Rapunzel-Syndrom Ärzte entfernen Frau Neun-Pfund-Haarballen aus dem Magen

Kirgisistan · Viele junge Mädchen kauen an ihren Haarspitzen, wenn sie nervös sind. Doch eine 18-Jährige aus Kirgisistan hätte die Lust auf Haare beinahe das Leben gekostet. In einer Not-OP entfernen Ärzte einen riesigen Haarballen aus ihrem Magen. Die Diagnose: Rapunzel-Syndrom.

Rapunzel Syndrom: Ärzte entfernen Neun-Pfund-Haarballen aus Magen
Foto: Screenshot Twitter/@MetroUS

Über fünf Monate hinweg erleidet eine junge Frau quälenden Bauchschmerzen. Erst als nichts mehr geht, sie vollkommen unterernährt und dehydriert ist, sucht sie die Hilfe von Ärzten. Wasser und Nahrung kann sie zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr bei sich behalten. Doch der Bauch der Patientin ist dick geschwollen. Die Mediziner stellt das zunächst vor ein Rätsel. Eine radiologische Untersuchung schließlich führt sie auf die richtige Spur: Der Magen der 18-Jährigen ist komplett mit etwas Undefinierbarem ausgefüllt.

Als Professor Bahadir Bebezov, Senior Professor für Chirurgie an Bischkek Hospital in Zentralasien in einer Not-Operation den prallen Magen der jungen Patientin öffnet, trauen er und sein Ärzteteam ihren Augen nicht. Sie befördern einen schier unglaublichen Mageninhalt zu Tage, der beinahe zu ihrem Tod geführt hätte: einen neun Pfund großen Haarballen.

Massive 9lbs hairball removed from teenager's stomach http://t.co/vAy7HuJ8wj pic.twitter.com/JEoh41rnX8

Viele Jahre lang hatte die Patienten Haare vom Boden aufgesammelt und mitsamt von Teppichflusen in ihren Mund gestopft und gegessen, berichtet die britische Zeitung Daily Mail. Zudem hatte sie an ihren eigenen Haaren geknabbert und auch diese verschluckt. Da die Haarsubstanz im Magen jedoch nicht verdaut werden konnte, sammelte sie sich dort an und ergab einen immer größer werdenden verfilzten Knoten.

Bekannt ist das Schlucken von Haaren sonst nur aus dem Tierreich, wie zum Beispiel bei Katzen. Diese würgen die gefährlichen Haarballen jedoch regelmäßig wieder aus. Da das Menschen nicht möglich ist, verbleiben die verschluckten Haare im Magen und können dort Knäuel ergeben, die bis in den Dünndarm reichen. Ärzte entfernten schon Haarknäuel, die bis in den Dünndarm reichten und eine Länge von 120 Zentimetern hatten. Mediziner nennen diese zopfartigen Knäuel auch Trichobezoare. Die damit verbundene Trichophagie, die auch als Rapunzel-Syndrom bezeichnet wird, ist nicht beispiellos. Im Jahr 2007 beförderten amerikanische Ärzte einen noch größeren, zehn Pfund schweren Haarballen aus dem Bauch einer ebenfalls 18-Jährigen.

Durch die Schlagzeilen ging 2009 auch der Fall einer fünfjährigen Britin, die ihre Haarspitzen abkaute und seit ihrem dritten Lebensjahr so viel ihres Schopfes aß, dass sie kahle Stellen auf dem Kopf hatte. Ihre Eltern ahnten jedoch zunächst ebenso wie die Ärzte, bei denen sie wegen Magenverstimmung vorstellig wurde, nichts von dem grausigen Mageninhalt. Erst ein halbes Jahr später fanden Mediziner in einem Liverpooler Krankenhaus im Bauchinnern etwas, das sie zunächst für einen Tumor hielten. Bei einer sechsstündigen Operation entpuppte sich dieser aber als verstrickter Haarzopf, der sich bereits um innere Organe gewunden hatte. Auch dieses Kind entkam nur knapp dem Tod. Bei ihm hatten sich Haare um den Darm gewickelt und begonnen, ihn zu perforieren.

2012 fanden indische Ärzte eine Masse aus Kreide und Haaren im Magen eines 19-jährigen Schülers. Weltweit sind insgesamt weniger als 40 Fälle eines Trichobezoars mit Rapunzel-Syndrom beschrieben. Diese Zwangsstörung findet sich laut eines Abstracts der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie vor allem bei jungen Mädchen, die neben den eigenen Haaren auch in unbeobachteten Momenten Fasern von Wolldecken, oder Kuscheltieren in sich hineinstopfen. Typischerweise verursacht das Übelkeit und Erbrechen. Möglich ist jedoch auch, dass es lange Zeit symptomlos bleibt.

Oft geht die Erkrankung mit Gewichtsverlust und scheinbarem Haarausfall einher. In 50 Prozent der Fälle liegt neben dem nach dem Märchen der Gebrüder Grimm benannten Syndrom eine weitere psychiatrische Erkrankung oder Angststörung vor. Nicht immer geht das so glücklich aus, wie nun in Zentralasien.

(wat)
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