Doch nicht gesundheitsschädlich Mythos Süßstoff

Berlin/Karlsruhe (RPO). Sie sind süßer als Zucker, praktisch kalorienfrei und verursachen beim Verbraucher Unruhe: Süßstoffe. Viele Menschen glauben, dass sie gesundheitsschädlich sind. Doch Wissenschaftler geben nun Entwarnung.

Was Sie über Süßstoffe wissen sollten
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Foto: AP

Appetitlich klingen sie nicht, sondern eher ungesund: die Namen der künstlichen Süßstoffe, mit denen immer mehr Lebensmittel versetzt sind. Aspartam, Acesulfam, Cyclamat, Thaumatin - die in Deutschland zugelassenen Substanzen sind praktisch kalorienfrei und haben trotzdem zum Teil eine tausendfach stärkere Süßkraft als Zucker.

Nicht wenige Verbraucher glauben allerdings, dass sie in ähnlich hohem Maße die Gesundheit schädigen. Denn immer wieder tauchen Ratgeber oder Studien auf, die vor Risiken warnen. Allein Aspartam wurde in der Vergangenheit mehrfach mit Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Allergien, Epilepsie, ja sogar mit Hirntumoren in Verbindung gebracht.

Wissenschaftlich bestätigt werden konnte offenbar keine dieser Aussagen. Deshalb sind sich das Bundesinstitut für Risikobewertung, die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) und andere Institutionen auch einig, dass die Skepsis der Verbraucher gegenüber Süßungsmitteln auf der Basis der zur Zeit verfügbaren Daten unbegründet sei. Es sei "globale wissenschaftliche Meinung" und Konsens, dass von zugelassenen Süßstoffen keine Gesundheitsrisiken ausgingen, sagt Professor Gerhard Rechkemmer, Präsident des Bundesforschungsinstituts für Ernährung und Lebensmittel (Max Rubner-Institut) in Karlsruhe.

Aufwendiges Prüfverfahren

Süßstoffe gehören zu den Lebensmittelzusatzstoffen, zu denen beispielsweise auch Farb- und Konservierungsstoffe zählen. All diese Substanzen müssen ein aufwendiges Prüfungsverfahren durchlaufen, bevor sie in der Europäischen Union beziehungsweise in Deutschland überhaupt zugelassen werden.

Die Prüfung obliege dabei internationalen, unabhängigen Expertengremien, versichert Rainer Gürtler, Experte für Lebensmittelsicherheit beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin. Der Lebensmitteltoxikologe gehört selbst einem dieser Gremien an, dem sogenannten ANS-Panel der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Dieses Panel ist für die gesundheitliche Bewertung von Lebensmittelzusatzstoffen auf EU-Ebene zuständig.

Auch Gürtler verweist auf die Studien, nach denen Süßstoffe keine Gesundheitsrisiken für den Menschen bergen. Und weist die "Gerüchte" zurück, die das Gegenteil behaupten. Die basieren zum Beispiel auf einer Aspartam-Expertise von italienischen Forschern aus dem Jahr 2005, die die Verwendung des Süßstoffs mit einer erhöhten Häufigkeit von Tumoren in Verbindung brachte. 2006 bewertete die EFSA die Daten der Italiener: "Sie boten keinen Anlass, die bisherige Bewertung von Aspartam zu revidieren", sagt Toxikologe Gürtler.

Auch die verbreitete Annahme, dass Süßstoffe dick machten, sorgt für Verunsicherung im Supermarkt. Wenngleich es schon dem Laien paradox vorkommt, warum das für nahezu kalorienfreie Süßungsmittel gelten soll. Doch hinter der Annahme steckt die Hypothese, dass Süßstoffe über ihre Geschmacksqualität die Bauchspeicheldrüse zur Insulinproduktion anregen. Dadurch sinkt der Blutzuckerspiegel. Weil der Zuckernachschub aber ausbleibt, wird der Hunger auf Süßes noch größer.

Kein Allheilmittel gegen Übergewicht

Auch diese Hypothese fand keine Bestätigung durch wissenschaftliche Experimente. Vielmehr habe sich gezeigt, dass die Insulinproduktion durch den Konsum von Süßstoffen nicht angeregt werde, erläutert Ernährungswissenschaftler Rechkemmer. Ähnlich äußert sich die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Zwar wurde laut Rechkemmer ein stärkeres Hungergefühl nach Süßstoffkonsum beobachtet, aber nur in "wenigen Studien" auf der Basis von Tierversuchen, nicht beim Menschen. Auch wer als Verbraucher regelmäßig künstlich gesüßte Lebensmittel zu sich nehme, könne also "Sättigungssignale" des Körpers erwarten.

Wann diese Sättigungssignale einsetzen, richtet sich nach wie vor nach den persönlichen Essgewohnheiten. Wer jeden Tag vor dem Fernseher oder am Arbeitsplatz unreflektiert Snacks in sich reinschaufelt und darüber hinaus bei den Mahlzeiten gut zulangt, wird auch mit Süßstoff-Produkten Gewichtsprobleme bekommen. Denn solche Waren sind meist nur kalorienreduziert und nicht kalorienfrei. Gleichwohl, und darauf weisen speziell Ernährungsexperten immer wieder hin, können Süßstoffe übergewichtigen Menschen dabei helfen, ihr Gewicht wieder ins Lot zu bringen. Speziell bei Erfrischungsgetränken seien mit Süßstoff gesüßte Varianten eine Alternative, um hohen Zuckeraufnahmen über gesüßte Getränke vorzubeugen, heißt es etwa auf der Internetseite der DGE.

Gesunde, schlanke Menschen, die sich ausgewogen ernähren, können dagegen getrost auf künstlich gesüßte Produkte mit modernen Beinamen wie "Balance" oder "Wellness" verzichten. Sie dürfen weiterhin ihren Kaffee klassisch mit Zucker veredeln oder nach dem Sport mal eine eiskalte Cola trinken. "In solchen Maßen schadet Zucker nicht", versichert Rechkemmer.

(afp)
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