Buchtipps Kind und Karriere vereinbaren

Wer Familie und Beruf unter einen Hut bringen will, muss gut organisieren können. Er sollte sich auch von den aktuellen Sachbüchern zu dem Thema nicht abschrecken lassen.

Wer Ende Zwanzig ist, will oft beides: Einen Job und ein Kind. Jahrelang hat man die Ausbildung gemacht oder studiert, dann den Berufseinstieg geschafft. Die Familiengründung wäre für viele jetzt der nächste Schritt. Doch wenn der Tag im Job lang war, melden sich bei vielen die Zweifel. Beides zu vereinbaren, schafft man das überhaupt? Oder läuft man sehenden Auges in die Überforderung? Und wenn ja: Welche Schlüsse zieht man dann daraus? Lässt sich die Überforderung von vorneherein mit guter Planung umgehen?

Im Abstand von wenigen Monaten sind zuletzt mehrere Sachbücher auf den Markt gekommen, in denen es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht. Bei allen Unterschieden haben die Bücher eine gemeinsame Kernaussage: Familie und Karriere - so wie sie bisher gedacht werden - sind unvereinbar.

Die "Zeit"-Redakteure Marc Brost und Heinrich Wefing arbeiten in ihrem Buch vier Ursachen heraus, mit denen sie die Unvereinbarkeit begründen. Da ist die Beschleunigung des Arbeitslebens. Durch neue Kommunikations- und Transportwege habe sich die Geschwindigkeit im Job erhöht. Im Beruf müssten Mitarbeiter sich immer schneller und häufiger in Neues einarbeiten. Dadurch bleibe weniger Zeit für die Familie. Gleichzeitig brechen traditionelle Geschlechterrollen weg. Frauen wollen und müssen heute berufstätig sein. Väter wollen sich in der Familie stärker einbringen. Neue Rollenvorbilder fehlen bislang. Wer heute Vater und Mutter ist, hat keine Beispiele dafür, wie Familie im beschleunigten Arbeitsalltag funktionieren kann. Wer Karriere machen will, muss lange im Büro bleiben und Präsenz zeigen. Doch das geht wiederum von der Zeit mit der Familie ab. Und schließlich sind da die eigenen Erwartungen: Man wollte doch etwas reißen und erfolgreich sein! Woher da noch die Zeit für ein Kind nehmen? Das Resümee ziehen die Autoren schon im Titel: "Geht alles gar nicht".

Die Journalistinnen Susanne Garsoffky und Britta Sembach kommen in ihrer Analyse zu ähnlichen Ergebnissen. In ihrem Schluss sind sie noch drastischer. Jahrelang hätten sie geglaubt, dass beides, also Kind und Karriere, möglich ist. Bereits kurz nach der Geburt sind sie in Vollzeit in den Job zurückgekehrt. Sie reiben sich auf zwischen Familie und Job. Als die Kinder in der Grundschule sind, kündigen sie. Ihr Lebenskonzept, Familie und Karriere vereinbaren zu können, sei gescheitert. Autor Malte Welding schreibt, Kinder zu bekommen, bedeute Mitglied im Fight Club zu werden.

Haben Berufstätige noch keine Kinder und lesen diese drei Bücher dürften viele mindestens verunsichert sein. Fight Club? War das nicht der Film, in dem sich Menschen in einem Keller treffen und sich gegenseitig krankenhausreif prügeln? Da wollen die meisten freiwillig nicht hineingeraten. Also alles Lüge, dass man beides haben kann?

"Unser Buch ist eine Bestandsaufnahme, keine Kapitulationserklärung", sagt Wefing. Es sei eine Verarbeitung ihrer Situation als berufstätige Väter. Sie hätten ihren Frust aufgeschrieben, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der derzeitigen Form nicht funktioniert. Ihr Buch sei der Versuch, all den überforderten Vätern und Müttern eine Stimme zu geben und zu sagen: Wir stoßen alle an eine Grenze. Brost ergänzt: "Niemand weiß im Moment, wie es gehen soll. Aber das bedeutet nicht, dass wir verzagt sind. Wir wollen einfach nur, dass endlich nach Lösungen gesucht wird."

Garsoffky und Sembach wollen ihr Buch auch als Aufforderung an Politik und Wirtschaft verstanden wissen, Vereinbarkeit von Beruf und Familie neu zu denken. Alle Autoren sagen klar: Um eine bessere Vereinbarkeit zu erreichen, reicht es nicht aus, dass sich die einzelnen Familien anders organisieren. Vielmehr müsse es neue, gesellschaftliche Konzepte geben. Doch der Einzelne kommt damit auf die Schnelle nicht weit. Was bleibt den jungen Berufstätigen übrig, die sich vielleicht jetzt für Kinder entscheiden müssen oder den Zeitpunkt verpassen?

"Es gibt keinen Masterplan", sagt Lena Schröder-Dönges. Sie coacht junge Berufstätige, die überlegen, ein Kind zu bekommen, sowie junge Eltern, die nach der Babypause in den Beruf wieder einsteigen wollen. Berufstätige, die Kinder bekommen, tanzten auf zwei Hochzeiten. "Das kann sich vorher keiner vorstellen, was das bedeutet."

Hilfreich ist, bei der Arbeitgeberwahl darauf zu achten, wie der Betrieb zum Thema Vereinbarkeit steht, sagt Karrierecoach Silke Mekat. Wirbt der Arbeitgeber zum Beispiel damit, familienfreundlich zu sein? Gleich im Bewerbungsgespräch das Thema anzusprechen, davor scheuen sich zwar viele. Doch wenn ein Unternehmen damit wirbt, familienfreundlich zu sein, sollten Bewerber ruhig mutig sein und sich erkundigen, wie das konkret aussieht, rät Mekat. Letztendlich bleibe aber nur jedem Paar übrig, seinen eigenen Weg zu finden.

(RP)
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