Verfallsdatum Medikament abgelaufen - und was jetzt?

Das Verfallsdatum von Medikamenten sollte immer eingehalten werden. Es gibt aber Ausnahmen. Im Zweifelsfall berät der Arzt oder Apotheker.

Verfallsdatum: Medikament abgelaufen - und was jetzt?
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Man leidet unter akuten Schmerzen und hat aber nur eine Packung Paracetamol daheim, die vor drei Jahren abgelaufen ist. Einnehmen oder wegwerfen? Grundsätzlich sollte man aus gesundheitlicher und rechtlicher Sicht abgelaufene Medikamente nicht mehr einnehmen und sie entsorgen, darin sind sich die Experten einig. "Man sollte sich an das halten, was auf der Verpackung steht", sagt Marie Erdmann von der Mauritius-Apotheke in Meerbusch-Büderich. Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund ums Thema.

Worin besteht die Gefahr bei der Einnahme von abgelaufenen Medikamenten?

Man kann nicht genau wissen, was chemisch mit dem Wirkstoff passiert ist. "Der Wirkstoff könnte sich in seine Einzelteile zersetzen, einfach abgebaut oder in einen anderen - manchmal sogar toxischen - Wirkstoff umgewandelt haben", so Erdmann. Deshalb haben alle Arzneimittel zum Schutz der Patienten ein Verfallsdatum.

Wovon hängt die Haltbarkeit ab?

Die Haltbarkeit von Medikamenten ist nicht die gleiche wie zum Beispiel die von Lebensmitteln. Brot, Fisch oder Fleisch sind mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum etikettiert. Man kann sie - solange sie nicht verpilzt oder mit Salmonellen belastet sind - ruhig einige Tage nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums weiterhin verwenden. "Arzneimittel haben dagegen ein echtes Verfallsdatum", so Mario Reichert von Oberkasseler Apotheke in Düsseldorf.

Wie lange halten sich Medikamente?

Das hängt meistens von ihrer Darreichungsform ab. Tabletten halten sich zwischen zwei bis drei Jahren, während Salben, Cremes und Gele nur drei bis sechs Monate und Säfte nur wenige Tage nach Anbruch haltbar sind. "Paracetamol-Saft ist nach Anbruch nur noch drei Monate haltbar, die Tabletten dagegen sind es noch zwei bis drei Jahre danach", sagt Erdmann.

Gilt das für alle Arzneimittel?

Nein, denn es gibt auch Medikamente, bei denen die Haltbarkeit vom Wirkstoff abhängt. "Zum Beispiel der Wirkstoff Metronidazol: Er zersetzt sich in Stickoxide, deshalb sollte man Arzneimittel egal welcher Form - feste, halbfeste oder flüssige - mit diesem Wirkstoff nicht nach Ablauf des Verfallsdatums einnehmen", rät Apotheker Reichert.

Was bedeutet das Verfallsdatum?

Das Verfallsdatum ist eine Garantie dafür, dass das Medikament bis zum genannten Datum seine angegebene Wirkung beibehält. Tut es dies unter den im Beipackzettel stehenden Bedingungen nicht, haftet der pharmazeutische Unternehmer dafür. Außer dem Verfallsdatum gibt es zusätzlich Angaben zur Haltbarkeit nach dem ersten Öffnen.

Wer legt das Verfallsdatum fest, und wie wird es herausgefunden?

Ein Unternehmen muss, bevor es ein Medikament auf den Markt bringt, mehrere Tests mit dem Präparat durchführen. Dabei wird es dann unter anderem auf das Verhalten und die Eigenschaften des Wirkstoffes geprüft. Während das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Richtlinien für ein Arzneimittel aufstellt, liegt die Verantwortung darüber bei den Herstellern.

Gibt es Medikamente, die man unbedenklich weiter nehmen kann?

Ja. "Aus chemischer Sicht halten Schmerzmittel wie Ibuprofen, Paracetamol und Aspirin länger, als das Verfallsdatum angibt, da der Wirkstoff an sich erhalten bleibt", so Reichert, "allerdings ist aus pharmazeutischer Sicht dringend davon abzuraten, die Medikamente etwa Jahre später noch einzunehmen" - da auch diese Wirkstoffe sich mit der Zeit zersetzen und an Wirkung verlieren. "Aspirin, also Acetylsalicylsäure, zersetzt sich mit der Zeit unter anderem in Essigsäure", sagt Erdmann.

Wie lange können sich Wirkstoffe halten?

Das ist unterschiedlich. Ein Beispiel für eine sehr lange Haltbarkeit sind ein Pfund von Aspirin-Tabletten aus Wehrmachtsbeständen aus dem Zweiten Weltkrieg. Chemische Tests haben gezeigt, dass die Acetylcystein-Kristalle zwar pelzartig aus den Tabletten herausgewachsen waren, aber dass der Wirkstoff mit einem Gehalt von 80 Prozent immer noch wirkungsfähig war. Aspirin bleibt demnach eine ganze Weile haltbar - und auch noch eine gewisse Zeit nach dem Überschreiten des Verfallsdatums.

