Rückenschmerzen, Herzprobleme, Sehstörungen Diese Leiden kommen von den Zähnen

Mönchengladbach/Hamburg · Wer Probleme mit dem Rücken hat, der lässt in der Regel den Orthopäden nach den Ursachen suchen. Doch manchmal sind es nicht Bandscheibe und Ischiasnerv, die für die schlimmen Schmerzen sorgen, sondern es sind die Zähne. Lesen Sie hier, welche Krankheiten sie verursachen können und was man dagegen tun kann.

Zahnkrankheiten sind nicht nur eine optische Sache, sie können schwere Krankheiten wir Herzinfarkte, Rückenleiden oder Rheuma verursachen.

Zahnkrankheiten sind nicht nur eine optische Sache, sie können schwere Krankheiten wir Herzinfarkte, Rückenleiden oder Rheuma verursachen.

Foto: AXL/ Shutterstock.com

Bei höllisch pochenden Zahnschmerzen ist der Fall klar: Nur der Zahnarzt kann helfen. Bei Knieproblemen, Gelenkentzündungen, immer wiederkehrenden Lungenentzündungen oder Bluthochdruck denkt hingegen niemand an diesen Facharzt. Dabei kann er genau der richtige Ansprechpartner sein. Denn Erkrankungen der Zähne wie Karies, Zahnfleischentzündungen oder Kieferfehlstellungen haben weit mehr Einfluss auf die Gesundheit, als die meisten denken.

Kranke Zähne oder entzündetes Zahnfleisch können das Risiko für viele Erkrankungen erhöhen. Denn Kariesbakterien oder die Parodontitis — also Zahnbettentzündungen — auslösenden stäbchenförmigen Bakterien breiten sich unter Umständen im ganzen Körper aus und verursachen dann weit schlimmere Erkrankungen.

Angeschlagenes Immunsystem, Blasen- und Prostataprobleme

In unserer Mundhöhle tummeln sich unzählige Bakterien. Das an sich ist kein Problem, werden sie durch eine gute Mundhygiene in Schach gehalten. Bei weniger putzfreudigen Menschen gerät das Gleichgewicht zwischen gesunden und schädlichen Bakterien hingegen in eine Schieflage. Schädliche Kariesbakterien, die sich zum Beispiel in weißlichen Ablagerungen auf den Zähnen explosionsartig vermehren, greifen die Zahnsubstanz an, indem sie Kohlenhydrate zu Säuren verstoffwechseln. Dadurch entwickelt sich Karies.

Ist das Loch erst einmal da, arbeiten sich die Bakterien bis zum Zahnmark und den Nervenbahnen vor. Aus einer zunächst oberflächlichen Schmelzkaries kann dann leicht eine Entzündung entstehen, die sich immer weiter ins Gewebe hinein ausdehnt. "Über die Blutgefäße im Kiefer verteilen sich die Bakterien sich im ganzen Körper", sagt Karsten Troldner, Spezialist für Wurzelbehandlungen in der Praxis Zahnärzte MG in Mönchengladbach. Besonders schwierig und folgenreich kann das in Fällen sein, in denen die Kariesbakterien zwar zum Untergang des Zahnnerves geführt haben, das aber vollkommen schmerzfrei und damit unbemerkt geschehen ist.

Auch bereits behandelte Zähne können zum Übeltäter werden

Über die Lymphbahnen kommt es zu einer Ausbreitung der Erreger im ganzen Körper, die überall im Körper zu Entzündungen führen kann. Das zwingt auch das Immunsystem in die Knie. Neben akuten Wurzelentzündungen machen nach Troldners Erfahrung oftmals Zähne Ärger, die zwar wurzelbehandelt sind, bei denen aber die Behandlung nicht erfolgreich war. "Der Grund dafür kann in einer Krümmung der Wurzelspitze liegen oder in Wurzelkanälen, die nicht erreicht wurden", erläutert der Mönchengladbacher Endodontologe.

Wissenschaftler, die den Auswirkungen solcher Herde auf der Spur sind, haben sogar Hinweise auf Zusammenhänge zwischen abgestorbenen Wurzeln und Rückenschmerzen, Prostataproblemen, Entzündungen der Kiefer- und Nasennebenhöhlen und Blasenbeschwerden gefunden.

Hoher Blutdruck und Herz- Kreislauf-Beschwerden

Neben Karies gelten zudem Entzündungen am Zahnhalteapparat als Auslöser für folgenschwere, körperliche Beschwerden. Aus kleinen Wundflächen in Zahnfleischtaschen können faustgroße Infektionsherde werden, die über Nervenbahnen und Blutgefäße den gesamten Organismus schädigen. Der Körper reagiert dann mit der Ausschüttung von Entzündungsstoffen.

Ähnlich wie bei Kariesbefall an den Zähnen, gelangen bei einer chronischen Parodontitis ebenfalls Bakterien in den Blutkreislauf. Bleibt eine akute Zahnfleischentzündung unbehandelt, verschleppt der Betroffene die Entzündung. Die Erreger sind dann in der Lage Erkrankungen wie Lungen- oder Gelenkentzündungen auszulösen und erhöhen zudem das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen wie einen Schlaganfall oder eine koronare Herzkrankheit. Denn die ständig im Körper kreisenden Entzündungsstoffe bewirken ein Verhärten der Gefäßwände.

Das Risiko einen Herzinfarkt zu erleiden steigt bei einem Menschen mit Parodontitis aus diesem Grund auf das Doppelte an. Furchtbare Auswirkugen kann die Zahnbetterkrakung zudem bei Schwangeren haben. Die Gefahr, eine Frühgeburt zu erleiden, schnellt um das 7,5-fache in die Höhe. Die Experten raten darum dazu, bereits vor der Familienplanung einen Besuch beim Zahnarzt einzuplanen und auch während einer bestehenden Schwangerschaft regelmäßig zur Vorsorge zu gehen. Besonders tückisch sind chronische Zahnfleischentzündungen, weil diese oft nur wenig oder gar nicht mehr bluten und darum von den Betroffenen selbst nicht bemerkt werden.

