Sicherheit bei Großveranstaltungen Wie Sie sich bei einer Massenpanik am besten verhalten

Wie entsteht eine Massenpanik – und was soll man tun, wenn man in eine hineingerät? Diesen Fragen ist das Max-Planck-Institut in einem Experiment nachgegangen. Eine der Antworten: Bleiben Sie von den Wänden weg!

 Nicht nur das Gedrängel der vielen Menschen, auch der intensive Körperkontakt kann auf einer Großveranstaltung zu Panik führen.

Nicht nur das Gedrängel der vielen Menschen, auch der intensive Körperkontakt kann auf einer Großveranstaltung zu Panik führen.

Foto: Christian Bertrand/ Shutterstock.com

Wie entsteht eine Massenpanik — und was soll man tun, wenn man in eine hineingerät? Diesen Fragen ist das Max-Planck-Institut in einem Experiment nachgegangen. Eine der Antworten: Bleiben Sie von den Wänden weg!

Wie sensibel Menschen auf laute Geräusche oder einen Pulk rufender und laufender Menschen reagieren können, zeigen Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit: In Spanien führte im August ein Flashmob zu einer Massenpanik unter Unbeteiligten. In einem Kneipenviertel des französischen Urlaubsorts Juan-les-Pins an der Côte d'Azur löste wenige Tage später ein Knall, der als Schuss fehlinterpretiert wurde, eine Massenflucht mit tumultartigen Szenen aus.

Gedränge, Lärm oder Brandgeruch - es braucht nicht viel, um den Stresspegel derart hochschlagen zu lassen, dass Menschengruppen in Panik geraten. Wie wichtig es für Veranstalter und Teilnehmer von Großveranstaltungen ist, sich mit dieser Möglichkeit auseinanderzusetzen, haben die dramatischen Ereignisse der Loveparade in Duisburg 2010 gezeigt. Damals kamen im Gedränge 21 Menschen ums Leben, 541 Menschen wurden verletzt. Um solche Katastrophen in Zukunft besser vermeiden zu können, hat das Max-Planck-Intitut Berlin in einem Experiment untersucht, wie eine Massenpanik entsteht und wo die größten Gefahrenzonen im Gedränge sind.

Hier ist es im Menschengewühl am gefährlichsten

"Die gefährlichsten Zonen sind Engpässe wie eine Ausgangstür, Biegungen oder Verkehrsströme, bei denen sich die Menschen in entgegengesetzte Richtungen bewegen", sagt Mehdi Moussaid, Panikforscher am Max-Planck-Institut in Berlin.

Das Gefährliche in solchen Situationen: "Sie zeichnen sich durch einen hohen Dichtepegel aus. Folglich werden Körperkontakte häufiger", sagt der Experte. Das erhöht den Stresspegel. Aus diesem Grund ist es brenzlig, wenn sich ein Rückstau bildet oder Menschen in Sackgassen zum Umkehren gezwungen sind und gegen den Strom laufen müssen.

Diese Erkenntnisse sammelten die Wissenschaftler mit einem Experiment, bei dem sich Testpersonen virtuell durch ein brennendes Haus bewegen mussten. Die Probanden steuerten dazu am Rechner einen Avatar durch einen dreidimensionalen Raum. Um dabei dem Verhalten in einer Paniksituation möglichst nahe zu kommen, setzen die Forscher sie unter Druck: Ihnen blieben nur 50 Sekunden zum Verlassen des unübersichtlichen Hauses, sie verloren Geld, wenn das nicht gelang. Permanent rot blinkende Lämpchen und Feuer vor den virtuellen Türen erzeugten zusätzlich Stress. Das Panikexperiment fand zudem in einem schlecht beleuchteten Raum statt.

Besser von den Wänden fernhalten

Sowohl unter diesen Bedingungen als auch bei Experimenten in der realen Welt zeigte sich: 95 Prozent der Menschen wählen die rechte Seite, um aneinander vorbeizukommen. Zum Problem wird das an Engstellen wie Türen, Säulen, Mauern oder Zäunen. Dort sammelt sich die drängelnde Masse. Menschen werden im Pulk vor das Hindernis gedrückt, kommen von dort nicht mehr weg, werden verletzt oder im schlimmsten Fall auf dem Boden zu Tode getreten.

Was passiert, wenn man in einer Massenpanik in den äußeren Saum gerät, zeigt diese Animation des Max-Planck-Instituts.

"Bei Katastrophen sind die Personen, die zu Boden gehen, diejenigen, die als erstes verletzt werden", sagt Moussaid. Das weiß man auch aus Analysen des Loveparade-Unglücks im Jahr 2010 in Duisburg, bei dem 21 Menschen ums Leben kamen. Darum rät der Forscher: "Bleiben Sie besser von den Wänden weg." Wer mittig läuft, passiert schneller das Nadelöhr.

In Panik werden Egoisten noch egoistischer

Das gelingt vor allem dann, wenn man von kooperativen Menschen umgeben ist. Denn, so die Beobachtung der Wissenschaftler: "Notfälle verstärken die menschlichen Eigenschaften." Demnach neigen selbstlose Menschen dazu, anderen zu helfen und das Drängen zu reduzieren. "Egoistische Menschen gehen hingegen als erste und schubsen manchmal diejenigen, die vor ihnen stehen."

Durch dieses Drängeln provozieren sie ebenso wie vollkommen panische Menschen Stürze. Darum raten die Wissenschaftler trotz Rangelei, nicht nach hinten zurückzuschieben. Man bleibt eher auf den Beinen, wenn man versucht, den Schubwellen sanft zu folgen. "Eine Menge ist wie eine Flüssigkeit. Es gibt einen kontinuierlichen Fluss, für den man sicherstellen muss, dass er sich nirgendwo ansammelt", sagt Moussaid. "Wenn ein Veranstalter eine Türe schließt, damit nicht zu viele Menschen den Raum betreten, werden sich vor der Tür andere Menschen sammeln und dort einen weiteren gefährlichen Bereich schaffen."

(wat)
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