Welche Medikamente sollte man nach Ablauf des Verfallsdatums meiden?

Vor allem flüssige Medikamente wie Augentropfen, Salben, Säfte und Gele, da sie sehr anfällig für Keime sind. Dennoch schreibt die Deutsche Apotheker-Zeitung, dass Medikamente nach dem Überschreiten des Verfallsdatums wegen eines Wirkstoffverlusts oder einer Substanzveränderung nicht zwingend unbrauchbar werden.

Auf welche Inhaltsstoffe sollte man achten, wenn ein Arzneimittel abgelaufen ist?

Beispiele für Stoffe, die in Medikamenten enthalten sind und die man nicht mehr nutzen sollte sind: Hydrochlorothiazid, welches oft in Blutdruckmitteln zu finden ist, Tetrazyklin, zu finden in Antibiotika, sowie Codein, welches in Schmerzmitteln enthalten ist. Ebenfalls sollte man alle Medikamente, die regelmäßig eingenommen werden müssen wie etwa der Blutverdünner Marcumar, Antiepileptika oder Insulin, nicht weiter verwenden.

Warum sind diese Stoffe gefährlich?

Diese Stoffe können sich nach dem angegebenen Verfallsdatum in toxische Stoffe verwandeln und somit teilweise sogar lebensgefährlich werden.

Was passiert beim Verfallsprozess?

Das ist wirkstoffabhängig. Eins steht allerdings fest: Es kann sein, dass sich ein Medikament nach Ablauf des Verfallsdatums in seine einzelnen Bestandteile zersetzt. Dies erkennt man vor allem bei Cremes. Drückt man die abgelaufene Creme aus der Tube heraus, sieht man nämlich zunächst nur eine Flüssigkeit und danach eine etwas festere Struktur.

Worauf sollte man daheim vor dem Gebrauch achten?

Ein weiterer Faktor der Haltbarkeit von Arzneimitteln ist neben der Darreichungsform und den Wirkstoffen auch die Lagerung der Medikamente. Manche Wirkstoffe, wie zum Beispiel Insulin, müssen im Kühlschrank aufbewahrt werden. Andere, wie Nitrendipin, müssen trocken gelagert werden, sind aber lichtempfindlich, dürfen also nicht in der Sonne liegen.

Was kann bei falscher Lagerung passieren?

Häufig verliert der Wirkstoff (und damit das Medikament) einfach an Wirkung. "Gerade wenn man seine Medikamente in einer Tablettenbox für die Woche aufbewahrt - wie vor allem Senioren es machen -, kann es passieren, dass die Box am Montag gefüllt wird, doch der Wirkstoff sich innerhalb der Woche zu zersetzen beginnt und an Wirkung verliert, so dass am Freitag nur noch die Hälfte des Wirkstoffes in der Tablette ist", sagt die Meerbuscher Apothekerin Erdmann.

Wie lagert man Medikamente richtig?

Apotheker empfehlen, Medikamente stets originalverpackt nach den Hinweisen im Beipackzettel zu verwahren. "Die meisten Medikamente müssen trocken gelagert werden, also nicht im Bad oder in der Küche, wo es feucht ist. Daher empfiehlt es sich den Medikamentenschrank im Schlaf- oder Wohnzimmer zu haben."

Was ist bei der Einnahme von Medikamenten zu beachten?

Man sollte sich bei nicht festen Arzneimitteln wie Salben, Cremes, Gelen und Säften das Anbruchsdatum merken oder draufschreiben. Denn auch wenn das Verfallsdatum noch weit voraus ist, halten sich die nicht festen Medikamente nach Anbruch nur eine sehr kurze Zeit "Wie bei ACC-Kindersaft, da kann als Verfallsdatum der 1. Januar 2019 stehen, aber nach Anbruch ist er nur noch 18 Tage haltbar", so Erdmann. Viele Medikamente haben deshalb auf ihrer Verpackung eine Fläche für den Vermerk des Anbruchsdatum: "Geöffnet am . . ."

Wohin entsorgt man das abgelaufene Medikament?

Die Entsorgungsrichtlinien von Arzneimitteln sind von Stadt zu Stadt überaus unterschiedlich. In Düsseldorf und Umgebung beispielsweise können die Medikamente in den Hausmüll, weil sie verbrannt werden. Anderswo kommen sie auf die Mülldeponie. Eine sichere Art der Entsorgung ist es, die Medikamente in der Apotheke abzugeben. Auf keinen Fall darf man Arzneimittel in der Toilette und der Spüle entsorgen.

Weitere Hinweise zur Entsorgung von Arzneimitteln erhält man auf der Internetseite www.arzneimittelentsorgung.de.

(RP)
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