Bluthochdruck oder Diabetes erkennen Krankheiten von den Augen ablesen

Düsseldorf · Wer zum Augenarzt geht, der erwartet eine Diagnose, die seine Augen betrifft. Mit geübtem Blick auf Netz- oder Hornhaut kann der Spezialist aber auch Allgemeinerkrankungen in den Augen erkennen.

Das erwartet man nicht: Eine präventive augenärztliche Untersuchung kann in der Empfehlung münden, besser einmal den Kardiologen aufzusuchen, den Hausarzt oder einen Leberfacharzt. Denn die Augen sind ein offenes Buch, was den allgemeinen Gesundheitszustand einer Person angeht. Im besten Falle verhütet ein frühe Diagnose schwere Folgeerkrankungen, Erblindung oder wie bei Krebserkrankungen sogar den Tod.

Ein versierter Augenarzt kann — wenn auch keine Wünsche — so doch Krankheiten von den Augen seiner Patienten ablesen. Bluthochdruck, Lebererkrankungen, Schilddrüsenkrankheiten oder auch Diabetes lassen sich dort erkennen. Auch können die Augen bei Tumorerkankungen wie bösartigen Lymphomen in Mitleidenschaft gezogen werden oder es bilden sich dort Metastasen. Helfen kann der Augenarzt selbst dann schon, wenn die Patienten vielleicht selbst noch nichts von ihrer Krankheit wissen. Sie profitieren von den Möglichkeiten einer wenig belastenden Früherkennung, die allerdings nichts mit der sehr umstrittenen und wissenschaftlich nicht anerkannten Irisdiagnostik zu tun hat.

Bei den meisten Krankheiten verändern sich Zellen und Zellbestandteile bereits viele Jahre vor dem Auftreten erster Symptome. "Moderne bildgebende Verfahren können solche Prozesse schon früh sichtbar machen", sagt Professor Dr. Frank G. Holz, Präsidiumsmitglied der Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) und Direktor der Universitäts-Augenklinik Bonn.

Welche Spuren Diabetes in den Augen hinterlässt

Oft ist es der Augenmediziner, der nach einer Untersuchung mit seinem Spezialmikroskop die Diagnose "Diabetes Mellitus" stellt. Ablesen kann er das, wenn er am Augenhintergrund die Gefäße der Netzhaut genau betrachtet. Durch die zu hohe Zuckerkonzentration im Blut leiden nämlich besonders die feinen Blutgefäße im Körper, wie die, die die Netzhaut mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen.

Nirgends sonst im Körper können Ärzte Blutgefäße so direkt betrachten, ohne den Patienten auch nur zu berühren. Besonders hilfreich ist diese zusätzliche Diagnose-Möglichkeit für Diabetes, weil diese Erkrankung in Deutschland neben Rheuma und Asthma zu den Volkskrankheiten zählt, wie der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. anlässlich des heutigen Sehbehindertentages bekannt gibt. Die diabetische Retinopathie, wie sie auch genannt wird, ist hierzulande die häufigste Erblindungsursache bei Menschen im erwerbsfähigen Alter. Jedes Jahr verlieren aufgrund dieser Erkrankung rund 2.000 Menschen neu ihr Augenlicht. 30.000 sind in Folge ihrer Diabeteserkrankung in Deutschland blind.

Wenn die Hornhaut sich farbig ringelt

Der Blick durch die Spaltlampe, ein Spezialmikroskop des Augenmediziners, verrät beim Blick auf die Hornhaut schon frühzeitig andere Krankheiten. So auch die so genannte Speicherkrankheiten, bei denen aufgrund von Gendefekten bestimmte Stoffe nicht ausgeschieden und darum im Körper angereichert werden.

Beim Morbus Wilson etwa ist der Kupferstoffwechsel der Leber gestört. Sichtbar wird das dann im Auge: Am Rand der Hornhaut lässt sich mit optischen Spezialinstrumenten ein grünlicher, manchmal auch bräunlicher Ring erkennen. Ein cremefarbenes, wirbelartiges Muster mit einer Hornhauttrübung, die der Patient nicht bemerkt, kann auf eine angeborene Stoffwechselstörung hindeuten. Die sichtbaren Auswirkungen dieser Erkrankung können aber ebenso eine Nebenwirkung des Medikaments Amiodaron sein, mit dem Herzrhythmusstörungen behandelt werden.

