Narbenbruch, Wucherung, Heilungsstörung Die häufigsten Komplikationen bei Narben

Düsseldorf · Die Bauchoperation ist nach Plan verlaufen, der Eingriff ist gelungen. Planmäßig werden die Fäden gezogen. Doch dann kommt es plötzlich zu Komplikationen. Narbenbruch nennen Mediziner das Phänomen. Hier erfahren Sie, wie es dazu kommt und welche anderen Probleme Narben machen können.

Noch Jahre nach einer gut verlaufenden Operation können große Narben wieder aufbrechen.

Noch Jahre nach einer gut verlaufenden Operation können große Narben wieder aufbrechen.

Foto: Artem Furman /shutterstock.com

Viele Menschen tragen irgendwo an ihrem Körper kleinere oder größere Narben mit sich herum, die an kleinere Unfälle oder große Operationen erinnern. Chirurgen sind zur Stelle, wenn es darum geht, Wundränder möglichst so wieder zusammen zu bringen, dass am Ende kaum mehr als eine dünne Narbenlinien auf der Haut zurückbleibt. Mit größter Präzision arbeiten vor allem plastische Chirurgen. Zum Teil mit Materialien, die kaum dicker als ein Seidenfaden sind. So gelingt es ihnen oft, Menschen vor Entstellungen zu bewahren und blutige Wunden wieder beinahe unsichtbar zusammenzufügen. Allerdings nicht immer.

Denn manchmal kommt es zu Komplikationen, die die Mediziner in Zugzwang bringen: Wunden, die sorgfältig genäht, geklebt oder geklammert wurden, klaffen nach dem Entfernen des Nahtmaterials wieder weit auf. "Das kann passieren, wenn die Haut unter Spannung steht oder auch die Nähte zu früh entfernt werden", sagt Prof. Jutta Liebau, plastische Chirurgin am Florence-Nightingale-Krankenhaus in Kaiserswerth und Mitglied der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler der Ärztekammer Nordrhein. Abhängig vom Ort der Naht lässt man zwischen sieben Tagen und zwei Wochen vergehen, bis man die Fäden, Klammern oder Klammerpflaster an einer Wunde entfernt. Bis dahin ist die Verletzung normalerweise geheilt.

Dafür sorgen in einer ersten Phase die Blutplättchen, die die geschädigten Gefäße verkleben. Die Gerinnung beginnt und die akute Blutung stoppt. Es bildet sich oberflächlicher Schorf, der die Wunde provisorisch abdeckt, bis sich darunter neue Gewebezellen gebildet haben. Bereits 24 bis 48 Stunden nach der Verletzung sorgen weiße Blutkörperchen als sogenannte Fresszellen dafür, dass tote und geschädigte Zellen zersetzt werden und Keime unschädlich gemacht werden. Etwa am dritten Tag setzt die zweite Phase — die Granulationsphase ein. In der Wunde entstehen neues Gewebe sowie neue Gefäße, die das frische entstandene Gewebe mit Blut versorgen. In der letzten, der sogenannten Epithelisierungsphase, verschließt sich die Wunde. Es bilden sich Bindegewebsfasern. Die Wunde zieht sich zusammen und wird stabiler. Es entsteht eine Narbe, die im besten Fall kaum sichtbar ist.

Doch nicht immer läuft das wie im Bilderbuch. Bei älteren Menschen kann die Wundheilung länger dauern, weil ihr Gewebe schlechter durchblutet ist. Daneben hat laut Liebau auch die Ernährung einen Einfluss: "Im Fall von Mangelernährung können wichtige Spurenelemente wie Zink oder Selen fehlen, die für den Heilungsprozess wichtig sind", so die plastische Chirurgin. Auch andere Mangelernährungszustände, wie eine zu geringe Eiweiß- und Vitamin-C-Versorgung kann sich derart ungünstig auswirken, dass Wunden verzögert abheilen.

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Foto: dpa, Oliver Killig

Die Mediziner nennen das Wundheilungsstörungen. Bestimmte Risikofaktoren machen es wahrscheinlicher, davon betroffen zu sein. Ein schlecht eingestellter Diabetes gehört dazu. Daneben können Krankheiten wie Tumorerkrankungen, Infekte oder Immunerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa die Wundheilung ähnlich negativ beeinflussen wie bestimmte Medikamente. Die Einnahme von Cortison oder bestimmten Antirheumatika, Mittel zur Hemmung der Zellteilung oder zur Unterdrückung des Immunsystems können solche Probleme mit sich bringen. Vor Operationen muss darum individuell von den Ärzten entschieden werden, ob es sinnvoll sein kann, das jeweilige Medikament kurz zuvor abzusetzen. Dies empfiehlt unter anderem die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie.

Auch die richtige Nahttechnik hat einen Einfluss darauf, ob Wunden gut zusammenheilen oder Narben einige Zeit nach der Operation wieder aufklaffen. "Die Wunde sollte glatt ausgeschnitten sein, also möglichst glatte Wundränder haben. Bei einer Operation sollten möglichst die Spannungslinien der Haut beachtet werden, um unauffällige Narben zu gewährleisten", so nennt Liebau einige der Faktoren, die von Seiten des Arztes beachtet werden sollten, um einen optimalen Heilungsverlauf zu gewährleisten. Auch entlastende Nähte unter der Haut, die die Spannung auf ihr reduzieren können helfen, Wunden so zu versorgen, dass sie nicht wieder aufklaffen. Geschieht das, nennen es die Mediziner Wunddehiszenz.

