Ernährung Mehr Ausdauer durch Low-Carb

Tübingen · Wenig Kohlenhydrate, viel Eiweiß - darauf basiert Low-Carb. Besonders gut soll sich das Diät-Konzept für Ausdauersprotler eignen. Die könnten so statt aus Zucker ihre Energie vor allem aus den Fettreserven des Körpers ziehen.

So funktioniert die Paleo-Diät
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Foto: shutterstock/ Evgeny Litvinov

Für Schwaben gibt es kaum etwas Leckereres als eine frische Butterbrezel. Doch wenn der Nährstoffexperte Wolfgang Feil zum Bäcker geht, holt er sich die Laugenbrezel ohne Belag. "Ich kaufe keine Butterbrezel mehr, sondern nur die Brezel und mache daheim zentimeterdick Butter drauf", erklärt der Sportwissenschaftler und Buchautor aus Tübingen. Bei den Bäckern sei ihm der Belag zu dünn, "weil die meinen, man sollte Butter einsparen".

Aus Angst vor hohen Cholesterinwerten tun das heutzutage viele Menschen. Feil, der eine Reihe von Spitzensportlern wie den Marathonläufer Arne Gabius und den Triathleten Jan Frodeno berät, sieht das anders. "Wir empfehlen den Leuten, mehr Butter zu nehmen, weil die Fettsäuren darin richtig gesund sind", sagt der Biologe.

Diese Auffassung ist Teil eines Konzepts, das den Titel Low Carb trägt - eine kohlenhydratreduzierte Ernährung, die den Schwerpunkt auf Fette legt und besonders im Ausdauersport verbreitet ist. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung in Bonn rät in ihren allgemeinen Empfehlungen zu einem Anteil von mindestens 50 Prozent Kohlenhydrate, etwa 30 bis 35 Prozent Fett sowie 15 bis 20 Prozent Eiweiß, erklärt DGE-Sprecherin Antje Gahl. Im Low-Carb-Modell ist das anders. Feil empfiehlt knapp ein Drittel Kohlenhydrate und 50 Prozent Fett, das damit als Energielieferant für Sportler stärker betont wird.

Die Speicherkapazität für Kohlenhydrate, die im Körper zu Glucose abgebaut werden - also zu Zucker, sei begrenzt, schreiben der Diätkoch Wolfgang Link und der Mediziner Jürgen Voll in ihrem Buch "Low-Carb für Sportler". Dagegen habe selbst ein schlanker Körper durch seine Fettreserven "nahezu unbegrenzt Energie für Ausdauerbelastungen zur Verfügung. Bei mittel- und langfristigen Aktivitäten rücken daher die Fette als Energielieferanten in den Mittelpunkt." Low-Carb-Verfechter raten Sportlern deshalb, ihren Fettstoffwechsel zu trainieren.

Indem sie weniger Kohlenhydrate essen, greife der Körper mehr auf Fette als Energielieferanten zurück, argumentieren Link und Voll.
Außerdem steige die Zahl der auch Zellkraftwerke genannten Mitochondrien, in denen Fette verbrannt werden. Fettsäuren würden vor allem in den Typ-1-Muskelfasern verbrannt, die auf Ausdauerleistungen mit begrenztem Kraftaufwand ausgerichtet seien. Die für Kraft und Schnellkraft zuständigen Typ-II-Muskelfasern bevorzugten Zucker (Glucose) als Treibstoff.

Daher verringern zum Beispiel Langstreckenläufer während langer Trainingsphasen die Kohlenhydrate und füllen ihre Glycogenspeicher erst in den Tagen vor dem Wettkampf auf. Mit diesem "Carboloading" ist gewährleistet, dass der Athlet etwa bei Zwischensprints oder Anstiegen genügend Zuckerreserven hat. "Train low, compete high", heißt diese Strategie.

Allerdings gilt es, hochwertige Fette zu konsumieren, betonen Link und Voll. In der "Logi"-Methode, die sie vertreten, machen neben Milch und Butter die einfach ungesättigten Fettsäuren etwa aus Olivenöl oder Nüssen den Löwenanteil aus. Auch Omega-3-Fettsäuren seien gut, zum Beispiel von fettem Fisch oder Wildfleisch. Feil empfiehlt, zu jeder Mahlzeit eine große Portion Gemüse zu essen.

Link und Voll beschreiben dazu Rezepte wie Mangoomelett mit Schinken, Spinatsuppe mit Paranüssen oder Thunfischsalat mit Artischocken.
Besonders zucker- und stärkehaltige Lebensmittel wie Süßigkeiten oder Kartoffel sollten aber reduziert werden, um den Blutzucker- und Insulinspiegel weitgehend konstant zu halten. Auch Arne Gabius folgt dem Low-Carb-Modell. Er lief bei seinem Marathon-Debüt im Oktober in Frankfurt/Main die viertschnellste Zeit eines Deutschen überhaupt. Doch nicht nur für Topathleten, auch für Freizeitsportler sei "Train low, compete high" ideal, sagt Feil.

Hans Braun von der Deutschen Sporthochschule Köln zweifelt Low Carb nicht grundsätzlich an, steht ihm aber skeptisch gegenüber. Der Ernährungswissenschaftler glaubt, dass es auch Einfluss auf die Trainingsfreude hat. Sei der Blutzuckerspiegel aufgrund der geringeren Menge an Kohlenhydraten niedrig, stiegen Ärger und Aggressionen an. "Die Freude am Sport wird einem genommen. Hier sollte man auch einen Blick auf die breite Masse haben." Denn was suche der normale Freizeitsportler? "Doch Erholung, Spaß und Freude", sagt Braun. Physiologie und Psychologie könne man nicht trennen.

Außerdem nennt Braun eine höhere Krankheitsanfälligkeit und ein größeres Risiko von Muskelverletzungen als mögliche Folgen von Low Carb. Bekomme der Körper bei intensiver Belastung nicht genügend Kohlenhydrate, greife er auch auf den Proteinstoffwechsel, also Eiweiße, als Energie zurück. "Das kann eventuell negativ auf die Muskulatur und das Immunsystem wirken" sagt der Sportwissenschaftler. Immunzellen bestünden zu einem großen Teil aus Eiweiß.

Feil hält dagegen, eine zu große Menge an Kohlenhydraten führe im Körper zu Entzündungen und senke damit die Leistungsfähigkeit. Am Ende müssen Sportler selbst ausprobieren, mit welcher Ernährung sie zurechtkommen.

(dpa)
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