Falsche Schuhgrößen Wie wir unsere Füße quälen

Salzburg/Frankfurt (RPO). Die meisten Deutschen tragen Schuhe, die ihnen nicht passen. Während mehr als die Hälfte der Kinder zu kleine Schuhe tragen, laufen zwei Drittel der Erwachsenen auf zu großen Latschen. Das hat gravierende Auswirkungen auf die Gesundheit der Füße. Welche das sind und was beim Kauf von Kinder- und Erwachsenenschuhen wichtig ist, erfahren Sie hier.

10 Fakten rund um Füße und Schuhe
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In den Industriestaaten leiden 60 Prozent der Erwachsenen an Fußproblemen, obwohl 98 Prozent von ihnen mit gesunden Füßen zur Welt kommen. "Experten gehen davon aus, dass falsches Schuhwerk die Hauptursache dafür ist", sagt Dr. Monika Richter. Die Forscherin leitete den Deutschen Fußreport und untersuchte dazu mit dem Prüf- und Forschungsinstitut Pirmasens (PFI) und mit dem Bekleidungsphysiologischen Institut Hohenstein die Füße von über 10.000 Frauen und Männern. Das Ergebnis: Der Deutschen Füße sind nicht länger geworden, wohl aber breiter und voluminöser.

Erwachsene tragen zu große Schuhe

Der Fuß ist das Gegenstück zur Hand. Ein hoch ausgebildetes, sensibles Körperteil, mit dem wir tasten, greifen und fühlen können. Dennoch behandeln die meisten Menschen ihre Füße wie ein ungeliebtes Kind: Nur bei einem Fünftel der Probanden stimmt die Schuhgröße, die am häufigsten gekauft wird, auch mit der anatomisch korrekten überein. Rund 82 Prozent kaufen und tragen Schuhe in einer Größe, die nicht ihren Maßen entspricht.

Dabei wählen die Deutschen mehrheitlich zu große Schuhe. Besonders die Männer: 75 Prozent von ihnen laufen in zu großen oder zu langen Schuhen. Bei den Frauen sind es 60 Prozent. Zu kleine Schuhe tragen laut Studie 20 Prozent der Frauen und 12 Prozent der Männer.

Kinderschuhe sind zu klein

Alarmierend sind auch verschiedene Untersuchungen zur Passgenauigkeit von Kinderschuhen. Durchschnittlich tragen mehr als die Hälfte der Kinder zu kurze Schuhe. Sogar Kinder, die fünf Größen zu kleine Schuhe tragen, kamen den österreichischen Forschern vor die Messlatte. Noch schockierendere Ergebnisse erhielten sie bei Messungen in Kindergärten. 88 Prozent der Sprösslinge steckt demnach in zu kurzen Hausschuhen. Mit gravierenden Folgen: Schon in jungen Jahren werden die Füße deformiert und für immer geschädigt.

Das Problem sind in der Regel nicht unaufmerksame Eltern, die das Größenwachstum der Füße ihrer Knirpse nicht im Auge hätten, sondern die Schuhgrößen-Auszeichnung. Sie ist selten korrekt und das weder bei Erwachsenenschuhen noch beim Schuhwerk für die Kinder.

Ähnliche Ergebnisse lieferte eine Untersuchung deutscher Betriebskrankenkassen. 1000 Kinderfüße wurden in Bayern, Rheinland-Pfalz und Hessen vermessen. Zwölf Prozent der Kinder aus Bayern und Rheinland-Pfalz und 28 Prozent der hessischen Kinder zeigten orthopädische Auffälligkeiten und sollten medizinisch betreut werden.

Zehenfehlstellungen als Folge

"Wir wissen, dass zu kurze Schuhe die noch weichen Kinderfüße schädigen. Und weil Kinder nicht spüren, ob Schuhe zu kurz sind, zwängen sie sich hinein", erklärt Untersuchungsleiter aus Österreich und Sportwissenschaftler, Dr. Wieland Kinz. Die gesundheitlichen Schäden zeigen sich dann in der Winkelstellung der großen Zehen: Rund drei Viertel der Kinder zeigten unnatürliche Krümmungen, teilweise mehr als 10 Grad. Sollten etwa zu kurze Schuhe dafür verantwortlich sein? Die statistischen Berechnungen ergaben eindeutig: Ja, denn je kürzer die Schuhe, desto gravierender die Schiefstellung der großen Zehe.

Hallux Valgus ist der medizinische Fachbegriff für den schiefen Zeh, mit dem auch viele Frauen bedingt durch zu spitze und hohe Schuhe Probleme haben. Die Großzehe wird immer mehr zur Fußinnenseite gedrückt und der Ballen wölbt sich nach außen. Ist der Zeh um 20 Grad oder mehr gebogen, entsteht eine schmerzhafte Erkrankung, die Entzündungen hervorrufen kann.

Auch zu große Schuhe sind schädlich

"Manche Menschen laufen jahrelang ohne Probleme mit einer Schiefzehe", sagt Dr. Norbert Becker, Orthopäde und Fußspezialist aus Tübingen. "Aber die Fehlstellung kann auch zu einer starken Abnutzung des Gelenkknorpels und zu Arthrose führen. Dadurch, dass der Schuh am Ballen drückt und reibt, können zusätzlich Entzündungen, Schwellungen und sogar Knorpelschäden entstehen." Ähnliches bestätigt Dr. Wieland Kinz, der von Veränderungen des Bewegungsmusters und Schäden an den Gelenken und der Wirbelsäule spricht.

Allerdings sind zu große Schuhe nicht minder schädlich für den Fuß. Orthopäde Dr. Becker erklärt: "Sind die Schuhe zu weit, findet der Fuß keinen Halt und rutscht in den zum Abrollen gedachten Leerraum im Schuh." Dadurch werden die Zehen bei jedem Schritt genauso gestaucht, als sei der Schuh zu klein. Gleichzeitig ist an der Ferse zu viel Platz, so dass der Fuß aus dem Schuh schlappt. Dies könne den Gang verändern und die Gelenke belasten. Nach längerer Zeit kann der Vorfuß im schlimmsten Fall sogar versteifen.

Tipps zum Schuhkauf

Erwachsene sollten beim Schuhkauf darauf achten, dass der Fuß im Schuh einen guten Halt hat und der Schuh nicht schlappt. Drückt der Schuh an der Seite, ist es nicht damit getan, ihn eine Nummer größer zu nehmen. Dann nämlich wird er zu groß und der Fuß rutscht beim Gehen nach vorne. Einzige Möglichkeit ist, auf ein Modell zurückzugreifen, dass weiter geschnitten ist.

Der Kauf passender Kinderschuhe gestaltet sich schwieriger, denn Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren können die Passform ihres Schuhwerks nicht beurteilen. Sie bezeichnen zu kurze Schuhe meistens als passend. Die Wissenschaftler empfehlen beim Schuhkauf immer die Füße und die Innenlänge der Kinderschuhe zu messen. Kleinen Füße brauchen eine Zugabe von 12 bis 17 Millimetern Spielraum. Worauf Sie beim Schuhkauf sonst noch achten sollten, lesen Sie hier.

(RPO)
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