Warum Diabetiker leben mit höherem Risiko

Ihren Zahnstatus sollten daneben vor allem Diabetiker im Auge behalten. "Studien belegen, dass es eine Beziehung zwischen Diabetes und einer Parodontitis gibt", sagt Zahnarzt Troldner. Eine schlecht eingestellte Zuckerkrankheit erhöhe die Wahrscheinlichkeit für Zahnbettentzündungen um das 3,5-fache. Diabetiker werden diese nicht so schnell wieder los, weil ihre Grunderkrankung eine schlechtere Wundheilung mit sich bringt. Umgekehrt verschlechtert sich durch eine Parodontitis der Blutzuckerspiegel. Laut Troldner kann man darum den Blutzucker eines Diabetikers nicht gut einstellen, solange er die Entzündung in sich trägt.

Die Zahnbettentzündung wieder loszuwerden, kann ein langwieriger Prozess sein. Der Zahnarzt beginnt in der Regel mit einer mechanischen Reinigung der Zahntaschen. Dabei säubert er die Oberflächen von den schädlichen Bakterienbelägen. Im Einzelfall kann es zusätzlich sinnvoll sein ein Antibiotikum einzunehmen.

Rücken- und Knieschmerzen nehmen kein Ende

Schon minimale Fehlstellungen im Kiefer reichen aus, um eine Schmerzkette in Gang zu bringen. "Manche Patienten bemerken beispielsweise bei neuen Füllungen oder Kronen einen Unterschied, der im Größenbereich eines Staubkorns zu suchen ist", sagt Zahnarzt Karsten Troldner. Kleinste Fehlstellungen oder Veränderungen im Biss setzen sich dann von oben nach unten durch den Körper fort und können zu Verspannungen, Fehlhaltungen im Becken oder den Beinen führen und in Folge dessen zu Nacken-, Rücken oder auch Knieschmerzen.

Ein Patient, dessen chronische Rückenschmerzen von keinem Orthopäden kuriert werden können, deckt nach jahrelanger Ärzteodyssee auf, dass er nicht — wie zunächst angenommen — an einem Bandscheibenvorfall leidet. Hinter seinen Beschwerden steckt ebenso wenig eine Erkrankung des Rückgrats, sondern eine craniomandibulären Dysfunktion (CMD), was eine Fehlstellung und Fehlfunktion der Kiefergelenke meint.

Millionen leben mit Kieferfehlstellung

In diesem Fall ist das Miteinander der Kaumuskulatur, des Kiefergelenks und der Zähne gestört. Rund sieben Millionen Menschen in Deutschland leiden darunter, sagt der CMD-Dachverband e.V., in dem sich Physiotherapeuten, Zahnärzte, Osteopathen und Manualtherapeuten zusammengeschlossen haben. "Die Kaumuskeln sind dann zu stark aktiv, der Patient beißt sich regelrecht durch und diese aktiven Kaumuskeln geraten dann in eine Art Muskelkater", sagt Dr. M. Oliver Ahlers, Zahnärztlicher Leiter des CMD-Zentrums in Hamburg-Eppendorf.

Auch Tinnitus, eine Hörminderung, Kopfschmerzen, Schmerzen im Bereich der Ohren sowie im Gesicht oder Schwindel können auf diesen Auslöser zurückgehen. Um Schmerzen und Verspannungen hinter sich zu lassen, sind Aufbisschienen ein probates Mittel, dem Patienten zu helfen. Bei rund 30 Prozent der Tinnitus-Patienten verschwindet laut Prof. Bernd Koeck, Direktor der Klinik für Zahnärztliche Prothetik des Uniklinikums Bonn, durch eine solche Schiene das Dauerpiepsen im Ohr.

Hautausschläge, Durchfälle und Schwindel

Neben akuten Erkrankungen des Mund- und Zahnraums kann aber auch eine abgeschlossene Zahnbehandlung erst zu Problemen führen. Durchfälle, Herzrhythmusstörungen, Schlafstörungen, Schwindel, Sehstörungen und Gelenkschmerzen können laut Prof. Franz-Xaver Reichl von der Zahn-Poliklinik der Uni München ebenso wie Entzündungen der Mundschleimhaut, Hautreaktionen oder akute Zahnfleischentzündungen eine allergische Reaktion auf verwendete Zahnmaterialien sein.

Schon lange bekannt sind Reaktionen auf Amalgam. "Das toxische Schwermetall wurde auch bereits im Fötus nachgewiesen", sagt Zahnmediziner Karsten Troldner. Besonders kritisch sind das Einbringen und Entfernen solcher Füllungen, die aber dennoch bis heute von den Krankenkassen als Standardfüllungen verstanden und auch nur übernommen werden. Daneben sind jedoch auch Komposit-Füllungen umstritten. Ihnen werde laut Troldner eine östrogenartige Wirkung nachgesagt, die bislang jedoch nur in Studienansätzen belegt sei.

Probleme können zudem alte Kronen aus früher verwendetem Palladium machen. Sie führen häufig zu Zahnfleischentzündungen. Weitestgehend aus dem Weg gehen kann man solchen Problemen durch die Verwendung von Zierkonoxidkeramik, die für Kronen wie auch für Implantate verwendet wird. "Das Allergierisiko geht bei solchen Biokronen gegen Null", sagt Troldner. Allerdings muss man die größtenteils aus eigener Tasche bezahlen.

(wat)
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