Bei 10 Euro pro Schnitt Für den Friseur bleibt kaum etwas übrig

Berlin · Waschen, schneiden, föhnen war gestern. Auch beim Friseur schauen immer mehr Kunden auf den Preis - sehr zulasten der Beschäftigten.

 Die Dumping-Preise locken zwar die Kunden an, für den Friseur bleibt dabei jedoch kaum etwas übrig.

Die Dumping-Preise locken zwar die Kunden an, für den Friseur bleibt dabei jedoch kaum etwas übrig.

Foto: dpa, Jana Ritchie

Es wird frisiert wie am Fließband - bei Hochbetrieb sitzen bis zu 20 Kunden in den kleinen schwarzen Kunstledersesseln. Für gerade einmal 10 Euro kann man sich hier die Haare schneiden lassen. "Das ist dann aber ein reiner Maschinenschnitt ohne Waschen, der höchsten 15 Minuten braucht", sagt eine Mitarbeiterin. Mit neun weiteren überwiegend weiblichen Kollegen arbeitet sie in der Filiale der M-Hairfactory-Lounge in Berlin-Wilmersdorf. Von 10 bis 20 Uhr hat der Salon geöffnet. Anmelden ist nicht nötig. Bei großem Andrang werden einfach Wartenummern vergeben.

Sie heißen Kamm2Cut, Kopflos oder HairService - in den letzten Jahren haben bundesweit immer mehr Friseursalons aufgemacht. In den Großstädten sind es vor allem die Filialen der Discountketten Hairkiller, Klier oder XLCut, die den Markt aufmischen. Sie werben mit Dumpingpreisen und bieten Strähnchen-Flatrates, Bonuskarten, Familien- und Freundesrabatte. Die Gewerkschaft Verdi beobachtet das sehr kritisch.

Schnäppchenpreise funktionieren nicht

Eine Dienstleistung habe immer einen Preis, der sich aus Personal- und Betriebskosten und unternehmerischen Gewinn zusammensetzt. "Ein Haarschnitt für 10 Euro gibt das nicht her", sagt Verdi-Tarifexpertin Ute Kittel. "Kunden mit Schnäppchenpreisen anzulocken, macht eben nur Sinn, wenn ich von diesen Preisen auch wieder wegkomme." Im Friseurhandwerk gehe diese Rechnung aber nicht auf und das sehr zulasten der Arbeitnehmer. Zu spüren bekommen die Betriebe das auch bei der Suche nach Nachwuchs. Die Ausbildungszahlen seien in den vergangenen Jahren extrem zurückgegangen.

Bei Stundenlöhnen von teils gerade einmal fünf bis sechs Euro ist diese Entwicklung auch nicht verwunderlich. Dabei gibt es laut Verdi große regionale Unterschiede. So seien in einigen Bundesländern die Tarife stetig angehoben worden. "In Bayern, Niedersachsen, NRW und Hessen erhalten ausgebildete Friseure wenigstens 7,50 Euro", berichtet Kittel. Besonders schlecht wird im Osten gezahlt. So verdienen berufserfahrene Friseure nach Tarif in Sachsen gerade einmal 830 Euro im Monat, in Mecklenburg-Vorpommern sind 864 Euro. Im Bayern werde hingegen mit 1778 Euro gut das doppelte gezahlt.

Gut 260.000 Friseure gibt es der zentralen Innung zufolge derzeit in Deutschland. Allein in den vergangenen zwölf Jahren sei die Zahl der Betriebe um mehr als 16.000 auf fast 80 000 angewachsen. Die Gründungsdynamik habe sich zwar zuletzt etwas abgeschwächt. Mit Sorge betrachtet der Verband aber auch die massive Zunahme von Ein-Personen-Unternehmen, die mit einem Jahresumsatz von weniger als 17.500 Euro mehrwertsteuerfrei auf dem Markt agieren. Mittlerweile soll es fast 22.000 solcher Kleinstbetriebe geben.

Ohne Verrkauf von Pflege geht es nicht

"Diese Entwicklung führt zu massiven Wettbewerbsverzerrungen. Denn das Steuerprivileg ermöglicht den Mikrobetrieben, ihre Friseurdienstleistungen konkurrenzlos günstig anzubieten", kritisiert Verbandssprecher Dirk Kramprich. Der ruinöse Wettbewerb werde aber auch von den Konsumenten und ihrem Kaufverhalten beflügelt. Die Kunden zu halten, funktioniere aber nicht nur über den Preis, hält Viola Marguerre für die Haikiller-Gruppe dagegen. Viele der monatlich rund 150.000 Klienten seien Stammkunden. Die günstigen Preise - einen Haarschnitt gibt es hier ohne Waschen und Föhnen für 13 Euro - kämen nicht durch niedrige Löhne zustande. Bei der Entlohnung gebe es klare Vorgaben.

Minimum sei der Tarif oder die Empfehlung des jeweiligen Bundeslandes. Viele Mitarbeiter in den gut 300 Salons könnten ihre Bezahlung auch durch den Verkauf von Pflegeprodukten oder Prämien für gute Teamleistung aufstocken. Auch die börsennotierte Essanelle-Gruppe gibt vor, ihre knapp 4000 Beschäftigten mindestens nach Tarif zu zahlen. Darüber hinaus werde noch ein Umsatzbonus gewährt, sagt Sprecher Michael Müller. Das gelte auch in den 258 Salons der Billigmarke Hairexpress, die vorwiegend in Einkaufszentren und Verbrauchermärkten angesiedelt sind.

(dpa)
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