Sprechstunde Neurodermitis bei Kindern

Genetische Faktoren spielen beim sogenannten Atopischen Ekzem eine wichtige Rolle. Es muss möglich rasch behandelt werden.

Unsere Leserin Sandra K. (31) aus Mönchengladbach fragt: "Unser dreijähriger Sohn hat seit Wochen einen stark geröteten und quälend juckenden Hautausschlag in Ellenbeugen und Kniekehlen. Ist das Neurodermitis? Und was können wir tun?"

Tim Niehues Ihr Sohn hat das typische Bild eines Atopischen Ekzems, das zu den allergischen (atopischen) Erkrankungen gehört. Der Begriff "Neurodermitis" ist unglücklich, weil hier psychischer Stress als Hauptursache suggeriert wird. Vielmehr spielen genetische Faktoren eine wichtige Rolle: Sind beide Eltern Atopiker, besteht für das Kind eine Wahrscheinlichkeit von 50 bis 80 Prozent für eine allergische Erkrankung. Ursache des Atopischen Ekzems ist ein noch nicht genau aufgeklärter Barrieredefekt der Epidermis (oberste Hautschicht). Deren Fette und Eiweiße weisen bei Kindern mit Ekzemen häufig Veränderungen auf. Die Haut verliert in der Folge des Barrieredefektes an Feuchtigkeit und reißt ein; Allergene und Hautbakterien können leichter eintreten und befördern eine Entzündung mit kaum aushaltbarem Juckreiz. "Erfolgreiches" Kratzen verstärkt die Entzündung und verletzt die Barriere zusätzlich. Konsequentes Schneiden der Fingernägel mögen Kinder zwar nicht, macht ihr Kratzen aber stumpfer.

Ziel der Hautpflege ist es, die Barrierefunktion der Haut wieder herzustellen und früh den Teufelskreis aus Entzündung, Juckreiz und Barrieredefekt zu durchbrechen. Es gilt die Maxime: feucht auf feucht, trocken auf trocken. In den ersten Tagen wird mit feuchten Umschlägen (Schwarztee) gearbeitet. Bei Infektion des Ekzems müssen Antibiotika gegeben werden. Ab Tag drei folgt eine Hautpflege mit Salben, Cremes oder Lotionen, die je nach Ekzem, Alter, Lokalisation und Jahreszeit in ihrer Zusammensetzung unterschiedlich sind: anfangs mit einem Wasser-zu-Fett-Anteil von etwa 2/3 zu 1/3, später 50:50. Der Basispflege können Harnstoff (der Wasser in der Haut bindet) und infektionshemmende Substanzen (Tricosan, Chlorhexidin) zugefügt werden. Nach dem Prinzip "Wehret den Anfängen!" sind kortisonhaltige Salben möglichst früh einzusetzen. Bei begrenztem Einsatz treten keine Nebenwirkungen auf. Ein Schlüsselbestandteil der Therapie sind gute Aufklärung und Patientenschulung (Kosten von den Kassen übernommen).

Kratzende Kleidung oder Trigger in der Nahrung wie Kuhmilch, Ei (bei Säuglingen), Weizen, Soja, Nüsse, Meeresfrüchte (bei älteren Kindern) oder säurehaltige Nahrungsmittel (Tomaten) können Schübe auslösen und sind zu meiden. Die Prognose des Atopischen Ekzems ist gut: 70 bis 80 Prozent der Kinder verlieren es bis zum 12. Lebensjahr.

(RP)
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