Erstaunliche Fakten Warum Seufzen wichtig für die Gesundheit ist

Der Wecker klingelt, keine Lust auf Arbeit – einmal seufzen bitte. Dauerregen statt Sonnenschein – nochmal seufzen. Wir seufzen ungefähr alle fünf Minuten. Doch warum eigentlich? Um zu überleben, sagen Wissenschaftler.

 Seufzen ist weit mehr als eine emotionale Lautäußerung.

Seufzen ist weit mehr als eine emotionale Lautäußerung.

Foto: Shutterstock/cunaplus

Der Wecker klingelt, keine Lust auf Arbeit — einmal seufzen bitte. Dauerregen statt Sonnenschein — nochmal seufzen. Wir seufzen ungefähr alle fünf Minuten. Doch warum eigentlich? Um zu überleben, sagen Wissenschaftler.

Unglaubliche zwölfmal in der Stunde tun wir es — meist unbemerkt von uns selbst: Wir atmen tief ein und aus. Seufzen nennt man das. Manchmal begleitet von kleinen Stöhnern oder Japsern werden diese besonderen Atemzüge manchmal hörbar. Schon seit vielen Jahren beschäftigt auch die Wissenschaft das Geheimnis des Seufzens. Jüngst fanden Neurowissenschaftler Hinweise darauf, dass sich dahinter nicht nur ein angelerntes Verhalten versteckt. Hier lesen Sie die erstaunlichsten Erkenntnisse über diesen besonderen Laut. In einem Fall hat das sogar für den Spaß-Nobelpreis in Psychologie gereicht.

Das sagen die Neurowissenschaftler übers Seufzen

Im Hirnstamm versteckt liegt das Seufzentrum des Menschen. Dort nämlich ist das Atemzentrum angesiedelt, das Taktgeber für die Atmung ist. Niemand muss über das ständige Luftholen nachdenken. Es ist automatisiert. Zwei winzige Neuronenanordnungen allerdings sorgen für gelegentliche Abweicher vom normalen Luftholen. Das ist nötig, damit auch abgelegene Bereiche der Lunge mit Sauerstoff versorgt werden, sagt Jack Feldman, Neurowissenschaftler der University of California. Zu seufzen ist also überlebenswichtig. Ein normaler Atemzug würde die Belüftung bis in den hinteren Winkel der Lunge nicht sicherstellen.

 Wie zwei Neuronenanhäufungen im Gehirn unser Seufzen steuern, machten Forscher der Stanford University sichtbar.

Wie zwei Neuronenanhäufungen im Gehirn unser Seufzen steuern, machten Forscher der Stanford University sichtbar.

Foto: Krasnow Lab/Stanford

Was uns gemeinhin als tiefes Ein- und Ausatmen erscheint, ist mehr als das: "Es beginnt wie ein normale Atemzug, doch bevor Sie ausatmen, nehmen Sie einen weiteren Atemzug obendrauf", erklärt der Wissenschaftler. Zweck der Übung: Zusammengefallene Lungenbläschen blasen sich wieder auf. Das geht nur durch das Seufzen, da auf diesem Weg doppelt so viel Luftvolumen in die Lunge strömt als normalerweise. "Wenn Sie nicht seufzen, kann Ihre Lunge im Laufe der Zeit nicht mehr atmen", sagt Feldman.

Wie ein Schrittmacher, der reguliert, wie schnell wir atmen, kontrolliert laut Biochemiker Mark Krasnow vom Howard Hughes Medical Institute das Atemzentrum im Hirn, welche Art von Atemzug wir nehmen": regelmäßige Züge, Seufzer, aber auch Gähnen, Schnüffeln oder Husten. So werden aus normalen tiefe Atemzüge. Selbst bei Mäusen funktioniert dieses System. Auch die nervösen Tierchen haben also hin und wieder Zeit für einen Seufzer.

Das sagen Psycholinguisten über tiefe Einatmer

Keine Begründung finden die Hirnforscher dafür, warum wir bei Kummer oder auch aus Erleichterung heraus seufzen. Eine Idee hingegen entwickelten Psychologen rund um Disa A. Sauter vom Max-Planck-Institute für Psycholinguistik in den Niederlanden.

Sie verglichen die Laute, die zum Beispiel die Briten bei Zorn, Ärger, Trauer, aber auch Freude oder Erheiterung ausstoßen mit denen eines Naturvolks in Namibia. Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass sich die Probanden beider Volksgruppen auch ohne Worte in dieser Sache prima verstanden. Unsicherheiten gab es allerdings beim Seufzen. Das Naturvolk konnte vor allem das Seufzen, das britische Probanden als Zeichen von Erleichterung von sich gaben, nur schwer identifizieren. Die Forscher führen das darauf zurück, dass positive Erfahrungen in der Evolutionsgeschichte meist nur mit Mitgliedern der eigenen Gruppe geteilt wurden und deshalb auch innerhalb dieser Gruppe besser verstanden werden.

Das sagen Gesprächstherapeuten über den tiefen Japser

Andere Psychologen wie zum Beispiel Gesprächstherapeut Ulfried Geuter sehen es als eine Art Reset-Taste der Psyche, mit der sich Emotionen und Spannungen entladen. Besonders in Anspannung und Aufregung kann es demnach helfen, einmal tief Luft zu holen und durchzuatmen, um den inneren Tacho wider herunterzufahren.

Das meine Sozialpsychologen zum Thema Seufzen

Bislang Unbekanntes brachte auch der Norweger Karl Halvor Teigen von der Universität Oslo über das Phänomen ans Licht: Er ging der Frage nach, warum Menschen im Alltag seufzen und erhielt dafür im Jahr 2011 den Spaß-Nobel-Preis, den jährlich die Harvard University vergibt. Anhand einer Fragebogen-Studie untersuchte er, was Menschen mit dem Seufzen verbinden. Die meisten seiner Probanden verbanden mit dem stoßhaften Ablassen von Luft hauptsächlich den Ausdruck negativer Gefühle.

Nach einer zweiten Studie kommt er zu dem Schluss, dass Seufzer meist unbeabsichtigt über die Lippen gehen, wenn man nach Lösungen ringt und einen Plan oder Wunsch verwerfen muss. Dabei ist seufzen in der Regel ein unbewusster Vorgang, der bei Frustration oder auch Hilflosigkeit auftritt, schlichtweg immer dann, "wenn man aufgeben muss oder sich dumm fühlt", schreibt Teigen in seiner Studie dazu. Auch hier gilt der tiefe Atemstoß als so etwas wie eine Pause. Man macht sich Luft, bevor man erneut in Aktion tritt.

Das sagen Biologen über das Seufzen bei Babys

Eine lebenserhaltende Rolle spielt das tiefe Luftholen bei Babys, fanden Wissenschaftler der Universität Bern heraus. Alle 50 bis 100 Atemzüge machen Babys für gewöhnlich einen tiefen Atemzug. Gesteuert wird das vom Atemzentrum im Hirn und hilft den Kleinen dabei, einen stabilen und regelmäßigen Atemrhythmus zu entwickeln. Wie ein Reset-Schalter unterbricht ein Seufzer den Atemrhythmus, wenn dieser zu langsam wird. So stellt sich mit der Zeit ein stabiles Ein- und Ausatmen ein, das auch auf Veränderungen im Sauerstoffbedarf schnell reagiert.

(wat)
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