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Zu wenig Anträge bei Krankenkassen Geld für Pflegehilfen bleibt liegen

Berlin · Pflegebedürftige haben Anspruch auf zusätzliche Leistungen, etwa im Haushalt oder bei der Betreuung. Davon profitieren auch Angehörige. Doch bei den Kassen gehen nur wenige Anträge ein.

So belastend ist die Pflege Angehöriger
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Foto: Bußkamp, Thomas

Jedes Jahr steigt die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland. Doch viele Betroffene und deren Angehörige nehmen die ihnen zustehenden Leistungen der Pflegekassen gar nicht oder nur unvollständig in Anspruch. Das gilt insbesondere für die sogenannten "zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen", die beispielsweise mehr professionelle Hilfe bei der Pflege ermöglichen, oder haushaltsnahe Dienstleistungen wie Einkaufs- oder Putzhilfen umfassen.

So ergab eine Abfrage unserer Redaktion bei den großen Pflegekassen, dass selten mehr als die Hälfte der Pflegebedürftigen auch tatsächlich die ihnen zustehenden Leistungen in Anspruch nimmt. Einzig bei der AOK Rheinland, einer der größten Kassen Deutschlands, erhielten im vergangenen Jahr 52,4 Prozent der Anspruchsberechtigten entsprechende Leistungen. Das war aber nur dann der Fall, wenn sie von einem ambulanten Pflegedienst betreut wurden. Bei Pflegebedürftigen ohne professionelle Betreuung, die nur von ihren Angehörigen umsorgt werden, lag die Quote mit 17 Prozent erheblich niedriger.

Demenzkranke erhalten 208 Euro monatlich

So differenzierte Daten legte die Barmer GEK als weiterer Riese in der Versicherungslandschaft zwar nicht vor. Die Tendenz ist aber ähnlich: So zählte man dort im vergangenen Jahr 94.500 Versicherte, die zusätzliche Pflegeleistungen in Anspruch nahmen. Bei knapp 230.000 Barmer-Versicherten in der ambulanten Pflege entspricht das einem Anteil von nur etwa 40 Prozent.

Die Deutsche BKK hat zwar deutlich weniger Versicherte, das Bild ist jedoch dasselbe. Von 36.000 Versicherten, die 2015 Anspruch auf die Leistungen hatten, beantragten nur 43 Prozent (rund 15.000 Fälle) zusätzliche Unterstützung. Bei der Techniker Krankenkasse geht man von ähnlichen Werten aus, ohne jedoch konkrete Daten liefern zu können.

Aber woran liegt es, dass das verfügbare Geld nicht abgerufen wird? Immerhin können Pflegebedürftige, die nicht dement sind und nur teilweise im alltäglichen Leben eingeschränkt sind, 104 Euro pro Monat bekommen. Demenzkranke erhalten 208 Euro monatlich, also maximal 2.448 Euro pro Jahr.

Laumann spricht von zu viel Bürokratie bei Kostenerstattung

Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), verweist zunächst auf Verbesserungen im Pflegestärkungsgesetz. Und tatsächlich konnten vor 2015 nur Demenzkranke oder deren Angehörige zusätzliche Leistungen beantragen. Laumann räumt jedoch ein, dass es mehrere Gründe für die geringe Inanspruchnahme der Leistungen gebe. "Ein Problem war bislang die Umsetzung durch einige Länder", sagte er unserer Redaktion.

Es sei Aufgabe der Länder, ihr geltendes Recht so anzupassen, dass klar werde, welche Dienste berechtigt seien, die Leistungen zu erbringen. "Hier hat NRW geschludert und viel zu lange gebraucht", kritisiert Laumann. Die Verordnung tritt an Rhein und Ruhr erst 2017 in Kraft. Zudem gebe es zu viel Bürokratie bei der Kostenerstattung. Laumann verwies darauf, dass Pflegebedürftige oftmals per Antrag bei der Pflegekasse eine Genehmigung für die Leistungen einholen müssen. "Das ist — mit Verlaub — absurd", so der Patientenbeauftragte.

Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, sieht den Bundesgesundheitsminister in der Pflicht: "Wenn ein großer Teil der Anspruchsberechtigten die gesetzlichen Entlastungsangebote nicht nutzt, muss das ein Alarmsignal für Hermann Gröhe sein." Der "Leistungsdschungel" sei für viele Pflegebedürftige und ihre Angehörigen undurchschaubar und die Leistungsangebote müssten endlich barrierefrei werden, so Brysch.

(jd)
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