Überraschende Aussage britischer Forscher E-Zigaretten offenbar deutlich gesünder als Rauchen

Düsseldorf · Über das Für und Wider von E-Zigaretten wird viel gestritten. Britische Forscher kommen nun zu dem Schluss, dass die Geräte für Raucher gesundheitlich von Vorteil sein könnten. Sie ermutigen sogar dazu, sie zu verwenden.

 Neuen Wirbel bringt eine britische Studie in die Diskussion um E-Zigaretten.

Neuen Wirbel bringt eine britische Studie in die Diskussion um E-Zigaretten.

Foto: dpa, fza vfd mbk

Zum Glimmstängel zu greifen ist ungesund — das ist bis ins Detail untersucht und hinlänglich bekannt. Wie aber steht es um die E-Zigarette? Der Londoner Ärzteverband Royal College of Physicians bekräftigt nun in einem 200 Seiten starken Bericht die gesundheitlichen Vorteile der Dampfer. "Die Schäden durch den Langzeitkonsum von E-Zigaretten machen weniger als fünf Prozent der Schäden aus, die durch Tabak-Konsum entstehen", teilen die Ärzte mit.

Regierung sollte E-Zigaretten fördern

Aus diesem Grund sollten nach Auffassung des britischen Epidemiologen John Britton und seiner Co-Autoren "E-Zigaretten von der Regierung gefördert und als Maßnahme der Schadensbegrenzung weiterhin unterstützt werden". Die Schäden des Rauchens ließen sich auf diese Weise radikal reduzieren, wenngleich die britischen Forscher einräumen, dass auch der Konsum von E-Zigaretten nicht gesundheitlich unbedenklich sei.

Hierzulande hingegen sind die elektrischen Dampfer umstritten. Da behaupten die einen, sie ebneten erst den Weg zum Rauchen. Andere sehen in den Inhaltsstoffen der Liquids eine potentielle Gefahr und wieder andere sehen in den E-Produkten die Chance, mit dem Rauchen Schluss zu machen. Auch Jens Reimer, Leiter des Zentrums für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg, versteht die Dampfer als eine gesundheitliche Chance: "Denn tatsächlich ist das Tabakrauchen schädlicher als das Dampfen."

Das steckt in E-Zigaretten

E-Zigaretten enthalten eine flüssige Mischung aus Glycerin und Propylenglykol. Diese sind mit Aromen und dem Suchtstoff Nikotin versehen. Beim Rauchen wird dieses Flüssigkeitsgemisch aufgeheizt und verdampft. Das dann eingeatmete Nikotin verursache im Gegensatz zu herkömmlichen Tabak kaum Schäden, so die britischen Mediziner. Beim Verbrennen des Tabaks hingegen entstehen unzählige Giftstoffe, von denen viele als krebserregend bekannt sind. Sie werden mit dem Rauch eingeatmet.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) hält die Studienlage zur Unbedenklichkeit des Dampfens derzeit hingegen für zu schwach. Bei vielen Studien gebe es methodische Mängel, sagt Katrin Schaller vom WHO-Kollaborationszentrum für Tabakkontrolle beim DKFZ und fügt an: "Auch Nikotin ist nicht ganz so harmlos, wie manche glauben." Es beeinflusse im Körper zahlreiche Prozesse.

Auf Basis von Tierversuchen gehe man von weiteren Risiken aus: "Einiges deutet darauf hin, dass Nikotin das Immunsystem schwächt, Arteriosklerose — also das Verstopfen der Venen — und das Wachstum von Tumoren fördert. Wird diese Substanz während einer Schwangerschaft konsumiert, kann sie das ungeborene Kind schädigen. Außerdem wird sie mit Verhaltensstörungen in Verbindung gebracht", sagt Schaller.

Für kritisch hält sie zudem die Inhalation von Aromen. "Sie zu essen ist etwas anderes, als sie auf geschädigtes Lungengewebe zu inhalieren, insebsondere, wenn man das mehrmals täglich und über Monate und Jahre hinweg tut", warnt die Expertin vom DKFZ. Einer Studie der Portland State University in den USA zufolge können Aromastoffe beim Dampfen in bedenklicher Menge aufgenommen werden; sie kam zu dem Ergebnis, dass sogar bei vorgesehenem Gebrauch der E-Glimmstängel der empfohlene Höchstwert für diese Stoffe überschritten wird.

"Wahrscheinlich ist Dampfen gesünder"

"Die Langzeitfolgen des Tabakkonsums sind sehr gut untersucht. Das ist bei den Aerosolen nicht der Fall. Aus methodischen Gründen kann man darum sagen: Wir wissen zu wenig. Praktisch aber muss man sagen: Aller Wahrscheinlichkeit nach ist Dampfen gesünder", sagt hingegen Suchtforscher Reimer. Einige Studien würden sogar belegen, dass es ein Weg für den Umstieg sein könne.

Wer mit dem Rauchen aufhören wolle, fährt nach Auffassung des DKFZ mit dem kalten Entzug am besten: "Die meisten schaffen es ohne Hilfsmittel", sagt Schaller. "Für diejenigen, denen es so nicht gelingt, gilt laut Entwöhnungsexperten eine Nikotinersatztherapie kombiniert mit einer Verhaltenstherapie als das effektivste Hilfsmittel zum erfolgreichen Rauchstopp."

"In Deutschland fehlt die Debatte"

Das sieht Suchtforscher Heino Stöver von der Frankfurt University of Applied Sciences anders: "Bei der Sucht ist es ein langer Prozess des Herauswachens. Das sind Erkenntnisse der letzten 20 Jahre." Er kritisiert darum die abwehrende Haltung der DKFZ und bemängelt den defensiven Umgang mit der E-Zigarette in Deutschland. Statt das Potential eines risikoarmen Gebrauchs der E-Zigarette zu nutzen, werde hierzulande am Verbraucherschutz gespart.

"Mir fehlt die öffentliche Debatte darüber. Man ignoriert gute Beispiele wie die aus England oder auch aus Frankreich, wo es E-Zigaretten-Stores in ähnlicher Aufmache wie Apple-Stores gibt. Hier wird der Verbraucher aus der Unsicherheit heraus, etwas Falsches zu sagen, gar nicht beraten und geführt", kritisiert er. Dadurch werde das Potential der E-Zigarette für Rauchstopp- und Reduktionsversuche nicht annährend ausgeschöpft. "Auch jemandem, der vom Rauchen auf das Dampfen ausweicht, ist gesundheitlich geholfen."

Mittel zum Rauchstopp

Die Mediziner aus Großbritannien sehen in der E-Zigarette das am häufigsten genutzte Mittel zum Rauchstopp. Sie würde beinahe ausnahmslos von ehemaligen Rauchern verwendet. Entgegen den Warnungen des DKFZ vor der E-Zigarette als Einstiegsprodukt zum Tabak, sind sich auch die deutschen Suchtforscher einig: E-Zigaretten können der Weg weg vom Rauchen sein.

(wat)
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