Studie aus Nordrhein-Westfalen 96 Prozent der Masthähnchen erhalten Antibiotika

Düsseldorf · Fast alle Hähnchen aus deutschen Mastbetrieben erhalten einer Studie zufolge Antibiotika. Die Züchter setzten die Medikamente zum Wachstumsdoping oder zum Gesundheitsdoping ein, erklärte Nordrhein-Westfalens Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne) am Dienstag in Düsseldorf als Auftraggeber der Studie. Der Deutsche Bauernverband und die Geflügelwirtschaft erklärten, die Ergebnisse "sehr ernst" zu nehmen.

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Foto: dpa, Federico Gambarini

Teile der Studie waren bereits Ende Oktober bekannt geworden und hatten eine erste Debatte über den Antibiotika-Einsatz in der Geflügelzucht ausgelöst. Den nun vorgelegten Endergebnissen der von Februar bis Juni geführten Untersuchung zufolge wurden in Nordrhein-Westfalen 96,4 Prozent der untersuchten Tiere mit entsprechenden Wirkstoffen behandelt. Damit war weniger als jedes 25. Masthähnchen unbehandelt.

Laut Remmel sind die Studienergebnisse bundesweit übertragbar. "NRW ist hier kein Sonderfall, sondern steht exemplarisch." Remmel machte den Züchtern massive Vorwürfe und warf ihnen vor, womöglich gegen Recht verstoßen zu haben. "Entweder es handelt sich um Wachstumsdoping - was seit 2006 europaweit verboten ist. Oder aber das System der Tiermast ist derart anfällig für Krankheiten, dass es ohne Antibiotika nicht mehr auskommt. Das ist dann Gesundheitsdoping." Wenn die Hähnchenmast nur noch mit Antibiotika funktioniere, sei für ihn klar, dass diese Art von Massentierhaltung keinen Bestand haben könne.

Überwachungsprogramm angekündigt

Der Deutsche Bauernverband und der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft kündigten als erste Konsequenz an, zusammen mit Tierärzten ein Überwachungsprogramm in Deutschland einzuführen, um die Antibiotikaabgaben bundesweit auszuwerten. Zugleich relativierten die Verbände aber die Zahlen zu den Medikamentengaben: In Deutschland gebe es einen im EU-Vergleich ohnehin niedrigen Antibiotika-Einsatz, der nun mit Hilfe der besseren Überwachung weiter minimiert werden solle.

Außerdem erklärten Bauernverband und Geflügelwirtschaft, "dass trotz der ermittelten Antibiotikaabgaben Geflügelfleisch bedenkenlos verzehrt werden kann".
Wie die Studie weiter ergab, kamen bei den untersuchten Durchgängen der Aufzucht der Hähnchen in deren etwa 30 bis 35 Tage dauernden Leben eine Vielzahl von Wirkstoffen zum Einsatz. Im Durchschnitt seien pro Zuchtdurchgang drei verschiedene Antibiotika verabreicht worden, in der Spitze erhielten die Hähnchen bis zu acht verschiedene Antibiotika.

Im Durchschnitt seien die Medikamente 7,3 Tage verabreicht worden.
Bei 53 Prozent der Behandlungen wurde das Medikament der Studie zufolge allerdings nur ein bis zwei Tage verabreicht und lag damit außerhalb der Zulassungsbedingungen für bestimmte Antibiotika. Bei zu kurzen Gaben können Bakterien gegen Antibiotika Resistenzen entwickeln.

Die Studie untersuchte in insgesamt 182 Betrieben in Nordrhein-Westfalen 962 Zuchtdurchgänge. Nach Angaben des Landesministerium war es die erste Studie dieser Art in Deutschland. Als Konsequenz aus den bereits vor gut zwei Wochen bekannt gewordenen Ergebnissen hatte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) angekündigt, den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung neu regeln zu wollen, um eine Minimierung der Antibiotika-Mengen zu erreichen.

(AFP/das)
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