Kampf gegen Neurodermitis Neues Medikament soll Dauerjuckreiz beenden

Düsseldorf · Entzündete Haut und quälender Juckreiz gehören zu den Symptomen von Neurodermitis. Heilbar ist diese Hauterkrankung nicht. Doch soll nun ein Medikament den Durchbruch in der Behandlung bringen. Allerdings nicht für alle.

 Extrem trockene und juckende Haut sind die typischen Symptome, gegen die Neurodermitiker lebenslang ankämpfen. (Symbolbild)

Extrem trockene und juckende Haut sind die typischen Symptome, gegen die Neurodermitiker lebenslang ankämpfen. (Symbolbild)

Foto: Shutterstock.com/ Mykola Samoilenko

Cremes, Tabletten, Nahrungsmitteldiäten — wer unter Neurodermitis leidet, kennt diese Behandlungsoptionen und hat oft darüber hinaus noch zahlreiche weitere ausprobiert. Denn der Leidensdruck ist hoch. Das Leben mit dem Dauerjuckreiz hinterlässt Spuren: blutende Kratzwunden, verkrustete oder verdickte Haut und blank liegende Nerven. Neurodermitis setzt den Betroffenen nicht nur optisch, sondern auch psychisch zu. Das weiß auch Ralph von Kiedrowski vom Berufsverband Deutscher Dermatologen. Schlafstörungen oder Konzentrationsprobleme gehören oft zu den Folgen der chronischen Hauterkrankung.

Was es besonders schwierig macht: Die Möglichkeiten zur Linderung sind begrenzt. "Wir haben bislang kein dauerhaftes Therapiekonzept", sagt von Kiedrowski. Noch nicht. Das soll sich in Kürze ändern.

Experten wie auch Betroffene warten auf die Zulassung eines neuen Wirkstoffs mit dem Namen Dupilumab. Er steht in Deutschland unmittelbar vor der Zulassung und wird voraussichtlich Anfang 2018 auf den Markt kommen und soll eine Zeitwende in der Therapie der chronischen Erkrankung einläuten. In der EU sind die Weichen für dessen Markteinführung unter dem Namen Dupixent bereits gestellt. In anderen Ländern wie den USA ist der Wirkstoff bereits seit einiger Zeit zugelassen. Auch hierzulande brachten Studien positive Rückmeldungen. Die Hautsituation verbesserte sich. Der Juckreiz verschwand.

Bei Menschen mit atopischer Dermatitis reagiert das Immunsystem überempfindlich auf bestimmte Reize. Dadurch kommt es zu einer verstärkten Entzündungsreaktion der Haut. Die Auslöser für das Hautleiden sind vielfältig, sagt von Kiedrowski. Neben bestimmten Allergenen können sich beispielsweise Temperaturveränderungen, zu häufiges Waschen oder Stress negativ auswirken.

Genetisch bedingt kann die Haut der Betroffenen Einflüsse von außen nicht so gut abwehren wie die eines gesunden Menschen. Dadurch kommt es dort schneller zu juckenden Infektionen mit Erregern wie Staphylokokken oder Streptokokken. Diese verursachen beispielsweise gelbliche Krusten. Auch Erreger wie Herpes simplex oder Warzenviren haben leichtes Spiel.

Der beste Schutz der extrem trockenen Haut davor ist eine konsequente Hautpflege. Sie kann ein Stück weit die fehlende Barrierefunktion ausgleichen. Die zur Verfügung stehenden Lotionen, Cremes und Salben beinhalten neben rückfettenden Stoffen auch beispielsweise Harnstoff, auch Urea genannt.

Dieser hilft dabei Feuchtigkeit zu binden und verbessert damit die Schutzfunktion. Als hilfreich empfinden manche zudem Lotionen und Cremes, die Inhaltsstoffe wie Nachtkerzenöl und Omega-3-Fettsäuren enthalten. Ihre Wirksamkeit ist jedoch nicht eindeutig belegt.

Therapieoptionen im Fall eines Schubs

Das tut trockener und sensibler Haut gut
Infos

Das tut trockener und sensibler Haut gut

Infos
Foto: TK

Kommt es jedoch zu einem akuten Schub, vermag auch eine gute Basispflege kaum mehr etwas auszurichten. Mittel der ersten Wahl ist dann Kortison. Dieses wird entweder als Creme oder Salbe lokal aufgebracht und unterdrückt die Entzündungsreaktion der Haut. Problem dieser Therapieoption: Sie steht aufgrund der möglichen Nebenwirkungen nur kurzzeitig zur Verfügung. Denn Kortison kann bei langfristiger Anwendung die Haut dünner machen.

Weiteres Problem: Bei zu großflächiger Anwendung wirkt laut von Kiedrowski die aufgetragene Menge Kortison nicht mehr nur lokal, sondern im ganzen Körper. Das ist auch bei der Einnahme von Kortison der Fall. Bei einer Langzeitbehandlung fürchtet man um Nebenwirkungen wie Fettleibigkeit, Wassereinlagerungen, Blutzuckererhöhung oder dem sogenannten Cushing-Syndrom — einem Vollmondgesicht.

Durch die gezielte Gabe von Kortison versucht man jedoch solche Nebenwirkungen möglichst zu vermeiden oder gering zu halten. "Man sollte sich darum genau an die Dosierungsempfehlung des Arztes halten", sagt der Dermatologe.

Neben Kortison steht bei schwerer Neurodermitis die Behandlung mit dem Immunsuppressivum Cyclosporin zur Verfügung. Es reguliert das Immunsystem und kommt darum auch bei Transplantationen zum Einsatz, um Abstoßungsreaktionen von Organen zu unterdrücken. Auch diese Substanz steht aufgrund seiner Nebenwirkungen wie einer Verschlechterung der Nierenfunktion, Bluthochdruck, Zittern oder Missempfindungen und Magen-Darm-Problemen nur für den kurzzeitigen Einsatz zur Verfügung.

Wie das erste Dauertherapeutikum wirkt

"Des Wirkstoff Dupilumab wäre damit das erste Mittel, das als Dauertherapeutikum zur Verfügung stehen würde", sagt von Kiedrowski. Revolutionär ist aber auch die gezielte Wirkweise. Es bremst nämlich nicht wie Kortison die komplette überschießende Immunantwort des Körpers, sondern blockiert gezielt zwei wichtige Botenstoffe, die bei der atopischen Dermatitis aktiv sind.

Dennoch warnt der Dermatologe vor übertriebenen Erwartungen: "Es wird kein Wundermittel sein, das eine Heilung der atopischen Dermatitis bringt." Zudem werde der neue Wirkstoff ausschließlich bei Erwachsenen mit mittelschwerer bis schwerer Neurodermitis zum Einsatz kommen und dann in Form einer Fertigspritze verabreicht. Nach der Gabe einer Anfangsdosis soll sich der Patient das Mittel dann selbst alle zwei Wochen spritzen.

Akne, Herpes, Pickel: Die häufigsten Hauterkrankungen im Gesicht
13 Bilder

Die häufigsten Hauterkrankungen im Gesicht

13 Bilder
Foto: Hautarztpraxis Dr. Kardorff und Dr. Dorittke, A.L. Toader, Mönchengladbach

Doch auch Neurodermitikern, die von der neuen Therapieoption nicht profitieren, soll in Zukunft besser geholfen werden können. Durch ein besseres molekulares und immunologisches Krankheitsverständnis, sagt von Kiedrowski, könne man dann noch gezielter gegen einzelne Entzündungsfaktoren vorgehen. Bis zur Einführung dieser Mittel werden allerdings noch einige Jahre vergehen.

(wat)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort