"Biggest-Loser"-Kandidat aus Kaarst "Man wird da nicht richtig als Mensch wahrgenommen"

Düsseldorf · Stefan Hentschel ist der schwerste Kandidat, der jemals in der Sat.1-Show "The Biggest Loser" mitgemacht hat. Nach nur zwei Wochen flog der Kaarster aus der fünften Staffel - im Interview erzählt er, was wirklich hinter den Kulissen los ist.

 Stefan Hentschel (34) hat 2013 bei der fünften Staffel der Sat.1-Sendung "The Biggest Loser" mitgemacht. Drei Jahre später berichtet er von seinen Erfahrungen.

Stefan Hentschel (34) hat 2013 bei der fünften Staffel der Sat.1-Sendung "The Biggest Loser" mitgemacht. Drei Jahre später berichtet er von seinen Erfahrungen.

Foto: Sat.1

Herr Hentschel, Sie haben 2013 bei "The Biggest Loser" mitgemacht. Wieviel haben Sie damals gewogen, und wie groß sind Sie?

Hentschel Ich bin 1,90 Meter groß und habe damals 245 Kilo gewogen. Damit bin ich bis heute der schwerste Kandidat, der jemals bei der Sendung mitgemacht hat.

Und wieviel wiegen Sie heute?

Hentschel Heute sind es knapp 230 Kilo.

Anmerkung der Redaktion: In der Sendung "The Biggest Loser" treten Kandidaten mit sehr starkem Übergewicht gegeneinander an. Wer am Ende am meisten Gewicht verliert, gewinnt 50.000 Euro. Die gesamte Drehzeit geht über sieben Monate. Die ersten zehn Wochen verbringen die Kandidaten in einem Camp. Jede Woche fliegt jemand raus. Am Ende der sieben Monate kommen alle Kandidaten zum Finale zusammen und werden noch einmal gewogen. Sieger wird, wer die gesamten zehn Wochen im Camp verbracht hat und in den Monaten zu Hause am meisten Gewicht verloren hat.

Was hat Sie damals dazu gebracht, bei der Sendung mitzumachen?

Hentschel Da muss ich etwas ausholen. Ich bin mein ganzes Leben lang schon zu dick gewesen. Bei meiner Geburt wog ich über fünf Kilo bei einer Körpergröße von 50 Zentimetern, und auch später war ich immer einer der Größten und Dicksten. Irgendwann habe ich alles mögliche versucht, um das zu ändern. Ich habe die verschiedensten Diäten gemacht, es mit Sport probiert und so weiter. Aber das hatte alles nur einen kurzfristigen Effekt. Irgendwann wollte ich mir sogar den Magen verkleinern lassen, aber die Kasse hat mir das nicht bezahlt. Dann habe ich mir auch noch den Fuß gebrochen, saß zu Hause herum und habe gegessen. Das war der Punkt an dem ich so verzweifelt war, dass ich gesagt habe: Das ist meine letzte Chance, jetzt mache ich da mit.

Das heißt, Sie haben sich die Sendung angesehen und das Konzept hat Sie überzeugt?

Hentschel Naja, als Zuschauer denkt man sich nur: "Mein Gott, haben die alle toll abgenommen." Und wenn man mein Körpergewicht hat, dann wünscht man sich eben auch, das so hinzubekommen.

Und als Sie dann selbst im Camp waren, wie ging es Ihnen?

Hentschel Das besondere an dem Programm ist, dass man für die Zeit im Camp völlig von der Außenwelt abgeschottet ist. Man muss sogar sein Handy abgeben, und so hat man komplett Ruhe, um sich ausschließlich auf das Abnehmen zu konzentrieren. Außerdem ist jeder in der gleichen Situation, alle haben das gleiche Leid und man unterstützt sich auch gegenseitig, trotz des Wettkampfs.

Aber hat Ihnen das geholfen?

Hentschel Für mich mit meinem Gewicht war es schwierig, weil ich nicht so schnell abnehmen konnte, wie die anderen. In der ersten Woche waren es schon knapp zehn Kilo, aber in der zweiten nur noch etwas über zwei.

Aber zehn Kilo in einer Woche - das ist doch extrem viel.

Hentschel Sie wissen ja sicher, dass man nur bleiben kann, wenn man prozentual auf sein Körpergewicht gerechnet besonders viel abnimmt. Um nur 2,5 Prozent abzunehmen hätte ich also rund sechs Kilo verlieren müssen - und das quasi jede Woche, um im Wettbewerb zu bleiben. Bei einem der nur 150 Kilo wiegt, sind es nicht mal vier Kilo pro Woche. Das geht natürlich deutlich leichter.

Wie ist es denn möglich, dass die Kandidaten jede Woche so viel Gewicht verlieren?

