Comeback der Kneipp-Kur Lifestyle mit Pfarrer Kneipp

Abhärten, Vorbeugen: Das ist die knappe Zusammenfassung der Therapie nach Sebastian Kneipp. Seine Heilmethode ist moderner und gefragter denn je.

Wasser, Wasser und noch einmal Wasser. Nichts als Wasser. Kalt, klar, manchmal mit hohem Druck verteilt. Nur Wasser, sonst nichts. Das ist die schlichte Basis der Kneipp-Therapie. Neudeutsch heißt Hydrotherapie das, womit sich Sebastian Kneipp, mit 28 Jahren an normalerweise tödlicher Tuberkulose erkrankt, selbst heilte. Er wurde dennoch 76 und starb im Jahr 1897 - nachdem er vielen anderen Menschen ebenfalls mit seiner Wasser-Therapie geholfen hatte. Viele Ärzte und Apotheker hatten ihn als Kurpfuscher verklagt, seine Patienten jedoch verehrten ihn als eine Art Superstar.

"Dann machen wir jetzt einfach mal einen Gesichtsguss", sagt die resolute Therapeutin in ihrem mit Fliesen-gekachelten Arbeitsraum. Was? Einen Gesichtsguss? Das geht aber nicht. Die Frisur! Das Make-up! Die Therapeutin grinst. "Kommt nix dran. Einfach nach vorne beugen!" Und schon schießt ein eiskalter Wasserstrahl mit hohem Druck durchs Gesicht, einmal rechts, einmal links, einmal rundherum. Fertig ist der Gesichtsguss für genau 4,95 Euro. Und sowohl Frisur als auch Make-up sitzen tadellos. Man fühlt sich nur erfrischter. "Genau: Ist gut gegen Kopfschmerz", sagt unsere nun plötzlich neue Freundin, die seit 40 Jahren im "Kneippianum" in Bad Wörishofen arbeitet.

Aktive Vorbeugung ist angesagt

Denn genau dort wird auf Basis der Lehre von Sebastian Kneipp noch heute therapiert. Ganz modern, versteht sich. Zwar gründete Kneipp im Jahr 1896, kurz vor seinem Tod, das Haus noch selbst, mittlerweile hat es aber eine sehr umfassende Frischzellenkur bekommen. Mit dem Ergebnis, dass die eigentlich als altmodisch geltende Kneipp-Therapie (ähnlich wie die Schroth-Kur) als Lifestyle gilt und dem Präventionsgedanken entspricht, den Gesundheitsexperten für immer wichtiger halten.

In ein Wellnesshotel reisen, sich von einer Liege zur nächsten bewegen, massieren und im Gesicht oder an den Füßen behandeln lassen, ohne selbst aktiv zu sein - das gehört für viele der Vergangenheit an. Aktive Vorbeugung ist angesagt und wird von den Krankenkassen auch gefördert. In Bad Wörishofen kann man "schnuppern", wie so etwas geht. Aber: "Eine Woche ist fast zu wenig", sagt Kneippianum-Chefin Christiane-Maria Rapp. Sie empfiehlt zwei Wochen Aufenthalt, erst dann merke man eine Veränderung im Körper. Die Güsse zum Beispiel seien sehr anstrengend für den Körper, Ruhephasen darum wichtig. Besser seien natürlich drei oder vier Wochen - dann sei man fit und brauche sich für lange Zeit keine Gedanken um Husten, Schnupfen, Heiserkeit machen, so Rapp. Vor allem, wenn man dann noch jedes Jahr wiederkomme - wie es viele Gäste tun.

Die fünf Säulen der Kneipp-Therapie

Zur Wassertherapie gehören eben die Güsse für Gesicht, Oberschenkel (fördern das Einschlafen), Armbäder, kalte Waschungen morgens im Bett oder Fußbäder.

Die Ernährung sollte ausgewogen, regional und saisonal zusammengesetzt sein; der Schweinsbraten ist tabu, ein leichtes Abendessen nimmt man zum Beispiel im Kneippianum um 18.15 Uhr zu sich. Heilfasten nach Buchinger wird von den Stammgästen vorzugsweise vor Ostern gebucht.

Bewegung gehört zur Kneipp-Therapie ebenso dazu: tägliche Gymnastik, Abendwanderungen oder Qigong-Kurse sind Bestandteil einer Kneipp-Kur in Bad Wörishofen oder einem der anderen 77 Kneipp-Kurorte in Deutschland.

Und weil nach Auffassung der Kneippianer für jedes Problem oder Wehwechen ein Kraut gewachsen ist (Rapp), werden Kräuter in Arm-, Sitz- oder Wannenbäder gegeben: Wacholder bei Gelenkproblemen, Baldrian zur Beruhigung, Rosmarin zur Anregung, Weihrauch in den abendlichen Wickel oder Zitronengras im Sommer zur Erfrischung am Morgen. Aber auch Tees aus Kräuter, wie sie im Kräutergarten in Wörishofen wachsen, seien sinnvoll, heißt es bei Kneipp. Wer weiß schon, dass Stiefmütterchen-Tee gut bei Hautproblemen helfen soll?

Das fünfte Kapitel ist etwas komplizierter als ein Tee-Aufguss: "Ordnung in die Seele bringen" ist es überschrieben und will Aufmerksamkeit, Achtsamkeit für einen selbst in den Mittelpunkt stellen. Fragen wie "Was gibt mir Kraft?" oder "Gibt es für mich Leben mit Gott" gehören bei einer klassischen Kneipp-Kur zu den Gesprächsrunden. Tägliche Gottesdienste, Meditationen, spirituelle Wanderungen sind im Angebot, müssen aber nicht angenommen werden.

Hinterher lohnt es sich, das Gelernte daheim anzuwenden

Das Gute an der Kneipp-Therapie: Hat man einmal verstanden, um was es geht, kann man es in seinen Alltag zuhause einbringen. Oder mit einem der 6000 Kneipp-Vereine in Deutschland vor der eigenen Haustür üben. Oder es wie der Abteilungsleiter eines Unternehmens macht: Nachdem er in Bad Wörishofen erste erfrischende Erfahrungen mit Kneipp-Güssen gemacht hatte, führte er sie sofort in seiner Firma ein. Seitdem seine Mitarbeiter regelmäßig nachmittags Armbäder machen, so hat er es später im Hotel erzählt, seien alle wesentlich besser gelaunt, machten weniger Fehler und seien viel konzentrierter.

(RP)
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