Sterbende Kliniken Jedes sechste Krankenhaus steht vor der Pleite

Berlin · 18 Millionen mal müssen die Bundesbürger pro Jahr ins Krankenhaus - doch vielen Kliniken droht aus finanziellen Gründen das Aus. Verschlechtert sich die Versorgung der Patienten?

Diese Kliniken sind vor der Insolvenz
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Foto: dpa, Arno Burgi

Die Frau aus dem Schwarzwald war wütend. Das örtliche Krankenhaus sollte geschlossen werden - die Klinik in der 25 Kilometer entfernt gelegenen Kreisstadt dagegen ausgebaut. "Viele sagen, da sterben sie lieber auf der Strecke", polterte die Einwohnerin in einem Interview los. Landauf, landab gibt es Verbitterung, Proteste und Bürgerinitiativen, wenn wieder einmal einem kleinen Krankenhaus das Aus droht. Doch ein Ende der Auslese ist nicht in Sicht: Die kleine Klinik in der Nähe, zu der man mit fast allem gehen kann, hat kaum noch eine Zukunft.

Die Wirtschaftslage der Kliniken ist schlechter als je. Die Pleite droht fast jedem sechsten Krankenhaus. Betroffen sind 15 Prozent der mehr als 2000 Häuser in Deutschland, berichtet der "Krankenhaus Rating Report 2012". Steigende Löhne, schlechte Auslastung, hohe Kosten wegen eines breiten Angebots, ein geringes Einzugsgebiet - das ist für viele kommunale Kliniken ein tödlicher Mix. Geld, das Haus in Schuss zu halten und neues Gerät zu beschaffen, fehlt vielen deutschen Krankenhäusern.

Operationen sollen die Kassen füllen

Oft suchen sie ihr Heil in möglichst vielen Operationen. Von dem Anstieg bei den Behandlungen von 13 Prozent zwischen 2006 und 2010 sind laut Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) nur 40 Prozent durch die Alterung der Gesellschaft erklärbar. "Man muss immer mehr aufpassen, dass man nicht unters Messer kommt", hieß es zuletzt sogar beim Verband der gesetzlichen Krankenkassen.

"Probleme haben vor allem Krankenhäuser, die alles machen und von allem möglichst viel", sagt Studienautor Boris Augurzky vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI). Doch viele Patienten vertrauen der gewohnten Klinik mehr als einer weiter entfernten. Selbst bei einfachen Hotelbuchungen werde viel mehr im Internet verglichen, als vor mit Sorgen und Ängsten behafteten Klinikbesuchen, wundert man sich bei den Krankenkassen. Dabei gibt es - etwa mit der "Weißen Liste" - längst Suchseiten mit handfesten Hinweisen zur Güte einzelner Kliniken. "Wenn es in einem Bereich mehr Fälle gibt, dient das auch der Qualität", erläutert Augurzky.

Nicht alle der bedrohten Kliniken werden wohl schließen, wie der RWI-Experte meint. Wenn in dünn besiedelten Regionen weit und breit keine andere Möglichkeit besteht, müssten auch solche Häuser erhalten bleiben. Doch zumindest 8 Prozent der Krankenhäuser würden bis 2020 wohl dicht machen.

Wenn ein Krankenhaus schließt und die letzten Patienten verlegt werden, ist es oft schon lange zu spät. Viele Kommunalpolitiker zögern aus Angst, sich unbeliebt zu machen, Schließungen von Abteilungen oder Entlassungen hinaus. Doch auch wenn immer wieder Geld in marode Häuser gepumpt wird - irgendwann kann es schnell gehen.

Weniger Krankenhäuser mit mehr Kompetenz

Die Autoren der neuen Studie haben einen nüchternen ökonomischen Blick. Sie fordern, kranke Kliniken nicht zu päppeln - sondern, aufzugeben und das Geld in Häuser mit modernen Strukturen und speziellen Angeboten umzuleiten. Spezialisierung heißt das Zauberwort. Immer mehr Kliniken würden privatisiert. "Denkbar ist, dass sich schließlich fünf große überregionale Klinikverbünde herauskristallisieren mit insgesamt rund 60 Prozent Marktanteil."

Bisher blockierten die Bundesländer durchgreifende Reformen - sie sind für den Bestand der Krankenhäuser zuständig, die Kassen für den Betrieb. Die Forscher schlagen nun vor, die Finanzierung auf eine neue Grundlage zu stellen und den Kliniken Behandlungsrechte zu geben, mit denen sie auch handeln können.

Müssen Patienten künftig lange Wege - vielleicht zu lange - hinnehmen? Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagt: "Das Problem des weiten Fahrens ergibt sich bei planbaren Operationen in Deutschland nicht." Es sei doch widersinnig, etwas Fahrzeit einzusparen - und dafür schlechter operiert zu werden.

(dpa)
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