Münsteraner Memorandum Medizin-Experten fordern Reform von Heilpraktiker-Gesetz

Münster · Mediziner aus ganz Deutschland fordern tiefgreifende Änderungen beim Heilpraktiker-Gesetz. Sie kritisieren, dass Alternativ-Medizinier ohne wissenschaftliche Grundlage behandeln. Dabei geht es auch um ein Negativbeispiel vom Niederrhein.

 Schröpfen: Eine Heilpraktikerin bei der Arbeit. (Archiv)

Schröpfen: Eine Heilpraktikerin bei der Arbeit. (Archiv)

Foto: Maran Garai/ Shutterstock.com

Viele Patienten vertrauen neben der klassischen Schulmedizin auch auf die Hilfe eines Heilpraktikers. Experten aus ganz Deutschland sehen das kritisch. Sie fordern die Politik zu tiefgreifenden Veränderungen auf. Eine 17-köpfige Expertengruppe sieht durch schlecht qualifizierte Heilpraktiker das Wohl von Patienten in Deutschland gefährdet und spricht sich für tiefgreifende Reformen aus.

Der Beruf des Heilpraktikers sollte entweder ganz abgeschafft oder grundlegend reformiert werden, heißt es im "Münsteraner Memorandum". Die Politik dürfe nicht länger hinnehmen, dass sich Alternativmediziner nach einer kurzen, weitgehend unregulierten Ausbildung als staatlich anerkannte Heilpraktiker bezeichnen dürfen. Das erwecke bei Patienten den Eindruck, Heilpraktiker seien eine gleichwertige Alternative zu Ärzten, die ein langjähriges Studium absolviert hätten. Das könne gefährliche Folgen haben. Veröffentlicht wurden die Forderungen am Montag im Deutschen Ärzteblatt.

Die Gruppe um die Medizinethikerin Bettina Schöne-Seifert beklagt, dass die Alternativ-Mediziner trotz fehlender wissenschaftlicher Beweise für die Wirksamkeit ihrer Methoden tätig würden. Die Expertengruppe greift in dem Memorandum als Negativbeispiel den Fall eines Heilpraktikers am Niederrhein auf. Der hatte im Sommer 2016 Patienten in einer alternativen Krebspraxis behandelt. Drei von ihnen starben später. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung. Die Politik hatte daraufhin bereits angekündigt, die rechtlichen Grundlagen zu überprüfen.

 Die Experten beziehen sich auf auf einem Fall vom Niederrhein: Die Praxis des Heilpraktikers in Brüggen wurde inzwischen geschlossen (Archivbild, August 2016).

Die Experten beziehen sich auf auf einem Fall vom Niederrhein: Die Praxis des Heilpraktikers in Brüggen wurde inzwischen geschlossen (Archivbild, August 2016).

Foto: Jungmann, Günter

Heilpraktiker benötigen für ihre Arbeit eine staatliche Erlaubnis, die sie nach einer erfolgreichen Prüfung ohne ein Medizin-Studium erhalten. Patienten schätzen unter anderem den fehlenden Zeitdruck in deren Praxen. Die gesetzlichen Krankenkassen erstatten die Kosten der Behandlung allerdings nicht.

Heilpraktiker dürfen keine rezeptpflichtigen Arzneien verschreiben oder herstellen. Das gleiche gilt für Betäubungsmittel. Sie dürfen auch nicht röntgen, den Tod feststellen oder in Fachbereichen wie der Zahnmedizin oder Geburtshilfe tätig werden.

Unterschrieben haben das Memorandum Experten aus verschiedenen Fachrichtungen, darunter Medizin-Ethiker, Juristen, Historiker, Pflegeexperten und ein Journalist. "Wir wollten den gegenwärtigen Irrsinn nicht länger hinnehmen", sagt Schöne-Seifert laut Mitteilung.

Die Autoren erhoffen sich von ihren Vorschlägen, dass das Vertrauen in das deutsche Gesundheitswesen gestärkt und die Patientenversorgung verbessern wird. Das Label "staatlich anerkannt" solle nach einer Reform wieder ein Qualitätsmerkmal für Patienten sein. Sie fordern die Politik auf, das Heilpraktikerwesen "nicht nur kosmetisch, sondern grundlegend zu reformieren". Dabei solle der Heilpraktikerberuf durch die Einführung eines spezialisierten Fach-Heilpraktikers abgelöst werden. Die Experten schlagen dazu vor, Mitarbeiter der bestehenden Gesundheitsfachberufe wie Alten- und Krankenpfleger zusätzlich zu qualifizieren.

Die Deutsche Stiftung Patienschutz begrüßte das "Münsteraner Memorandum". "Es ist überfällig, dass das Heilpraktikerrecht grundlegend reformiert wird." Es fehlten einheitliche Standards für den Heilpraktikerberuf. "So können Patienten kaum zwischen einem seriösen Anbieter und einem Scharlatan unterscheiden", sagte Vorstand Eugen Brysch laut Mitteilung. Bundesgesundheitsminister Gröhe sei gefragt, dieses Thema umgehend auf die politische Tagesordnung zu setzen. Brysch: "Es darf nämlich nicht sein, dass es in Deutschland weiterhin einfacher ist, Heilpraktiker zu werden als Krankenpfleger."

(dafi)
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