Interview Ist zu viel Schlaf wirklich ungesund?

Düsseldorf · Erst vor Kurzem wurde eine Studie veröffentlicht, in der sechs Verhaltensweisen als besonders gesundheitsschädlich benannt wurden. Eine davon war zu viel Schlaf - also mehr als neun Stunden pro Nacht. Ein Schlafmediziner erklärt, ob Langschläfer wirklich gefährlicher leben.

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Herr Professor Randerath, wie schätzen Sie die aktuelle Studie ein, bei der mehr als neun Stunden Schlaf als Gesundheitsrisiko bewertet werden?

Randerath: "Man muss solche Aussagen mit sehr viel Vorsicht genießen. Die Erkenntnisse werden ja aus großen epidemiologischen Studien gezogen, die große Menschengruppen ins Verhältnis zu ihrer Lebensdauer beziehungsweise Sterblichkeit setzen. Das sind sehr allgemeine Untersuchungen. Was dabei nicht berücksichtig wird sind Details zur speziellen Gesundheitslage der Teilnehmer, die zu einem krankhaften Schlafbedürfnis führen kann."

Das heißt aber, man kann grundsätzlich bei einem Schlafverhalten von neun Stunden oder mehr von einem erhöhtem Schlafbedürfnis sprechen?

Randerath: "Nein, nein. Acht bis neun Stunden Schlaf pro Nacht können durchaus normal sein. Im Durchschnitt beträgt die Schlafzeit in Deutschland etwa sieben Stunden und 15 Minuten. Und man kann sagen, dass 90 Prozent der Deutschen mit ihrem Schlaf zwischen fünf und neun Stunden liegen, und das ist auch gesund. Ein Krankheitszeichen kann es bei denen sein, die über diese Ränder hinaus gehen, also weniger als fünf oder mehr als zehn Stunden schlafen."

In der Studie wurde auch beschrieben, dass zu viel oder zu wenig Schlaf allein gar nicht mal so viel für die Gesundheit ausmacht. Kommt zu viel Schlaf aber zusammen mit Dauersitzen über vier Stunden und wenig Bewegung im allgemeinen, ist die Mischung ebenso gefährlich wie jahrelanges Rauchen.

Randerath: Ja, also das kann man mit Sicherheit sagen: Ein träger Lebensstil ist in jedem Fall ein wichtiger Risikofaktor für frühes Sterben. Der Mensch ist ja eigentlich von Natur aus auf viel Bewegung ausgelegt. Es ist ja eine recht junge Entwicklung der letzten 100 Jahre seit der Industrialisierung, dass wir unseren Alltag immer mehr umgestellt haben auf wenig Bewegung und langes Sitzen im Büro. Für den Körper ist das aber extrem ungesund.

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Welche Gesundheitsrisiken bringt der träge Lebensstil denn mit sich?

Randerath: Durch den Bewegungsmangel und das Dauersitzen entsteht vor allem häufig Übergewicht, und das ist ein Risikofaktor für sehr viele Erkrankungen, von Herz-Kreislaufbeschwerden bis hin zu Diabetes. Und es ist ein starker Risikofaktor für Schlafapnoe, also regelmäßige Atemaussetzer während des Schlafs, einer Erkrankung, die im übrigen auch zu verstärktem Schlafbedürfnis führt.

Schlafapnoe ist also eine von diesen Erkrankungen, die man bei den Studienteilnehmern erfragen müsste?

Randerath: Im Grunde ja. Es ist die Krankheit, die am häufigsten zu Schläfrigkeit über den Tag führt. Und 20 bis 40 Prozent der Männer über 50 sind davon betroffen, insbesondere dann, wenn sie übergewichtig sind.

Lange schlafen ist also für sich genommen kein Gesundheitsrisiko, aber zu wenig schlafen schon?

Randerath: "Ja das stimmt, wenn eine Person über einen längeren Zeitraum weniger als fünf Stunden schläft. Dann wird das Immunsystem geschwächt und die Konzentrationsfähigkeit sinkt. Aber auch hier muss man, wie auch beim lange schlafen, nach den Ursachen fragen. Wenn jemand allerdings nur wegen dem Arbeitsdruck zu wenig schläft, ist das sicherlich ein Gesundheitsrisiko."

Das Gespräch führte Susanne Hamann.

(ham)
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