Haut als interaktives Display Mit Tattoos den Gesundheitszustand erkennen

Düsseldorf/Boston · Ein Tattoo, das sich auf der Haut verfärbt und so anzeigt, wenn sich eine Krankheit im Körper ausbreitet? Was sich anhört wie Magie, entwickeln derzeit Forscher in den USA. Es könnte Menschen mit chronischen Erkrankungen helfen.

 Foto von spezieller Tattoo-Tinte auf Schweinehaut. Die Tinte soll je nach Gesundheitszustand die Farbe ändern.

Foto von spezieller Tattoo-Tinte auf Schweinehaut. Die Tinte soll je nach Gesundheitszustand die Farbe ändern.

Foto: MIT Media Lab/Viirj Kan, Katia Vega

Die kleine Blüte auf der Haut sieht aus wie ein normales Tattoo. Doch in der neu entwickelten Tinte, mit der das Tattoo gestochen wurde, steckt Ungewöhnliches: Sie besteht aus Biosensoren. Die Entwickler — Forscher des Massachusetts Institute of Technology (MIT) und der Harvard Medical School — verwandeln damit die Haut in ein interaktives Display. Künftig könnte man so mit einem Blick auf die Körperoberfläche sehen, wie es gesundheitlich um einen bestellt ist.

Helfen könnte das zum Beispiel Diabetes-Kranken. Sie müssen täglich zwischen drei- und zehnmal ihren Blutzuckerspiegel messen. Das geht derzeit nur mit einem Piekser in den Finger. Durch den entnehmen die Betroffenen jeweils einen Blutstropfen, den sie auf einen Teststreifen geben und mit Hilfe eines kleinen Geräts den aktuellen Insulin-Wert bestimmen.

Denkbar ist, dass diese Messung künftig das Tattoo übernimmt. Ganz von selbst und jederzeit ablesbar. Denn Forscher haben vier Biosensoren untersucht, die auf drei verschiedene Veränderungen der Gewebeflüssigkeit reagieren und dann ihre Farbe ändern. Einer davon ist der Glukosegehalt. Steigt er an, verändert sich die Farbe des Tattoos von braun in blau.

Daneben reagiert die Tattoo-Tinte mit dem Namen "Dermal Abyss Ink" noch auf zwei weitere Körperveränderungen: Bei steigendem pH-Wert verändert sich die Farbe von violett zu pink und ein steigender Natriumgehalt ist als leuchtendes grün unter UV-Licht erkennbar.

In diesem Video sehen Sie die Wirkung der Tattoo-Tinte auf Testhaut.

Möglich ist das ohne Verbindung zum Blutkreislauf. Der Grund: in der die Körperzellen umschließenden Gewebeflüssigkeit, auch interstitielle Flüssigkeit genannt, befinden sich neben Wasser weitere Stoffe wie Zucker, Salze oder auch Hormone. Die Konzentration verändert sich analog zu den Veränderungen im Blut. Auf diese Weise funktioniert die Haut über die spezielle Tattoo-Tinte wie ein Display für Blutwerte.

Tests an Schweinehaut

Das Tattoo könnte dennoch nach individuellem Motiv-Wunsch gestaltet sein. Noch aber wird es mit der Wundertinte gestochene Tribals, Sterne oder Schriftzüge nicht geben. Denn die Tinte befindet sich derzeit in der Testphase.

In ersten Versuchen testeten Forscher die Reaktion an Schweinehaut aus, die der menschlichen Haut sehr ähnlich ist. Noch wurde die Spezialfarbe jedoch noch nicht am lebenden Organismus getestet. Solche Untersuchungen wären notwendig, um nicht zuletzt auch Erkenntnisse über die Genauigkeit, die Haltbarkeit der Tattoos und die Allergieverträglichkeit der Tinte zu sammeln.

Auch Pflaster und Minichips analysieren Gewebeflüssigkeit

Schon seit einiger Zeit forschen Wissenschaftler an verschiedenen Möglichkeiten, über Biosensoren Körperfunktionen zu messen. So sorgte zum Beispiel auch ein vom Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme in Duisburg entwickelter Mini-Sensor im Jahr 2012 für Aufmerksamkeit. Dünn wie ein Haar und 15 Millimeter groß kann er über die Tränenflüssigkeit Glukosewerte ermitteln.

"Inzwischen wurde er gemeinsam mit der Firma Noviosense aus den Niederlanden zu einem Produkt weiterentwickelt und könnte bald marktreif sein", sagt Michael Bollerott vom Duisburger Fraunhofer Institut. Wie eine Kontaktlinse soll der Sensor dann durch Vorziehen des Augenlids ins Auge eingebracht werden. Eine spezielle Beschichtung verhindert laut Bollerott ein Fremdkörpergefühl.

Ganz ohne Einstich soll auch ein Pflaster funktionieren, das den Glukosewert über die Haut ermittelt. Dabei klebt der Sensor auf der Haut und liest aus der Gewebsflüssigkeit die nötigen Daten. Die werden über einen weiteren Sensor an ein externes Gerät sendet. Ende 2017 soll es in Großbritannien auf den Markt kommen. Neu ist dieses Messverfahren nicht. Auf einem ähnlichen Prinzip basierte die "GlucoWatch". Eine ihrer Nebenwirkungen waren Hautreizungen und Rötungen. Wegen mangelnder Akzeptanz wurde sie 2007 vom Markt genommen.

(wat)
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