Medizinrecht Wer darf eigentlich in Ihre Patientenakte gucken?

Mönchengladbach/Düsseldorf · Während Sie beim Arzt über Ihre Beschwerden reden, schreibt der eifrig mit. Meist macht er das auch nach der Untersuchung wieder. Mancher würde gerne einmal lesen, was der Mediziner in der Krankenakte festhält. Doch darf man das auch selbst lesen? Und wer darf es noch?

 Nicht jeder Arzt gewährt dem Patienten Einblick in seine Krankenakte, obwohl er das muss.

Nicht jeder Arzt gewährt dem Patienten Einblick in seine Krankenakte, obwohl er das muss.

Foto: Shutterstock/Creativa Images

Den Dauerschmerz im Rücken, jede Spritze und jede Überweisung zum Facharzt — Krankenakten geben Aufschluss über Zustand, Diagnose und Behandlung des Patienten. Mancher würde gerne einmal aus purer Neugier selbst hineinlauern und lesen, was dort vermerkt ist. Andere haben ein Interesse daran, weil sie einen Behandlungsfehler vermuten. Mancher benötigt für den Besuch eines anderen Arztes kurzfristig Kopien aus der Akte. Darf der Arzt die verweigern? Hier finden Sie die Antwort darauf und auf alle wichtigen Fragen rund um ihre Patientenakte.

"Der Arzt dokumentiert darin die Beschwerden des Patienten, seine Diagnose, die Therapie, aber auch Befunde, wie das Ergebnis von Röntgenaufnahmen", sagt Regina Behrendt, Referentin des Bereichs "Gesundheitsmarkt" bei der Verbraucherzentrale NRW.

Daneben kann die Patientenakte auch persönliche Notizen des Arztes über den Patienten enthalten. Macht er das, darf der Behandelte auch das lesen, wenn er Einsicht in die Akte fordert", sagt Behrendt. Sie sind Teil der Patientenakte und dürfen nicht abgedeckt oder geheim gehalten werden. Damit sind auch Vermerke wie "Bitte dem Patienten IGe-Leistungen anbieten" für die Augen des Patienten frei gegeben wie Erinnerungsvermerke wie "Patient ist sehr gesprächig", sagt die Verbraucherschützerin.

Sind handschriftliche Notizen möglicherweise unlesbar, besteht ein Recht zur Erläuterung.

Die rechtliche Grundlage für die beinahe uneingeschränkte Einsicht durch den Patienten selbst legt das Patientenrechtegesetz. Im Paragrafen 630g des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist seit dem Jahr 2013 dieses Recht in dieser Form verbrieft.

Erben Neben ihm selbst können nach seinem Tod Erben Einsicht nehmen, sofern sie ein vermögensrechtliches Interesse daran haben. Zu Lebzeiten jedoch gilt: Nur vom Patienten bevollmächtigte Personen dürfen die Krankenakte lesen. Dazu muss der Patient den Arzt zudem von seiner Schweigepflicht entbinden. Familienangehörige oder Lebenspartnern sind also nicht per se berechtigt. "Sie benötigen eine Vollmacht des Patienten oder sie sind als Betreuer vom Gericht bestellt", sagt Regina Behrendt.

Erziehungeberechtigte Eltern haben automatisch das Recht in die ärztlichen Unterlagen ihrer minderjährigen Kinder zu schauen, weil sie deren gesetzliche Vertreter sind.

Versicherungen Sie haben nur Einblick, wenn sie einem Behandlungsfehler nachgehen. In der Regel, so klärt Maus als Fachanwalt für Medizinrecht auf, holt man aber auch dann die Zustimmung des Patienten ein. Nötig wäre das jedoch nicht, da aus juristischer Sicht im Falle einer Falschbehandlung ein gesetzlicher Forderungsübergang vorliegt. Das heißt: Die durch eine falsche Behandlung entstandenen Kosten gehen vom Patienten auf die Krankenkasse über. Will die Kasse den Fall prüfen, darf sie Einblick in die Unterlagen nehmen.

"In bestimmten Fällen kann die Krankenkasse den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) beauftragen, den Gesundheitszustand des Patienten zu recherchieren" und dazu in die Krankenakte schauen, sagt die Expertin der Verbraucherzentrale NRW.

"Der Patient hat einen sofortigen Informationsanspruch", sagt Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Christian Maus. Beschleicht ihn also im Behandlungszimmer das Gefühl, es könne etwas nicht stimmen, darf er den Arzt sofort um Einsicht bitten. "Das Gesetz spricht von einer unverzüglichen Einsicht", so Maus.

In der Praxis aber zeigt sich die Dehnbarkeit des an sich deutlichen Wortes, wissen der Fachjurist und auch die Verbraucherschützerin. Oft werden Patienten mit der Begründung hingehalten, eine sofortige Einsicht sei nicht machbar, sagt Regina Behrendt. "Manche warten sogar erst ein Schreiben des Anwalts ab", sagt Maus.

Die Gründe dafür sind vielfältig. "Der Begriff "unverzüglich" bedeutet "ohne schuldhaftes Zögern", führt Maus aus. "Das heißt, man muss immer im Einzelfall prüfen, wie viel Zeit dem Arzt zuzugestehen ist. Es bedeutet auf jeden Fall nicht zwingend 'sofort‘ und auch nicht 'jederzeit‘". In einem einfachen Fall, so betont der Jurist jedoch, dürfte die Einsichtnahme in der Sprechstunde zumutbar sein. In sonstigen Fällen binnen weniger Tage.

Grundsätzlich kommen zwei Möglichkeiten in Frage: Entweder wird der Einblick in die Original-Krankenakte gewährt oder der Patient bekommt eine Fotokopie oder eine elektronische Kopie auf einer DVD, CD oder anderen Speichermedien. Diese darf mit zehn bis 15 Euro berechnet werden.

Die Original-Krankenakte ist Eigentum des Arztes. Sie bleibt immer in der Praxis. Möchte der Patient einzelne Berichte daraus oder eine Abschrift oder Kopie, muss er für diese bezahlen. Die Kosten dürfen bis zu 50 Cent pro Kopie betragen. Das ist auch der Fall, wenn es sich um umfangreiche Berichte handelt. "Nach einem mehrmonatigen Krankenhausaufenthalt können durch das Kopieren Kosten von 300 bis 400 Euro anfallen", weiß Maus.

Werden solche Kopien gewünscht, kann auch das länger dauern, "aber wohl nicht länger als zwei Wochen." Bei Befunden wie zum Beispiel Röntgenbildern muss der Arzt meist das Original aushändigen, weil nur an ihm eine sichere Diagnose möglich ist. Bei Röntgenbildern ist das meist der Fall. Diese bleiben auch nach Herausgabe Eigentum des Arztes und sind diesem später wieder zurück zu geben.

Es gibt nur wenige Fälle, in denen der Mediziner die Krankenakte unter Verschluss halten darf. Ein typisches Beispiel dafür ist die Annahme, dass der Patient die Wahrheit nicht verkraftet und deshalb entweder die Therapie abbricht oder sich selbst das Leben nimmt. "Das kann vor allem in Fällen gegeben sein, in dem Patienten psychisch labil sind", erklärt Regina Behrendt.

In solch therapeutisch begründeten Fällen könnte der Arzt aber zum Beispiel gemeinsam mit dem Patienten die Akte ansehen und erläutern. Auch ist es möglich, die Akte an mitbehandelnde Psychotherapeuten weiterzugeben, die diese dann in einer für den Patienten verkraftbaren Form kommunizieren.

Verweigert werden darf die Einsicht zudem, wenn Rechte Dritter verletzt wären.

(wat)
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