Seniorenpflege Roboter als Krankenschwester der Zukunft?

Düsseldorf/Wien · Die Menschen in Deutschland werden immer älter. Der Pflegeaufwand steigt, doch Pflegekräfte sind rar. Entlastung sollen Roboter bringen. Aber was können Bots genau, wie sehen sie aus und wo kommen sie zum Einsatz?

 In vielen Altenheimen kommt der Kuschelroboter gut an, weil er Demenzkranke emotional erreicht.

In vielen Altenheimen kommt der Kuschelroboter gut an, weil er Demenzkranke emotional erreicht.

Foto: Ev. Diakonie Lindau

Pflegeroboter oder Pflegeheim? Für was würden Sie sich entscheiden, wenn Sie die Wahl hätten? Die Antwort der Deutschen, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung nach befragen ließ, ist eindeutig: 83 Prozent von rund 1000 Befragten können sich vorstellen, einen Service-Roboter zu Hause zu nutzen, wenn sie dadurch im Alter länger zu Hause leben könnten. Mehr als die Hälfte der Befragten wünschen sich schon heute eine elektronische Haushaltshilfe.

In der Industrie selbstverständlich, am Menschen kritisch

Schon jetzt sind Roboter in vielen Bereichen ganz selbstverständlich im Einsatz. Aus der Automobilindustrie sind sie beispielsweise nicht mehr wegzudenken und auch bei Rettungseinsätzen und im Katastrophenschutz spielen sie eine große Rolle. Sie bahnen sich Wege dorthin, wohin Menschen nicht vordringen können. Hitze, Strahlung und giftige Dämpfe können ihnen nicht viel anhaben.

Und auch, wenn ältere Menschen im Alltag nicht mehr alleine zurecht kommen, können Roboter eine Hilfe sein. Während Ethiker und Philosophen noch uneins darüber sind, ob es verwerflich ist, Maschinen für die Pflege oder Roboter zur häuslichen Unterstützung von Senioren einzusetzen, forschen Techniker weltweit seit vielen Jahren daran.

Wobei der Pflegeroboter hilft

Einer dieser Forscher ist Markus Vincze. Er ist Ingenieur am Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik der TU-Wien. Er nutzt sein Wissen, um Bots zu bauen, die mit Senioren zusammen leben und ihnen in den eigenen vier Wänden zur Hand gehen. Eines seiner elektronischen Kinder heißt Hobbit.

Hobbit hat schon in 18 Wohnungen mit Senioren zusammen gelebt. Der mobile Heimassistent soll ältere Menschen bei einfachen Handgriffen auf Befehl unterstützen, Sturzhindernisse beseitigen und im Notfall in Kontakt zum Betroffenen treten und Hilfe verständigen.

Hobbit erinnert an die regelmäßige Medikamenteneinnahme, erkundigt sich nach dem Wohlergehen und sucht die Wettervorhersage aus dem Internet. Die Maschine könnte auch Gymnastik-Übungen anleiten, indem sie auf ihrem Display eine Animation abspielt. Hobbit kennt nach kurzer Zeit die Lieblingsplätze der Betreuten. "Er lernt also dazu", sagt Vincze. Per Gesichtserkennung kann er seine Mitbewohner identifizieren und bleibe laut Vincze "zärtlich in der Nähe des Users stehen".

In der Praxis ist anderes wichtig als im Labor

In der Entwicklungszeit war das Forscherteam manchmal von den Wünschen aus der Praxis überrascht: "Wir wollten ihn zunächst ohne Arme bauen, weil es nur die Hälfte gekostet hätte", sagt Vincze. Dann aber zeigte sich, dass die beliebteste Hilfsfunktion ist, sich Gegenstände vom Bot aufheben zu lassen.

Auch Ingenieure des Fraunhofer Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) arbeiten seit den 1990er Jahren an Servicerobotern, die in Krankenhäusern, aber auch Pflegeheimen oder Hotels an die Seite von Menschen treten sollen. Care-O-bot heißt der Roboter, der sogar einfache Gesten und Gefühle widerspiegeln kann. Über Kameras und Mikrofone erkennt er Personen und versteht, was sie möchten.

Erfahrungen: Der Therapieroboter öffnet Herzen
18 Bilder

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Roboter-Robbe Paro zum Kuscheln

Ähnlich wie auch der Kuschelroboter Paro. Er kommt in Gestalt einer Robbe daher und wird als tierischer Therapeut in Pflegeeinrichtungen eingesetzt. Paro reagiert auf Reize wie Worte oder Berührung und weckt so vor allem bei Demenzkranken Emotionen, und bringt sie zum Sprechen.

Nicht alle aber wollen das so positiv sehen. Der katholische Theologe und Direktor des Forschungsinstituts für Philosophie in Hannover, Jürgen Manemann, fragt sich: "Wie gefühllos ist unser Umgang mit Demenzkranken im Alltag geworden, wenn wir einen Emotionsroboter benötigen, um Patienten zum Sprechen zu bringen?" Einen kurzfristigen Einsatz, kann Manemann verstehen. "Aber das ist kein Ersatz für echte Zuwendung."

Dennoch sind Experten sich sicher, dass man in absehbarer Zeit in der Pflege nicht mehr auf Roboter verzichten kann. Schon jetzt proben zahlreiche Technikfirmen für einen Massenmarkt. Denn die Vorteile der Roboter sind nicht zu übersehen: Sie werden nicht krank und können an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr eingesetzt werden — vorausgesetzt ihre Akkus sind geladen. Unstrittig sind Einsatzbereiche, in denen Roboter Pflegekräfte bei Routinearbeiten entlasten.

Ein Roboter als Pflegekollege

Die Assistenzsysteme sollen ihnen künftig das Heben von Patienten abnehmen oder als Laufbursche in die Krankenhausapotheke huschen, um benötigte Medikamente zu holen. Die Mittel werden per Display und Spracheingabe von Ärzten oder Pflegern eingegeben. Während der Mensch beim Patienten bleiben kann, liefert die Maschine die benötigten Mittel auf den verschiedenen Stationen aus.

Bots, die das können, kommen oft aus japanischen Techniklaboren. Federführend ist seit ihrer Gründung in den 1970er Jahren die Technische Universität Toyohashi (TUT). Sie ist darauf spezialisiert, in allen Bereichen des Lebens für automatisierte Erleichterungen zu sorgen. So wie Pflegeroboter Terapio.

Auf Kommando verschwinden seine Augen vom Display: Stattdessen erscheint dort zum Beispiel eine Patientenakten. In zwei Kliniken kam Terapio schon testweise zum Einsatz und zeigte dort, dass er Patienten an ihrem Gesicht erkennen kann und dann die zu ihnen gehörigen Daten aufrufen kann: Blutdruck, Laborwerte und Informationen, die zur Behandlung abgespeichert wurden. Über einen Voice-Recorder schneidet er die Gespräche zwischen Arzt und Patient mit und speichert sie ab.

Noch aber sind die elektronischen Helfer so teuer, dass sie nicht flächendeckend einsetzbar sind. Nach Einschätzung der Forscher des Fraunhofer Instituts IPA werden Roboter in Altenheimen vermutlich erst in vielen Jahren zum normalen Bild gehören. Ein weiteres Problem: "Viele Care-Roboter sind so groß, dass sie in einer normalen Wohnung nicht zurecht kämen", sagt Vencze. Dennoch scheint es sicher, dass man irgendwann Pflegeroboter leasen kann, so wie es heute für Treppenlifte üblich ist.

(wat)
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