Neue Studie Das Gesundheitssystem überfordert die Deutschen

Berlin · Eine Studie zeigt, dass gesetzlich Versicherte in Deutschland zu wenig über Gesundheitsfragen wissen. Selbst Akademiker tun sich schwer. Im europäischen Vergleich ist die Lage nur in Bulgarien schlechter.

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Foto: AOK Mediaservice

Die Mehrheit der gesetzlich Versicherten in Deutschland hat Schwierigkeiten, einfache Fragen rund um die eigene Gesundheit und zum deutschen Gesundheitssystem zu beantworten. Die Gesundheitskompetenz der Deutschen ist damit im europäischen Vergleich nur unterdurchschnittlich gut entwickelt. Zu diesem Ergebnis kommt eine noch unveröffentlichte Studie des Wissenschaftlichen Instituts der Krankenkasse AOK (Wido), die unserer Redaktion vorliegt.

Die Ergebnisse der Studie erinnern an den Pisa-Schock: Beim Wissen um die Gesundheit steht Deutschland auch nicht viel besser da als bei den vielen Schulstudien der vergangenen Jahre. Im Vergleich von acht europäischen Ländern, in denen die Bevölkerung für die Gesundheits-Studie befragt wurde, liegt Deutschland auf dem vorletzten Platz.

Nur die Bulgaren sind noch weniger in der Lage, sich im eigenen Gesundheitssystem zurechtzufinden. Die Gesundheitskompetenz der Österreicher, der Griechen, der Spanier, der Iren, der Niederländer und der Polen ist hingegen höher als die der Deutschen.

Schwierigkeiten, Arztinformationen umzusetzen

Einige Ergebnisse im Detail: Bei 60 Prozent der Kassenpatienten ist der Studie zufolge die Fähigkeit, sich im deutschen Gesundheitssystem zurechtzufinden und individuell Krankheiten zu bewältigen beziehungsweise die eigene Gesundheit zu erhalten, "problematisch" oder "unzureichend".

Aus der Studie geht beispielsweise auch hervor, dass jeder vierte Versicherte sogar Schwierigkeiten hat, Arztinformationen eigenverantwortlich umzusetzen. Das heißt, in diesen Fällen besteht die Gefahr, dass Patienten die falschen Entscheidungen treffen und sich den Therapien nicht oder nicht richtig unterziehen. Ein kleinerer Teil, aber immerhin jeder zehnte Kassenpatient, hat Schwierigkeiten, Anweisungen von Arzt oder Apotheker zur richtigen Einnahme von Arzneimitteln zu befolgen.

Manche finden erst gar nicht den Weg zum Mediziner. So geben 27 Prozent an, dass es ihnen schwer fällt herauszufinden, wo sie professionelle Hilfe erhalten können. Alarmierend: Je kränker die Menschen sind, desto größer sind ihre Schwierigkeiten, im Gesundheitssystem klar zu kommen.

In der Wissenschaft ist das Problem mittlerweile angekommen. Deutschlandweit laufen derzeit noch weitere Studien, um genauer festzustellen, wo die Defizite liegen und wie den Versicherten geholfen werden kann.

"Bild vom souveränen Patienten hat Kratzer"

"Wir müssen feststellen, dass das Bild vom souveränen Patienten Kratzer bekommen hat", sagt der Chef des AOK-Bundesverbandes Jürgen Graalmann. "Selbst Akademiker haben Probleme, gesundheitsrelevante Informationen zu verstehen." Er nannte die Ergebnisse "überraschend" und forderte, dass "gesundheitliche Bildung" auch im Schulunterricht stärker verankert werden müsse.

Für den Geschäftsführer der Unabhängigen Patientenberatung, Sebastian Schmidt-Kähler, gehören überforderte Patienten zum Alltag. Die meisten Kommunikationsschwierigkeiten sieht er im Verhältnis zwischen Ärzten und Patienten sowie zwischen Patienten und den Krankenkassen.

Deutschlands oberster Patientenberater fordert: "In der Ausbildung der Mediziner muss auch Kommunikation gelehrt werden." Schmidt-Kähler schränkt zugleich ein, dass die Ärzte in Kommunikation noch so gut geschult sein könnten, wenn die Zeit für die Patienten fehle, nutze die Ausbildung auch nichts. Die Krankenkassen sieht er in der Pflicht, noch stärker in die Kommunikation mit ihren Versicherten einzusteigen.

(qua)
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