Neue Medikamente und Therapien Warum Brustkrebs kein Todesurteil mehr ist

Berlin · Brust-, Darm- und Lungenkrebs sind die häufigsten Krebsformen bei Frauen. Wichtig für eine gute Überlebenschance ist eine frühzeitige Diagnose - und die Arbeitsweise der Ärzte. Inzwischen behandeln immer mehr Gynäkologen Krebskrankheiten in einem Team von Spezialisten. Das verbessert die Prognose deutlich.

 Eine bösartige Tumorerkrankung der Brustdrüsen gehört zu den häufigsten Krebserkrankungen bei Frauen. Im Jahr 2010 gab es 70.340 Fälle. Zum Vergleich: An Lungenkrebs erkrankten im selben 17.030 Patientinnen neu.

Eine bösartige Tumorerkrankung der Brustdrüsen gehört zu den häufigsten Krebserkrankungen bei Frauen. Im Jahr 2010 gab es 70.340 Fälle. Zum Vergleich: An Lungenkrebs erkrankten im selben 17.030 Patientinnen neu.

Foto: Shutterstock.com/ Sebastian Kaulitzki

Wenn sich die Gynäkologen Pawel Gruszecki und Juliane Bock treffen, dann geht es um Leben und Tod. Mit anderen Ärzten der Frauenklinik, mit Strahlentherapeuten, Pathologen und Radiologen treffen sie sich regelmäßig zum Tumorboard, einer Konferenz, auf der fachübergreifend über die Behandlung jeder Tumorpatientin besprochen wird, die sich im Cottbuser Klinikum vorstellt.

Schon vorher haben die Frauen einen umfangreichen Diagnose-Kurs durchlaufen, in der von der ersten Sprechstunde über Mammografien, Biopsien, Ultraschall, immunhistologischen Untersuchungen bis hin zu Röntgen, MRT und CT alle Daten über eine bösartige Geschwulst gesammelt wurden: Fakten gegen die Angst. "Wenn die Frauen hier angekommen sind, ist der Krebs für sie real geworden", sagt Bock, die sich speziell um Brustkrebs-Patientinnen kümmert.

 Mammografie beider Seiten einer weiblichen Brust mit Brustkrebs.

Mammografie beider Seiten einer weiblichen Brust mit Brustkrebs.

Foto: Shutterstock.com/ Sebastian Kaulitzki

"Es ist erstaunlich, wie viele Frauen ihre Erkrankung lange Zeit verdrängen. Sie spüren einen Knubbel, haben vielleicht auch eine Entzündung an der Brust. Aber sie schweigen. Cremen und pflegen die entzündete Stelle und hoffen, dass der Knoten von allein verschwindet." Dabei gilt, trotz aller medizinischen Fortschritte, bis heute der Grundsatz: Je früher und je kleiner entdeckt, umso besser die Heilungschancen. "Wird ein Gebärmutterhalskrebs im Frühstadium oder gar in einer Vorstufe entdeckt, haben wir Heilungschancen von bis zu 99 Prozent", sagt Gruszecki.

Marion Rose (64) hatte Glück. Beim Ultraschall entdeckte ihr Frauenarzt eine verdächtige Stelle in der Gebärmutter, entnahm ambulant eine Gewebeprobe und schickte sie ins Labor. "Als der Befund da war, kümmerte er sich für mich um einen Termin im Krankenhaus", erinnert sich Marion Rose. Schon fünf Tage später wurde sie operiert. Gebärmutter, Eileiter und Eierstöcke wurden minimalinvasiv entfernt. "Der Tumor und ein verdächtiger Polyp wurden so rechtzeitig entdeckt, dass ich weder Chemo noch Bestrahlungen brauchte", sagt sie erleichtert. Alle drei Monate stellt sie sich zu Kontrolluntersuchungen im Klinikum vor. Röntgen, CT, Ultraschall - bisher ist der Krebs nicht zurückgekehrt. Rose lebt ohne jede gesundheitliche Einschränkung wie vor ihrer Erkrankung.

Auch Lisa Schmidt (77) kann sich als geheilt betrachten. Bereits im Jahr 2000 entdeckte sie eine Hautveränderung an ihrer Scheide, zwei Jahre später stellte sie sich mit einer pflaumengroßen Geschwulst bei ihrer Ärztin vor. "Ich musste noch am gleichen Tag ins Krankenhaus." Der Tumor wurde entfernt, mit ihm Teile der Scheidenwand. Nach einer Beratung entschloss sie sich, auf Bestrahlung und Chemo zu verzichten. "Deshalb muss ich bis heute alle sechs Wochen zur Kontrolluntersuchung", sagt sie. Noch immer kämpft sie mit Beschwerden.

Lebenserwartung? Hier schütteln die Ärzte den Kopf. "Kann man nie sagen, jede Frau ist anders." Selbst bei Patientinnen mit vielen Metastasen geben die Mediziner keine Prognose ab. "Das kann ein halbes Jahr dauern oder zwei Jahre, wir wissen es nicht." Überhaupt gehe es selbst bei den aussichtslosen Fällen nicht darum, dem Leben mehr Jahre zu geben - vielmehr müssten die Jahre mehr Leben gewinnen.

"Aber die Frauen denken oft noch, Krebs wäre in jedem Fall ein Todesurteil. Dem ist nicht so, wir haben auch dank neuer Medikamente viele Möglichkeiten", sagt Gruszecki. Überhaupt geht der Trend dahin, Tumoren zuerst durch Medikamente und Bestrahlung zu verkleinern und erst dann zu operieren. Im Idealfall wird der Tumor entfernt, die Frau mit Strahlen- und Chemotherapie behandelt und die Erkrankung so besiegt. In der Regel gelten Frauen nach fünf Jahren ohne Rückfall als geheilt, bei Brustkrebs treten Rezidive indes oft erst nach zehn Jahren auf. Und dann?

Beginnt die ganze Maschinerie von vorn. Untersuchungen, das Tumorboard, Operation. "Wenn nur eine einzelne Metastase aufgetreten ist, die wir gut entfernen können, gibt es noch Hoffnung auf Heilung", so Gruszecki. Hat der Krebs stärker gestreut, setzt man alle Kraft darein, seinen Fortgang aufzuhalten. Immer wieder wird geprüft, welche Operationen oder Chemotherapien noch Sinn machen, ab wann es Zeit ist für eine Schmerztherapie. "Unser Ziel ist es, den Frauen so lange wie möglich eine hohe Lebensqualität möglichst daheim zu ermöglichen", sagt die Ärztin Bock. Schmerzmittel werden inzwischen schon vorbeugend eingesetzt, in schweren Fällen auch Morphine.

Bock versucht, ihren Patientinnen und den Angehörigen in jedem Stadium das Gefühl des Beistandes zu vermitteln - bei Schmerzen, bei Ängsten, bei ganz praktischen Problemen. "Natürlich ist es schöner, wenn wir eine Patientin heilen können", sagt Gruszecki. "Aber es ist auch für uns Ärzte gut zu wissen, dass wir selbst bei aussichtslosen Fällen noch hilfreich sein können."

(RP)
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