Verschluckt, geschoben und verloren Was Ärzte im Körper von Menschen finden

Ein Röntgenbild bringt oft Klarheit, wenn Menschen mit diffusen Leiden als Notfall in die Klinik kommen. Doch manchmal kommen dabei Dinge zum Vorschein, bei denen sich nicht nur die Radiologen die Augen reiben. Lesen Sie hier, was Röntgenaufnahmen neben Deoflaschen und Glühbirnen sichtbar machen.

 Ein Flaschenhals, der hinter dem Beckenknochen auftaucht — solche Bilder versetzen auch Radiologen in Erstaunen.

Ein Flaschenhals, der hinter dem Beckenknochen auftaucht — solche Bilder versetzen auch Radiologen in Erstaunen.

Foto: Wikipedia/Kuebi/CC BY-SA 2.0

Ob Sektflaschen, Kaffeegläser oder Leuchtstoffröhren — es gibt beinahe nichts, was Menschen auf seltsame Weise in ihrem eignen Körper verlieren. Es ist ein Tabubereich der Medizin, der in der Literatur meist eher in anekdotischer Form beschrieben, als mit wissenschaftlichem Maß vermessen wird. Denn obwohl vor allem in Kliniken Ärzte verschiedenster Fachrichtungen Erstaunliches zu berichten hätten, tun sie es nicht oder wenn, nur hinter vorgehaltener Hand.

Anders ist das allerdings auf der Seite radiopaedia.org, die vom australischen Radiologen Dr. Frank Gaillard ins Leben gerufen wurde und von Medizinern aus aller Welt mit anonymisierten RöntgenaufnahmenFallbeschreibungen gefüttert wird. Hier erfährt man ungewohnt offen, dass "rektale Fremdkörper keine Seltenheit sind" und in Notfall-Ambulanzen der ganzen Welt in Augenschein genommen werden. Unvorstellbar groß ist die Liste der Objekte, die die Literatur da beschreibt: Manchmal sind es Drogenpäckchen, die geschluckt oder in den Magen-Darm-Trakt eingeführt transportiert werden sollen. Im anderen Fall erstaunen die Mediziner über verworrene Erklärungen, die Betroffene abgeben, die Gemüse, ein Glas Instantkaffee, Glühlampen oder einen gefrorenen Schweineschwanz im Darmtrakt verloren haben.

Als rektale Fundstücke werden dort Röntgenbilder gezeigt, die neben Deoflaschen auch Zahnbürsten oder einen Stößel zeigen. Dieses Küchenutensil, das sonst zum Zermalen von Kräutern und Getreide benutzt wird, geriet laut Schilderung des betroffenen 40-Jährigen durch einen unglücklichen Unfall in seinen Darm-Trakt. Beim Kochen eines malaysischen Gerichts sei er ausgerutscht und auf das handliche Küchengerät gestürzt, so schildert Dr. Gaillard den Fall.

Eine medizinische Fallstudie aus Indien sieht eine besondere Häufung in Osteuropa und Asien. Meist sind es eher Männer unterschiedlichsten Alters, die nach dem Einführen diverser Gegenstände in den Anus sozusagen den Kontakt verlieren, in selteneren Fällen Frauen, denen in die Vagina eingeführte Dinge abhanden kommen. Besonders bei älteren Männern sind es bizarre Fundsachen wie Drähte, Haarnadeln oder Pinzetten, die aus der Harnröhre gezogen werden. In den meisten Fällen gelingt es den Ärzten, die Gegenstände auf ähnlichem Wege wieder hinaus zu holen, wie sie auch ins Innere kamen. Im Anschluss an solche Eingriffe ist meist die Spiegelung des jeweiligen Organs sinnvoll, um innere Verletzungen auszuschließen.

Zu den kuriosen Leidenschaften zählen nicht nur verirrte Sexspielchen. Manchmal steckt hinter peinlichen Endergebnissen wie Flaschen im Darm der Versuch, auf nicht ratsame Weise eine Verstopfung zu beseitigen. Mancher muss nach so viel Einfallsreichtum schmerzvoll erfahren, dass Tabletten Nebenwirkungen haben, Flaschen jedoch auch.