Nähte an Gelenken sind grundsätzlich eher gefährdet auseinanderzuweichen, denn dort ist viel Bewegung im Spiel. Bei nicht zu tiefen Wunddehiszenzen kann eine neuerliche Naht helfen, manchmal aber sind komplizierte Abdeckungs- und langwierige Wundversorgungsverfahren notwendig.

Daneben machen Patienten wie Chirurgen gleichermaßen weitere Komplikationen zu schaffen: Mühevoll vernähte Bauchdecken geben nach. Einige Zeit nach dem Eingriff reißt das Fasziengewebe im Bereich der Operationsnarbe blutlos, doch mitunter schmerzhaft. Nach großen Bauchoperationen passiert das statistisch betrachtet in zehn Prozent der Fälle. Solch gefürchtete Narbenbrüche oder Narbenhernien zählen laut der deutschlandweiten AWARE-Studie dazu zu den häufigsten Komplikationen nach großen Eingriffen in den Bauchraum. 700.000 Mal im Jahr ist es in Deutschland nötig, dass Chirurgen an dieser Stelle zum Messer greifen. Rund 70.000 Menschen trifft nach diesem ersten Schrecken oft ein zweiter, wenn sich ziehende Schmerzen an der Narbe bemerkbar machen.

Viele können sich zunächst die Beschwerden nicht erklären, die meist erst ein Jahr, manchmal aber auch bis zu drei Jahre nach dem schweren Eingriff auftreten. Kurz darauf wird dann eine immer größere werdende Vorwölbung am Bauch sichtbar. Diese kommt durch eine geschwächte Muskelhaut zustande. Sie hält im Normalfall gemeinsam mit mehreren Schichten von Muskelzügen innenliegende Organe und den Darm im Bauchraum. Durch eine Operation werden jedoch die Haut, das darunterliegende Muskelgewebe und das Bauchfell durchtrennt. Zwar wachsen diese Schichten wieder zusammen, doch ist das entstehende Narbengewebe weniger elastisch und stabil. Machen dann die das Muskelgewebe umhüllenden Faszien schlapp und treten auseinander, sacken die inneren Organe nach außen.

Das zeigt sich zunächst in kleineren Vorwölbungen, die sich meist noch zurückdrücken lassen. Mit der Zeit nehmen sie jedoch meist an Größe zu und verursachen zunehmende Beschwerden. Schon beim Beobachten erster Symptome, sollte man einen Arzt aufsuchen. Denn unbehandelt kann die Ausstülpung so groß wie ein Fußball werden. "Besonders Überlastungen wie Niesen oder Husten verstärken den Druck auf die Bauchpforte", erläutert Prof. Liebau. Wenn sich eine Darmschlinge in der Bruchstelle einklemmt, kann sogar ein gefährlicher Darmverschluss entstehen. Sollten sich plötzlich starke Schmerzen einstellen und die Vorwölbung nicht mehr zurückdrücken lassen, ist schnelles Handeln notwendig.

Die Risiken solcher nachoperativen Komplikationen sind nicht für jeden gleich. Rauchen, Diabetes, Autoimmunerkrankungen wie Morbus Crohn und Übergewicht zählen zu den Risikofaktoren. Bei Übergewichtigen besteht mehr Unterhautfettgewebe und Gewebe im Bauchraum. Das Fettgewebe heilt schlechter zusammen, denn es ist weniger gut durchblutet. Diabetiker können ihr Wundheilungsrisiko minimieren, indem sie darauf achten, dass ihr Blutzucker gut und stabil eingestellt ist.

Um ein weiteres Aussacken und Komplikationen zu vermeiden, müssen sich die Betroffenen meist einer weiteren Operation unterziehen. Dabei werden bei kleinen Brüchen die Faszienränder wieder zusammen gebracht und die entstandene Bruchlücke verschlossen. "Ist der Bruch bereits größer, kann das Einbringen eines Netzes nötig sein, das die Bruchlücke abdeckt", sagt die Kaiserswerther Chefärztin. Ob damit das Problem behoben ist, zeigt sich erst im Laufe der Zeit danach. Denn wer einmal einen Narbenbruch erlitten hat, der trägt ein grundsätzlich höheres Risiko für weitere.

"Wir raten darum den Betroffenen nach einem solchen Eingriff dazu, sich möglichst noch ein Vierteljahr körperlich zu schonen und nicht mehr zu tragen als ein Gewicht von fünf Kilogramm", sagt Liebau. Manchmal sei es zudem sinnvoll, vorübergehend ein spezielles Mieder zu tragen, das von außen stützt. Danach ist ein gezielter Muskelaufbau nötig.

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Foto: Shutterstock/ JPC-PROD

Unschöne Narben können durch eine vermehrte Bindegewebsansammlung zustande kommen. Bei solch überschießender, hypertropher Narbenbildung wird die Narbe dicker als normalerweise. Sie erscheint gerötet und schwulstig. Helle Hauttypen entwickeln häufiger rote und hypertrophe Vernarbungen entwickeln. "Oft legt sich die Rötung später und wird blasser oder sogar hautfarben. "Dennoch bleibt die Narbe etwas breiter", sagt Prof. Jutta Liebau. In selteneren Fällen wuchert Gewebe über die Grenzen der Narbe hinaus. Es kommt zum Narbenkeloid. "Wie es zu dieser seltenen Form des Narbenwachstums kommt, lässt sich nicht genau erklären. Keloide kommen gehäuft bei dunkelhäutigen Patienten vor." Sie treten vor allem an Oberarmen, im Dekolleté oder auf der Brust auf und begleiten die Betroffenen durchs Leben. Sie zu entfernen ist kaum möglich, da das Gewebe immer wieder aufs Neue nachwuchert.

(wat)
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