Gefährlicher Trend Experten warnen vor Schlafmitteln für Babys

München/Düsseldorf · Neugeborene haben ihren eigenen Tagesrhythmus, das sorgt bei vielen Eltern für Schlafmangel. Um ein paar Stunden Ruhe zu haben, verabreichen manche Väter und Mütter ihren Babys Schlafmittel. Ein lebensgefährlicher Trend, warnen Experten.

 Auf Google wird die Kombination aus den Begriffen "Schlafmittel" und "für Kinder" oder "Baby" besonders häufig gesucht.

Auf Google wird die Kombination aus den Begriffen "Schlafmittel" und "für Kinder" oder "Baby" besonders häufig gesucht.

Foto: Google Screenshot

"Ich würde gerne mal wieder acht Stunden schlafen, aber eigentlich will ich meinem Kleinen keine Schlafmittel geben. Nur mein Körper bricht unter der Müdigkeit zusammen." Oder: "Das ist meine letzte Option, endlich mal wieder eine Nacht schlafen zu können."

Elternforen sind voll von Einträgen dieser Art. Meist folgen darauf heftige Diskussionen - denn vielen Laien ist offenbar nicht klar, ob es in Ordnung oder vielleicht doch gefährlich ist, Kleinkindern Schlafmittel zu geben, wenn diese einfach nicht durchschlafen wollen.

Finger weg von rezeptfreien Medikamenten

Mediziner haben auf diese Fragen eindeutige Antworten: "Auch rezeptfreie Medikamente können großen Schaden anrichten", sagt Herman Josef Kahl, Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), "denn Schlafmittel können bei Kindern einen Atemstillstand auslösen." Weitere Risikofaktoren sind psychische Abhängigkeit sowie Schäden an innere Organen wie Leber und Nieren.

Auch Einschätzungen des bayerischen Gesundheitsministeriums bestätigen, dass inzwischen immer mehr Eltern ihren Kindern Schlafmittel geben. "Diesen gefährlichen Trend, den Kinderärzte und Wissenschaftler derzeit beobachten, müssen wir stoppen", sagte Ministerin Melanie Huml (CSU) und warnte vor "schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen für die Kinder".

Offizielle Zahlen dazu, wie oft Kinder Schlafmittel verabreicht bekommen, gibt es allerdings keine. Das bestätigen der BVKJ und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Eine Erhebung zu verschriebenen Schlafmitteln für Kinder des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts, die im Jahr 2015 öffentlich wurde, bezeichnet das Institut selbst inzwischen wegen eines Fehlers bei der Datenerhebung als nicht valide.

Babys haben keinen Tag-Nacht-Rhythmus

Kinderarzt Kahl kann deshalb nur ganz allgemein warnen: "Ich hätte als Arzt Bauchschmerzen, so etwas zu verschreiben. 90 bis 95 Prozent der Kinder sind gesund. Sie haben nur einen anderen Schlafrhythmus." Während sich Eltern vor allem nachts schlafen legen, ist es für Babys ganz normal, sich innerhalb von 24 Stunden immer wieder Schlaf zu holen. Der Zeitraum kann dabei mal zehn Minuten betragen oder auch mal drei Stunden.

"Für Eltern ist dieser unstete Schlaf aber auf Dauer sehr schwierig", sagt Kahl. Ob ein Kind vielleicht doch an einer krankhaften Schlafstörung leidet, kann nur ein Arzt entscheiden. Dafür sind verschiedene neurologische Untersuchungen nötig.

Im Mittelalter hätten Kinder abends einen Löffel Schnaps bekommen, damit sie tief und fest schlafen, sagt Kinderarzt Kahl. Ob das schlimmer ist als Schlafmittel? "Man sollte beides nicht machen", sagt Kahl. Auch von pflanzlichen Schlafmitteln rät er ab, weil man nie wissen könne, wie sie sich auf Kinder auswirken.

Sein Rat: Die Eltern brauchen Schlaf, nicht die Kinder. "Die Mütter müssen ihre Erschöpfung loswerden. Da empfehle ich den Einsatz der Verwandtschaft oder auch von Bekannten." Die müssten drei bis vier Stunden am Tag mit den Kleinen spazieren gehen, damit die Mutter oder auch beide Elternteile Schlaf nachholen können.

Ist das Kind langfristig gar nicht zu beruhigen, empfiehlt Kahl den Besuch einer Schreiambulanz.

(ham)
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