Blasenentzündung, Verstopfung "Ekelige Schultoiletten machen krank"

Düsseldorf · Alt, versifft, marode: Die Toiletten in vielen Schulen sind eine Zumutung. Einige Kinder erkranken sogar, weil sie sich aus Ekel den Gang zur Toilette verkneifen. Viele Städte aber haben kein Geld, um die Sanitäranlagen zu sanieren.

 Markus Wölke, stellvertretender Leiter des Humboldt-Gymnasiums in Neuss, in der sanierungsbedürftigen Toilette der Schule.

Markus Wölke, stellvertretender Leiter des Humboldt-Gymnasiums in Neuss, in der sanierungsbedürftigen Toilette der Schule.

Foto: Endermann, Andreas

Es dauerte eine ganze Weile, bis Nadja Tatros-Tajer das Rätsel gelöst hatte. In die Praxis der Essener Hausärztin kamen auffällig viele junge Patienten mit denselben Problemen: Blasenentzündungen, Verstopfung, unerklärliche Bauchschmerzen. Wenn sie die Kinder und Jugendlichen befragte, erzählten viele von ihnen, dass sie in der Schule nicht auf Toiletten gingen. "Sie ekeln sich, weil die Sanitäranlagen kaputt sind, stinken oder beschmiert sind", berichtet die 67-Jährige. Sie schlägt nun Alarm: "Solche Toiletten machen die Kinder krank. Wenn Blasenentzündungen oder Verstopfungen chronisch werden, können sie ihr Leben lang damit Probleme haben."

Keine Seife, kein Klopapier, kaputte Urinale: In vielen Städten in Nordrhein-Westfalen sind die Schultoiletten ein übelriechender Sanierungsfall. Besonders schlimm ist die Lage auch in Neuss. Seit Jahren kämpft der Stadtelternrat für neue Sanitäranlagen. "Viele Kinder haben sich schon in der Grundschule abgewöhnt, aufs Schulklo zu gehen, und halten lieber aus, bis sie mittags zu Hause sind", sagt die Vorsitzende Ute Breuer.

Dabei geht es weniger um das, was Breuer "Forscherdrang" nennt: Eine Faszination für die Sechs-Meter-Klopapierschlange, die beim Spülen verschwindet, gab es schon immer. Dass Schultoiletten mal verstopft sind oder etwas danebengeht, ist ebenfalls nichts Neues. "Aber das, was wir an vielen Schulen sehen, ist ein Dauerzustand — seit Jahren."

Alte Sanitäranlagen

Vielen Schulleitern sei das Problem eher peinlich, sagt sie. Zu groß ist die Angst, dass Eltern ihre Kinder nicht anmelden, in der Annahme: Wenn die Schule nicht einmal die Toiletten in den Griff bekommt — was läuft dann wohl noch alles schief? Dabei können die Schulen meist nichts dafür: Die Toiletten sind oft so alt wie die Gebäude selbst, der Dreck von Jahrzehnten hat sich in Fließen und Waschbecken gesammelt. Am Neusser Humboldt-Gymnasium beispielsweise sind die Toiletten in 45 Jahren Schulgeschichte kein einziges Mal saniert worden. "Das riecht man auch", sagt Markus Wölke, stellvertretender Schulleiter. Die Plastikrohre sind brüchig, ab und an stehen die Schüler in einer Wasserpfütze. "Man müsste das dringend austauschen", sagt er. Die Antwort der Städte dürfte von Emmerich bis Essen gleich ausfallen: Es fehlt das Geld.

Viele Schulen versuchen deshalb, das Problem selbst zu lösen. Einige haben mittlerweile eine Toilettenmaut eingeführt. Entweder zahlen die Eltern einen Betrag an den Förderverein, der dafür eine zusätzliche Reinigungskraft einstellt. Oder Schüler zahlen pro Gang, wie an der Wilhelm-Kraft-Gesamtschule in Sprockhövel. Dort können die Schüler zwischen gebührenfreien Toiletten und Premium-Klos wählen. Ein Besuch auf den mit einer Servicekraft besetzten Toiletten kostet zehn Cent. Der Kreis als Schulträger muss allerdings Geld zuschießen, da die Einnahmen nicht reichen, um die Servicekraft zu bezahlen.

Auch die Anne-Frank-Realschule in Düsseldorf hat das versucht. Einen Euro pro Monat sollte jeder Schüler freiwillig zahlen, um damit eine Toilettenaufsicht zu finanzieren. Das Konzept scheiterte am Widerstand der Eltern. An der Gesamtschule Berger Feld in Gelsenkirchen müssen die Schüler selbst ran: Als Hygienehelfer werden sie gerufen, wenn irgendetwas daneben gegangen ist. Jede Klasse hat im Wechsel Putzdienst — seitdem sind die Toiletten deutlich sauberer, heißt es aus der Schule.

Schüler setzen sich ein

Auch in der Realschule Süd in Duisburg packten die Schüler selbst an. Sie holten sich Hilfe bei der Architektenkammer, sammelten alte Handys und ungültige Münzen, die sie bei einer Bank tauschten. Firmen sponserten Waschbecken und Seifenspender, die Schüler planten die Anlage mit einer Architektin und überlegten sich, wie man Vandalismus eindämmen könnte.

Schultoiletten waren und sind ein Problem — und das nicht nur in NRW. "Wir bekommen bundesweit Zuschriften", sagt Thilo Panzerbieter. Er ist Gründer der "German Toilet Organization", die den Wettbewerb "Toiletten machen Schule" ausgerufen hat. Die drei Schulen mit den besten Ideen gegen verschmutzte Klos und Waschräume gewinnen ein Sanierungspaket. "Schüler sollten sich nicht gezwungen fühlen, ihre Bedürfnisse einzuhalten oder weniger zu trinken, damit sie nicht auf die Toilette müssen."

(RP/anch/rm)
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