Gefährliche Tierbisse Selbst ein Kratzer kann gefährlich werden

Mönchengladbach · Wenn Vierbeiner zubeißen, kann das auch bei harmlos aussehenden Wunden mit einer Not-Operation enden. Mit den spitzen Beißern befördern vor allem Katzen einen aggressiven Bakteriencocktail unter die Haut. Wie gefährlich das werden kann, lesen Sie hier.

 Jeder zweite Katzenbiss infiziert sich und kann dem Menschen gefährlich werden.

Jeder zweite Katzenbiss infiziert sich und kann dem Menschen gefährlich werden.

Foto: Shutterstock/dasok

Seelenruhig liegt der Kater auf dem Schoß und lässt sich kraulen. Als aber das Telefon klingelt und Frauchen ihn von ihren Beinen schiebt, um zum Hörer zu eilen, passt ihm das gar nicht. Der Schmusekater mutiert zum angriffslustigen Stubentiger und beißt übelgelaunt in ihre Hand. So schnell kann aus einer entspannten Situation ein Notfall werden. Denn jeder zweite Katzenbiss infiziert sich.

Die Folge dessen: Auch wenn die Wunde nicht besonders schlimm aussieht, wird die Hand oder das Handgelenk rot und schwillt an. Ärzte sind in einer solchen Situation alarmiert: Schmerz, Schwellung und Rötung sowie Fieber oder eine Bewegungseinschränkung sind für sie Alarmsignale, die auf eine Infektion der Bisswunde hinweisen und sofortiges Handeln erforderlich machen.

Durch spitze Katzenzähne entstehen zwar meist kleine Bisswunden, die nur punktuell bluten und sich schnell schließen. Doch befördern die Tiere mit ihren nadelspitz zulaufenden Zähnen oft einen gefährlichen Bakteriencocktail ins Gewebe. "Wenn Bakterien eine gute Grundlage finden, vermehren sie sich explosionsartig. Laut einer Faustformel verdoppelt sich ihre Zahl alle 20 Minuten", erklärt Dr. Hans-Josef Römgens, Unfallchirurg an den Maria-Hilf-Kliniken in Mönchengladbach. Hundebisse ziehen zwar etwas seltener Infektionen nach sich. Dafür verursachen Hunde beim Zubeißen meist größere Wunden.

Wer nicht schnell reagiert und den Arzt aufsucht, der riskiert schwere Krankheitsverläufe und erhebliche Folgeschäden. "Dazu zählen Funktionsstörungen der Hände oder einzelner Gelenke durch tief gehende Infektionen oder verletzte Sehnen und Bänder", erklärt der Unfallmediziner. Denn im Bereich der Hand und des Handgelenks liegen sie relativ nah unter der Haut. "Im schlimmsten Fall kann ein lächerlicher Biss in den Finger zur Blutvergiftung führen. Die Infektion breitet sich dann über das Gewebe bis in die Lymphbahnen aus", sagt der Mediziner, der solche Fälle aus seiner täglichen Praxis kennt. In der Ambulanz der Maria-Hilf-Kliniken behandelt er in der Mönchengladbacher Ambulanz Bisswunden, um solche Verläufe zu verhindern.

"Viele Menschen, die nur sicherheitshalber nach einem Tierbiss in die Ambulanz kommen, sind erstaunt, wenn ich ihnen mitteile, dass sie operiert werden müssen", sagt der Unfallchirurg. Denn wie groß das Ausmaß der Verletzung sei, ließe sich nicht immer von außen erkennen. Es ist unter anderem abhängig von Tier und Bisstiefe, ebenso aber auch von der Bakterienflora im Tiermaul. "Hundebisse sind meist oberflächlicher, aber meist auch großflächiger", sagt Astrid Behr vom Berufsverband Praktizierender Tierärzte. "Katzenbisse hingegen sind hinsichtlich der Bisstiefe problematisch. Dadurch sind oft Sehnen betroffen", sagt die Tierärztin.

"In der Mundhöhle eines Tieres leben Millionen von Bakterien", die laut Behr in der Wunde zur Gefahr werden können. Als besonders problematisch gelten Tiergebisse, die viel Zahnstein aufweisen. "Sie bringen noch mehr Bakterien in die Bisswunde", sagt die Tierärztin. Neben Streptokokken sind unter vielen anderen Staphylokokken, Meningokokken oder Mischinfektionen als Infektionsauslöser bekannt. Der gefährlichste im Maul von Hunden und Katzen ist der Capnoycytophaga canimorsus. Dieses Bakterium wird vom menschlichen Immunsystem nicht erkannt und kann sich darum ungehindert im Körper ausbreiten und zu einer Blutvergiftung oder Hirnhautentzündung führen. Lebensgefährliche Infektionen durch Tollwuterreger sind hierzulande hingegen ebenso selten wie solche durch Tetanusbakterien. Gegen Wundstarrkrampf, den sie auslösen, sollte man sich grundsätzlich impfen lassen und diese Immunisierung alle zehn Jahre auffrischen lassen.

Um schweren Verläufen vorzubeugen, waschen die Ärzte selbst noch so kleine Wunden gründlich mit einer sterilen Lösung aus und behandeln sie dann mit Antibiotika. Außerdem kann es nötig werden, die Wundränder zu umschneiden und infiziertes oder verletztes Gewebe zu entfernen.

Wie häufig nach Bissverletzungen eine Operation notwendig wird, haben Wissenschaftler an der Klinik für Unfall- und Handchirurgie des Uniklinikums Düsseldorf im Jahr 2014 untersucht. Das für die meisten Tierfreunde überraschende Ergebnis: "Mit einem Anteil von 64,4 Prozent waren Katzenbisse die häufigste Ursache für eine Infektion der Hand, welche eine operative Versorgung erforderlich machte", so steht es in der Studie. Im Durchschnitt war es dann nicht einmal mit einem Eingriff getan. Die Betroffenen zwischen 3,3 und 4,5 Operationen unterziehen und verbrachten wegen eines banal aussehenden Tierbisses mitunter 17 bis 20 Tage im Krankenhaus.

Um Komplikationen und schweren Verläufen vorzubeugen, sollte man darum unmittelbar nach dem Biss die Wunde am Wasserhahn gut ausspülen. "Danach empfiehlt es sich, sie steril zu verbinden und sie — egal ob Tag oder Nacht — einem Arzt zu zeigen", rät Römgens.

(wat)
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