen, können werdende Mütter ab 35 Jahren in Deutschland bislang eine Fruchtwasseruntersuchung vornehmen lassen.

Abort nach Fruchtwasseruntersuchung

Diese Untersuchung ist für den Fötus gefährlich. In einem von 200 Fällen kommt es zu einer Schädigung des ungeborenen Kindes — es folgt ein Abort. Das heißt, durch die Fruchtwasseruntersuchungen sterben hierzulande jährlich einige Hundert Kinder im Mutterleib.

Der neue Test ist weder für die Mutter noch für das Kind gefährlich. Für eine genaue Diagnose genügen 20 Milliliter Blut der Mutter. "Der Praenatest bringt uns in ein Dilemma", sagt der Ethik-Experte der SPD-Fraktion, René Röspel. Auf der einen Seite sei er eine Erleichterung für die Frauen, die sich nicht mehr der riskanten Fruchtwasseruntersuchung unterziehen müssen, auf der anderen Seite sei damit der erste Schritt zu Reihenuntersuchungen gemacht.

Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe, formuliert die Kritik drastischer. "Mit dem neuen vermeintlich einfacheren Test steht zu befürchten, dass die Rasterfahndung nach Menschen mit Down-Syndrom noch verstärkt wird", betont der CDU-Politiker.

Bei der Diagnose Down-Syndrom entscheidet sich die große Mehrheit der Eltern von 90 Prozent für eine Abtreibung. Durch neue, immer feinere Verfahren entsteht aus Sicht der Kritiker ein gesellschaftlicher Druck auf werdende Mütter, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen. Vor diesem Trend warnen auch die Kirchen. "Leben mit Behinderung wird immer mehr zu einem Sonderfall, den es zu verhindern gilt, und dieser Test ist ein Baustein in dieser Entwicklung", sagt Vizepräses Petra Bosse-Huber von der Evangelischen Kirche Deutschland.

Test kostet 1250 Euro

Etwa 70 Praxen und Fertilitätszentren in Deutschland bieten aktuell den Test an. Mit einem Boom des neuen Tests ist zunächst nicht zu rechnen: Er kostet 1250 Euro und muss von den Betroffenen selbst gezahlt werden. Auch die Kosten für die Fruchtwasseruntersuchung liegen in dieser Größenordnung. Allerdings werden sie von den Kassen getragen. Für die Zukunft ist nicht ausgeschlossen, dass die Kassen den Test übernehmen, wenn er sich in der Praxis bewährt.

Der neue Bluttest kann nicht nur die vorgeburtliche Untersuchung auf Down-Syndrom zur Selbstverständlichkeit machen, er könnte auch der Beginn zahlreicher Gen-Analysen mit Hilfe des Bluts von Schwangeren sein. Diese Gefahr sieht der SPD-Politiker Röspel und fordert eine enge Begrenzung der Krankheiten, die überhaupt bei ungeborenen Kindern getestet werden dürfen.

Die Wissenschaft ist längst weiter als der Gesetzgeber. Bereits Anfang Dezember 2010 beschrieb der Pionier des Verfahrens, der Pathologe Dennis Lo aus Hongkong, im Fachblatt "Science Translational Medicine" erstmals die Entschlüsselung des Genoms eines ungeborenen Kindes. Das heißt, es ist nur noch eine Frage von Zeit und Geld, dass die Pränataldiagnostik mühelos Erbkrankheiten wie Mukoviszidose, die Veranlagung zu Krebs, Stoffwechselerkrankungen und Blindheit erkennen kann.

Moralische Fragen

Der Chef des Zentralkomitees der Katholiken, Alois Glück, sieht angesichts dieser Entwicklung auf die Menschheit moralische Fragen ungeheueren Ausmaßes zukommen. Die neuen bioethischen Problemstellungen sind aus seiner Sicht die größten ethischen Herausforderungen der Menschheit. Es müsse die Gratwanderung zwischen neuen Heilungschancen und der Gefährdung des Lebensschutzes bewältigt werden.

Nach Meinung des Lebensschützers und Behindertenbeauftragten Hüppe ist schon mit dem neuen Praenatest die Grenze der Legalität überschritten. "Der Test dient weder medizinischen noch therapeutischen Zwecken. Nach dem Gendiagnostikgesetz müssen aber gerade diese Zwecke für eine zulässige vorgeburtliche Untersuchung vorliegen."

(qua)
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