Alzheimer und Multiple Skleorse erkennbar

Die Netzhaut liefert schon früh Hinweise auf krankhafte Veränderungen des zentralen Nervensystems. Mittels bildgebender Verfahren sind so Augenärzte in der Lage, Krankheiten wie Multiple Sklerose und Morbus Alzheimer aufzudecken. Die aktuelle Forschung zielt darauf ab, Krankheiten wie beispielsweise Alzheimer-Demenz bereits im Frühstadium durch eine Augenuntersuchung aufzudecken.

Ein typisches Alzheimer-Merkmal sind Ablagerungen des Proteins Beta-Amyloid in Nervenzellen des Gehirns. Bei den Patienten findet sich dieses Eiweiß jedoch auch vermehrt in Augenlinse und Netzhaut. Hochauflösende Bildgebungsverfahren können es nachweisen. Wie sich dadurch künftig die Früherkennung der Krankheit verbessern lässt, untersuchen Wissenschaftler derzeit im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projektes.

Etabliert ist hingegen bereits die Diagnostik am Auge bei Multipler Sklerose (MS). Auch hier können Augenuntersuchungen mit bildgebenden Verfahren frühzeitig auf krankhafte Veränderungen hinweisen. Bei der Autoimmunerkrankung MS zerstört die körpereigene Abwehr die schützenden Hüllen der Nervenfasern. Per optischer Kohärenztomografie lassen sich die Nervenfasern der Netzhaut abbilden und analysieren. "Studien an MS-Patienten zeigen, dass sich so selbst minimale Verdünnungen der Nervenfasern in der Netzhaut präzise messen lassen", berichtet Holz. Bei einer Multiplen Sklerose sind Sehstörungen mit einer Minderung der Sehschärfe und Augenbewegungsstörungen ein häufiges Symptom.

Fachkundigen Blick zur Früherkennung nutzen

"Nirgends können Ärzte Blutgefäße so leicht und für den Untersuchten so wenig belastend betrachten wie am Auge", erklärt Prof. Nicole Eter, Direktorin der Augenklinik am Universitätsklinikum Münster. Der Zustand der feinen Blutgefäße, die die Netzhaut des Auges versorgen, lässt Rückschlüsse auf das gesamte Blutgefäß-System zu.

Mit der Funduskopie, der Untersuchung des Augenhintergrunds, gewinnt der Augenarzt deshalb Erkenntnisse über das Vorliegen einer Zuckerkrankheit oder über Gefäßschäden, die durch Bluthochdruck entstehen und das Risiko eines Schlaganfalls steigern. Gefäßverschlüsse im Auge können auf Störungen im Blutkreislauf hindeuten, beispielsweise auf eine genetisch bedingte Neigung zu Thrombosen.

Was wie ein banales "rotes Auge" aussieht, kann dann eine das Sehvermögen bedrohende, rheumatische Entzündung sein. Auch Autoimmunkrankheiten wirken sich auf die Augen aus und lassen sich so leicht von ihnen ablesen. Beim Morbus Basedow greift das Immunsystem häufig die Schilddrüse an. Bei der Hälfte der Patienten, erklärt Die Augenfachärztin aus Münster, wendet sich diese Immunreaktion auch gegen das Gewebe der Augenmuskeln und das die Augen umgebende Fettgewebe. Die Entzündung führt meist dazu, dass die Augen hervortreten. Die Bindehaut wird rot, der Blick wird starr. Die Patienten klagen über tränende und irritierte Augen. "In schweren Fällen sehen sie Doppelbilder, die Hornhaut kann in Mitleidenschaft gezogen werden, sogar der Sehnerv kann irreversible Schäden davontragen", sagt Prof. Nicole Eter.

Aufschluss gibt das Auge zudem über Medikamentennebenwirkungen, die so gravierend sein können, dass das Medikament auf Anraten des Arztes abgesetzt werden sollte. Das kann vor allem bei Medikamenten gegen Herzrhythmusstörungen der Fall sein, Rheumamitteln oder Kortison.

(wat)
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