Hentschel Man muss im Kopf behalten, dass dort nur sehr stark übergewichtige Menschen hingehen. Und man muss schon sehr viel anders machen: Wir durften beispielsweise nur noch Wasser trinken. Dann wurde immer frisch gekocht. Morgens gab es Brot und Obst oder auch ein Müsli, mittags dann Huhn oder Fisch mit Salat und obendrein jeden Tag ein Sportprogramm und die Challenges. Da purzeln schnell viele Kilos.

Ein wirklich straffes Programm. Wie ging es Ihnen denn damit?

Hentschel Als schwerster Kandidat, der jemals dort war, habe ich schon sehr mit mir zu kämpfen gehabt. Man hat die ganze Zeit sehr viel Druck abzunehmen, das Tagesprogramm mit den ganzen Drehs teilweise bis nachts ist sehr stressig, und dann kommt noch die Hitze in Spanien dazu. Ich muss sagen, eigentlich war ich am Ende schon froh, raus zu sein.

Sie wollten gar nicht mehr weitermachen?

Hentschel Eigentlich nicht, nein. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so viel Sport gemacht und so wenig gegessen wie dort. Aber irgendwann taten mir auch einfach die Knochen weh, ich hatte mir bei einer Challenge das Knie verdreht und konnte nicht so intensiv Sport machen - und ich hatte eben das höchste Ausgangsgewicht. Trotzdem kamen dann noch Vorwürfe, dass ich mich nicht genug anstrengen würde. Das war mir insgesamt zu viel.

Das klingt, als ob man von der Crew nicht viel Unterstützung bekommt.

Hentschel Letztlich ist es eben so, dass die Produktionsfirma und das Team mit einem Geld machen wollen. Man wird da nicht richtig als Mensch wahrgenommen. Klar, man bekommt Ernährungsberatung, muss für sich selbst kochen und macht jeden Tag Sport, aber das Menschliche fehlt.

Und wie war der Tag an dem Sie rausgeflogen sind?

Hentschel Man wird ja nicht wirklich vor der Kamera gewogen, sondern morgens im Camp. Was man wiegt, erfährt man aber nicht gleich. Dann wird man mit einer Attrappen-Waage von Christine Theiss vor der Kamera gewogen. Tatsächlich hält hinter der Kamera aber jemand ein Schild hoch, auf dem steht, wie viel man zu- oder abgenommen hat - und dann wird die Reaktion der Teilnehmer gefilmt.

Klingt nicht sehr angenehm. Bekamen Sie denn sonst irgendeine psychologische Unterstützung, zum Beispiel um zu klären, in welchen Situationen Sie besonders stark zum Essen neigen?

Hentschel Nein. Es gab eine Camp-Ärztin, aber dass da jemand von der Crew mal ein zwischenmenschliches Gespräch geführt hätte... das gab es nicht.

Ok, und dann sind Sie also rausgeflogen und waren wieder zu Hause. Bekommt man danach noch Unterstützung?

Hentschel Und das ist eben der Punkt, an dem man merkt, dass man am Ende für die nur eine Nummer ist: Wenn man aus dem Camp raus ist, interessiert sich niemand mehr für einen. Zwar rufen die bis zum Finale regelmäßig an, um das aktuelle Gewicht zu erfragen, aber das so eine Christine Theiss mal fragt, wie die Lage gerade ist, das gibt es nicht. Man muss danach alles alleine machen, und das werfe ich "The Biggest Loser" auch vor.

Und haben Sie das hinbekommen?

Hentschel So lange ich das Finale vor Augen hatte, ja. Ich wollte dort unbedingt mit einer eins statt einer zwei am Anfang des Gewichts auftauchen, und das habe ich auch geschafft. Innerhalb der sieben Monate Drehzeit habe ich fast 50 Kilo abgenommen.

Und nach dem Finale?

Hentschler Ganz ehrlich, direkt nach dem letzten mal Wiegen habe ich das erste Bier getrunken. Ich war einfach froh, dass die Zeit jetzt vorbei war, das langfristige Abnehmen ist ja auch anstrengend. So bin ich eigentlich direkt nach dem Finale wieder in meine alten Verhaltensweisen gerutscht. Damals war ich auch noch arbeitslos, hatte Zukunftsängste, und dann sitzt man eben viel zu Hause und isst - jedenfalls, wenn man meine Veranlagung hat.

Hat Ihnen die Zeit dort irgendetwas gebracht?

Hentschel Was ich schon sagen kann ist, dass ich mich insgesamt viel gesünder ernähre. Ich koche alles frisch und selbst, und esse nichts mehr aus der Tüte. Aber ich bin 34 und wiege 230 Kilo. Ich weiß, wenn ich nicht mehr tue, dann werde ich vermutlich keine 50 Jahre alt, deswegen habe ich mich jetzt für eine Magenverkleinerung entschieden.

Würden Sie denn jemandem empfehlen, zu "The Biggest Loser" zu gehen?

Hentschler Da kann ich nur sagen: Das muss wirklich jeder für sich selbst entscheiden.

(ham)
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