In einer medizinischen Fachpublikation schildern türkische Ärzte den Fall eines 22-jährigen Patienten, der als Notfall ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Er setzte aus Scham sein Leben aufs Spiel. Denn fünf Jahre zuvor war beim Sexspiel eine komplette, gefüllte Getränkeflasche in seinem Anus verschwunden. Fortan bewältigte er mit einer Flasche im Körper seinen Alltag. Wie die Ärzte schildern, ist das größte Problem nach solchen "Missgeschicken", dass sich die Betroffenen nicht rechtzeitig medizinische Hilfe holen und so eine "Palette von Komplikationen riskieren, die sogar zum Tod führen" können. In diesem Fall hätte der Fremdkörper im Körper zu Abzessen, Fisteln, einer Entzündung des Knochenmarks oder einer Blutvergiftung führen können. Der Mann überlebte, weil die Mediziner die Flasche mit Hilfe eines Bauchschnitts operativ entfernen konnten.

Gefährlich werden können Sexspielzeuge wie Vibratoren auch dann, wenn sie im Innern ungünstig die Richtung verändern. Sitzen Gegenstände derart fest, können sie oft mit Hilfsmitteln wie Geburtszangen, Schlingen oder Kathetern zurück ans Tageslicht geholt werden. Manchmal aber kommen die Ärzte bei allen Bemühungen so nicht zum Ziel. Im letzten Fall hilft dann nur eine Operation, die Betroffenen aus einer misslichen Lage oder aus der Lebensgefahr zu retten.

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Foto: Shutterstock/Refat

Nicht immer aber gelingt das. Besonders schwierig wird es dann, wenn Menschen zu ihrem eigenen Opfer werden. Wie in einem Fall, in dem einem 54-Jähriger zunächst eine Gurke und danach eine Pastinake aus dem Magen-Darm-Trakt entfernt worden war, in Folge dessen sich sein Bauchfell entzündete. Offensichtlich konnte er dennoch aufgrund einer schweren krankhaften Störung nicht davon ablassen und schob zwei Äpfel hinein. Er verstarb an der Bauchfellentzündung.

In einem E-Learning-Kurs der Charité wird den angehenden Medizinern unter anderem eine Röntgenaufnahme gezeigt, auf der als Fremdkörper eine Ein-Liter-Farbflasche zu sehen ist, die in den Mastdarm eingeführt wurde. Hier machte ein akuter Darmverschluss die Sache zum medizinischen Notfall. Nach dem Entfernen des Fremdkörpers löste sich zur Erleichterung der Ärzte jedoch auch der Verschluss des Darms. Diese kann — bliebe sie bestehen — lebensgefährlich sein, weil der Weitertransport des Darminhalts ins Stocken gerät. Dadurch kann es zu einer Blutvergiftung kommen. Zudem besteht die Gefahr eines Durchbruchs der Darmwand sowie das Risiko, dass Darmteile absterben.

Nicht immer stecken hinter den seltsamen Funden der Radiologen und Chirurgen allerdings ausgefallene sexuelle Vorlieben. In einem Fall schluckte ein 36-jähriger Heroinabhängiger ein in Cellophan verpacktes Feuerzeug hinunter, das erst nach 17 Monaten endoskopisch entfernt wurde.

Häufiger führt es verzweifelte Eltern mit ihren Kindern in die Klinik, wenn der Nachwuchs versehentlich einen Gegenstand verschluckt hat. Denn Kinder stecken sich beim Spielen unbedacht Dinge in den Mund. Gleiten sie tiefer in den Mund hinein, besteht die Gefahr des Einatmens oder Verschluckens und es ist dringend medizinische Hilfe notwendig. In Fällen, in denen kleine und eher runde Gegenstände wie Murmeln, Stiftkappen oder Münzen verschluckt werden, ist es weniger dramatisch. Denn meist werden diese auf natürlichem Weg wieder ausgeschieden. Schnell Handeln sollten Eltern aber, wenn sich der Nachwuchs eckige, spitze oder scharfkantige Gegenständen einverleibt. Sie können nicht nur die Atemwege verletzen und versperren, sondern auch im Verdauungstrakt schweren Schaden anrichten. Möglich sind dann unter anderem Verätzungen, ein Darmverschluss oder die Perforation von Organen.

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Foto: Shutterstock/Ana Blazic

Grundsätzlich gilt, sich in jedem Fall, in dem Fremdkörper Verschluckt oder auf andere Weise in den Körper gekommen sind, einem Mediziner anzuvertrauen. Nur so können Folgeverletzungen und schwere sowie tödliche Komplikationen ausgeschlossen werden.

(wat)
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